Rein werden

Predigt über Matthäus 8,1-4 zum 5. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Manchmal sehe ich mir die Fernseh­sendung „Der Restaurant-Tester“ an. Da inspiziert der berühmte Koch Christian Rach irgendeine proble­matische Gaststätte und gibt den Betreibern Tipps, wie sie es besser machen können. Neulich war Christian Rach zu Gast in einem Schnitzel­haus, das von drei Brüdern betrieben wurde. Als er einen Blick in die Küche warf, war er fast sprachlos über so viel Dreck. Dann machte er den Dreien klar, dass die Küche das Herzstück eines Restaurants ist, die kulinarische Zentrale gewisser­maßen. Er sagte, dass er sie nur dann weiter beraten würde, wenn sie da erst einmal gründlich reine­machten. Missmutig aber gehorsam gingen die Brüder ans Werk, und siehe da: Nach einem harten Arbeitstag war die Küche sauber. Allerdings durften sie erst dann wieder darin kochen, nachdem Christian Rach alles genau begutachtet und mit seinem Finger prüfend in alle Kanten und Nischen gefahren waren. Die drei Brüder haben reine­gemacht, und Christian Rach hat die Reinheit fürs Fernseh­publikum dann offiziell bestätigt.

Um Reinheit geht es auch in der biblischen Geschichte, die wir eben gehört haben – freilich nicht um die Reinheit von Küchen, sondern von Menschen. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst gedanklich in die Welt des biblischen Judentums begeben. Wenn ein Mensch Lepra hatte oder an einer ekligen Haut­krankheit litt, dann galt er als unrein – und zwar in jeder Hinsicht. Er wurde aus dem normalen Arbeits‑ und Familien­leben verstoßen. Kein Gesunder wagte sich mehr in seine Nähe. Auch dem Tempel und der Synagoge musste er fern bleiben, denn man hielt ihn zugleich für kultisch unrein. Man war davon überzeugt, dass er ein schlimmer Sünder sein müsse, denn warum sonst sollte Gott ihn mit so einer schweren Krankheit strafen? Ein Aussätziger galt damals als Schande der Gesell­schaft, so wie eine verdreckte Küche eine Schande für jedes Restaurant ist. Falls der Aussätzige aber wieder gesund wurde, musste seine Reinheit erst einmal von den Priestern bestätigt werden, und im Zusammenhang damit musste er Gott ein bestimmtes Opfer bringen.

Wir können uns kaum vorstellen, in wie großer Not ein Aussätziger damals steckte. Vor allem seine Hilf­losigkeit wird ihn sehr geplagt haben. Er konnte ja nicht die Ärmel hochkrempeln und an seinem Körper groß reinemachen; er musste wohl oder übel mit seiner Unreinheit weiterleben. So ein Mensch kam eines Tages zu Jesus, fiel vor ihm nieder und sagte: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.“ Schon diese wenigen Worte zeigen, dass dieser Mann keineswegs gottlos war, sondern geradezu ein Vorbild an Demut und Gott­vertrauen. „Wenn du willst“, sagte er demütig, und das ist so, als betete er: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“ „Du kannst mich reinigen“, sagte er vertrauens­voll, und das ist so, als bekannte er: „Bei Gott und beim Heiland Jesus Christus ist kein Ding unmöglich.“

Wie wir es vom Matthäus-Evangelium gewohnt sind, wird Jesu Reaktion knapp und sachlich geschildert. Zunächst legte Jesus seine Hand auf den Aussätzigen. Das Ungeheuer­liche bleibt ungesagt, aber nichts­destoweniger ist es ungeheuer­lich: Jesus tut, was niemand anders wagen würde, Jesus rührt die abstoßend kranke Haut des Mannes an. Er zeigt ihm damit: Jetzt bin ich für dich da, jetzt will ich an dir handeln. Und er sagt es ihm auch aus­drücklich: „Ich will’s tun.“ Dann folgt das heilende Wort. Es ist so kurz, dass es kürzer kaum geht: „Sei rein!“, sagt Jesus. Aber weil der es sagt, der Himmel und Erde geschaffen hat und dem kein Ding unmöglich ist, wird es wahr: Der Aussätzige wird rein; seine Haut wird wieder gesund, ohne jede Spur von Aussatz.

