Ein Schatzkästchen als Weihnachtsgeschenk

Predigt über Kolosser 2,3 zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Beschenkte ist überrascht. Unter den vielen in buntes Weihnachts­papier gehüllten Geschenken findet er eins, das ganz anders aussieht: ein schlichtes Holz­kästchen. Er nimmt es und öffnet vorsichtig den Deckel. Noch kann der Beschenkte nicht erkennen, was für ein Geschenk diese besondere Verpackung enthält; er sieht nur, dass da etwas in ein weißes Seidentuch gehüllt ist. Er nimmt den verhüllten Gegenstand aus dem Kästchen und wickelt ihn aus. Das Geschenk glitzert und funkelt im Licht der Kerzen am Weihnachts­baum. Der Beschenkte bekommt den Mund nicht mehr zu vor Staunen: Was für ein überaus wertvolles Geschenk, ein richtiger Schatz!

Du bist dieser Beschenkte. Auch wenn du deinerseits viele Geschenke vorbereitet und dafür möglicher­weise viel Geld ausgegeben hast: Das wertvollste Geschenk ist nicht eins, das du machst, sondern eins, das du bekommst. So ging es auch den Weisen, die zu Jesus fanden: Das Kind in der Krippe war ein viel größerer Schatz als Gold, Weihrauch und Myrrhe, die sie ihm mitgebracht hatten. Die Weisen wussten, dass dieser neu geborene König ein göttliches Geschenk für sie war, darum fielen sie vor ihm nieder und beteten ihn an. In eben derselben Weise findest du dein wertvollstes Weihnachts­geschenk. Es liegt im Holzkästchen der Krippe, und es ist in Windeln eingewickelt wie in ein weißes Seiden­tuch. Aus den Augen des göttlichen Kindes strahlt dich Gottes Liebe an. Der Heiland ist wertvoller als alle Geschenke und Schätze der Welt. Paulus hat von ihm bezeugt: „In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkennt­nis.“ Ein Schatz­kästchen ist die Krippe, und die Windeln gleichen einer edlen Umhüllung des Schatzes.

Wenn du das Kind in der Krippen gefunden hast, bist du mit dem Auspacken des Geschenks allerdings noch nicht fertig. Es heißt ja: „In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ Wer sich eine Weihnachts­krippe anschaut oder ein Weihnachts­gemälde, der sieht einfach nur ein Baby in einem Holzkasten – so wie damals die Hirten von Bethlehem und die Weisen aus dem Morgenland. Es kommt nun darauf an zu erfahren, was in diesem Kind steckt. Dabei hilft dir Gottes Wort und dabei helfen dir offene Augen des Glaubens – vertrauens­voll offen für den weiteren Weg von Jesus über das Kreuz und die Auferstehung bis hin zu seiner himmlischen Herrlich­keit, mit der er einmal wiederkommen wird. Das steckt alles in dem Kind drin – aber, wie gesagt, verborgen. Nur wer die ganze Geschichte von Jesus hört und glaubt, der dringt durch zu den „Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis“ in ihm.

Moderne Menschen werden vielleicht sagen: Alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis liegen in den Hörsälen und Bibliotheken der Universi­täten und Hochschulen verborgen, oder im Internet. Tatsächlich ist es erstaunlich, wieviel Wissen die Menschheit angehäuft hat, und es ist ebenfalls erstaunlich, dass wir heute leichter denn je Zugang zu diesen Schätzen haben. Und doch gibt es einen riesigen Unterschied zwischen diesen Schätzen menschlicher Wissenschaft und den Weisheits-Schätzen, die in Jesus verborgen sind. Selbst wenn die Menschen schon alles erforscht hätten, was sie erforschen können, wäre dieses Wissen immer noch bruchstück­haft; Jesus dagegen ist vollkommen. Denn selbst wenn man alle Scherben einer zerbrochenen Vase besitzt, hat man die Vase nicht. Was wir Menschen mit unserem Verstand ergründen können, muss immer Stückwerk bleiben. „In Jesus aber liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ – heil und vollkommen, so wie am Morgen der Welt.

Das Auspacken der Weisheits-Schätze, die in Jesus verborgen liegen, ist eine lebenslange Aufgabe. Mit meinen Predigten versuche ich immer wieder, euch dabei zu helfen; und das will ich auch heute tun. Vor allem möchte ich euch jetzt drei Dinge mitgeben, die uns diesem göttlichen Geschenk näher bringen.

Erstens: Die höchste Weisheit wird nicht von unten erarbeitet, sondern von oben gegeben. Damit unter­scheidet sie sich von menschlicher Wissenschaft und Erkenntnis. In der Schule und in der Berufs­ausbildung heißt es immer: Du musst fleißig lernen und dir so die Wissens­schätze erarbeiten. Und der Forscher muss oft jahrzehnte­lang viel Mühe in ein wissen­schaftliches Projekt stecken, das dann meistens nur für einen winzigen Teilbereich seines Faches neue Erkennt­nisse bringt. Anders verhält es sich mit den Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis, die in Christus verborgen liegen: Sie werden uns mit Jesus einfach von Gott geschenkt. Schon der Säugling kann sie in Empfang nehmen, wenn er mit der Taufe ein Jünger Jesu wird. Wer sich aber diese Schätze selbst erarbeiten will, der wird scheitern. Das ist ja das Grund­prinzip des Evangeliums, der guten Nachricht: „Euch ist heute der Heiland geboren!“ Wir können uns nicht mit unserem Wollen und unserer Philosophie zu Gott empor­schwingen, sondern Gott seinerseits macht sich auf, um zu uns herab­zusteigen. Und ebensowenig können wir uns mit unserer Menschen­weisheit vom Bösen losreißen und gute Menschen werden, sondern wir können uns nur von Jesus das neue Herz schenken lassen, das er all denen versprochen hat, die ihm vertrauen. Noch einmal: Die höchste Weisheit wird nicht von unten erarbeitet, sondern von oben gegeben.

Zweitens: Das Zeichen der höchsten Weisheit ist nicht die Krone, sondern das Kreuz – und auch die Krippe. Wenn wir von einem Schatz als wertvollem Geschenk hören, erwarten wir, dass er in einer entsprechend noblen Verpackung überreicht wird. Aber da erleben wir: Bei Gott ist auch das anders. Paulus schrieb in einem anderen Brief: „Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen“ (2. Kor. 4,7) – also in billigen Tontöpfen. Heute würden wir vielleicht sagen: Gottes unsagbar wertvolles Geschenk wird uns nicht in einer Gold­schatulle, sondern in einer Plastiktüte überreicht. Auf diese Art kommt Gott in armseliger Gestalt zu uns: als Kind armer Leute, in einer Not­unterkunft geboren, sein Leben lang verfolgt, am Ende ans Kreuz geschlagen. Das widerspricht aller menschlichen Weisheit – aber gerade dadurch erkennen wir Gottes Weisheit. Der Heiland liegt schwach in der Krippe und ist doch stärker als alle Feinde Gottes. Der Heiland hängt scheinbar ohnmächtig am Kreuz und besiegt doch dabei den Teufel. Mit den Augen der Weisheit dieser Welt betrachtet, ist diese Botschaft entweder lächerlich oder ärgerlich, und dennoch liegen in ihr alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Denn nur wer Jesus und seinem Heilswerk vertraut, findet den wahren Gott und dringt durch zum ewigen Leben. Alle Weisheit, aller Prunk und alle Pracht dieser Welt müssen vergehen, aber Jesus Christus bleibt in Ewigkeit. Noch einmal: Das Zeichen der höchsten Weisheit ist nicht die Krone, sondern das Kreuz.

Drittens: Die höchste Weisheit wird nicht mit Verstehen ergriffen, sondern mit Vertrauen. Viele Leute haben ein Problem mit Gott, weil sie sein Handeln nicht verstehen – sei es sein Handeln in der großen Welt­geschichte oder sei es auch sein Handeln im persönlichen Leben und Leiden. Denen sage ich: Gott erwartet gar nicht, dass ihr ihn versteht. Es wäre sowieso vermessen zu meinen, dass das Handeln des allmächtigen und ewigen Gottes mit unserem begrenzten Verstand fassbar wäre. Gott erwartet nicht, dass wir ihn verstehen, er erwartet nur, dass wir ihm vertrauen. Wer das Neue Testament ein wenig kennt, der weiß, dass dort der Glaube an Jesus manchmal „Erkenntnis der Wahrheit“ genannt wird. Genau diese Glaubens­erkenntnis ist gemeint, wenn es heißt: „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ Schon im Alten Testament heißt es: „Der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn, und den Heiligen erkenn, das ist Verstand“ (Sprüche 9,10). Für diese Glaubens­erkenntnis benötigt man keine Mindest-Intelligenz; schon ein kleines Kind kann sie haben oder auch ein geistig Behinderter oder ein dementer Mensch. Jesus hat sogar gesagt, dass das kindliche Vertrauen eigentlich die an­gemessenste Haltung ist, um das Geschenk von Gottes Weisheit in Empfang zu nehmen, das in Christus verborgen liegt. Wie Kinder mit einer Riesen-Vorfreude auf Weihnachten hin leben und dann mit leuchtenden Augen vor ihrem Gabentisch stehen, so sollen wir Gottes Heil und Weisheit ergreifen. Noch einmal: Die höchste Weisheit wird nicht mit Verstehen ergriffen, sondern mit Vertrauen.

Lassen wir uns also beschenken zu Weihnachten – vor allem von Gott, und vor allem mit dem Kind, in dem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen liegen. Denn die höchste Weisheit wird nicht von unten erarbeitet, sondern von oben gegeben. Und das Zeichen der höchsten Weisheit ist nicht die Krone, sondern das Kreuz. Und die höchste Weisheit wird nicht mit Verstehen ergriffen, sondern mit Vertrauen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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