Nun wissen wir inzwischen: Das Rein-Machen ist das Eine, das Für-Rein-Erklären das Andere. Jesus hat den Aussätzigen rein gemacht, aber fürs Rein-Erklären sind die Priester zuständig. Darum schickt Jesus den Geheilten zu den Priestern. Sie sollen ihr „Zeugnis“ abgeben, ihr offizielles Gutachten, damit der Mann wieder vollständig in die Gesellschaft integriert wird.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, es geht bei dieser Geschichte nicht in erster Linie um Lepra und um äußere Reinheit, sondern es geht eigentlich um das Leben und um die innere Reinheit. Was wir in der Bibel über die äußere Reinheit erfahren, das dient uns als Gleichnis für die innere Reinheit. Und was die Bibel Aussatz nennt, das können wir, auf uns selbst übertragen, Sünde nennen. Die Sünde macht uns unrein vor Gott und den Menschen. Wenn wir uns lieblos und eigennützig verhalten, dann schließen wir uns damit letztlich aus der guten menschlichen Gemeinschaft aus. Und wenn wir ohne viel Rücksicht auf Gott und sein Wort leben, dann schließen wir uns damit aus der Gemeinschaft mit Gott aus. Früher oder später sollte jeder erkennen, in was für eine miserable Situation ihn das bringt – so miserabel wie die Situation eines Aussätzigen im biblischen Judentum. Und ebenso wie er stehen wir mit unserer Not hilflos da; wir können ja nicht die Ärmel hochkrempeln und uns von unserer eigenen Sünde reinwaschen.

Aber etwas anderes können wir tun: Wir können es so machen wie der Aussätzige in der Geschichte, wir können zu Jesus gehen. Mit Demut und Gott­vertrauen können wir vor ihm niederfallen und ihn bitten: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.“ Oder mit anderen Worten, die wir schon als Kinder gebetet haben: „Ich bin klein, mein Herz mach rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Dabei dürfen wir die Gewissheit haben: Er will es; er will mich reinigen – mich und jeden, der seine Hilfe sucht. Sein Wort macht das un­missverständ­lich klar. „Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden“ (Joel 3,5). „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim. 2,4). Und Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus­stoßen“ (Joh. 6,37).

So komme ich zu Jesus mit all meiner Unreinheit und bitte ihn: „Mein Herz mach rein.“ Mach du es rein, denn ich selbst kann das nicht; aber Jesus kann es, und Jesus tut es auch. Er rührt mich an und sagt: „Sei rein!“ Er reinigt mein Herz von all dem unsäglichen Schmutz, der in mir ist. Das Herz aber ist das Herzstück meines ganzen Lebens, die Zentrale gewisser­maßen, so wie es die Küche für jedes Restaurant ist. Denn was da in meinem Herzen gekocht wird, das serviere ich Gott und meinen Mitmenschen durch mein Verhalten. Wenn nun Jesus da gründlich reinegemacht hat, dann kommen gesunde und schmackhafte Speisen heraus.

Als Jesus den Geheilten fort­schickte, gab er ihm eine merkwürdige Anweisung: „Sage es niemandem!“ Warum sollte niemand erfahren, dass Jesus einen Aussätzigen gesund gemacht hatte? Deshalb nicht, weil Jesus noch nicht gestorben und auferstanden war. Die Menschen sollten nicht zum Rabbi und Wunderheiler Jesus von Nazareth kommen, sondern zu dem Heiland und dem eingeborenen Gottessohn, der am Kreuz die Sünden der Welt getragen und mit seiner Auferstehung die Macht des Todes gebrochen hat. Jesus hätte dem Geheilten auch sagen können: Sage es noch niemandem; später, nach meiner Auf­erstehung, da darf es dann alle Welt wissen.

Das ist für uns wichtig zu bedenken. So – und nur so – hat Jesus unsere innere Unreinheit geheilt: durch seinen Opfertod am Kreuz. Da hat das Gotteslamm ein für alle Mal die Sünde der ganzen Welt auf sich genommen; da trug er unsere Krankheit und nahm auf sich unsere Schmerzen, unseren Sünden-Aussatz.

Noch einmal komme ich auf die Erkenntnis zurück: Das Rein-Machen ist das Eine, das Für-Rein-Erklären das Andere. Am Kreuz von Golgatha hat Jesus mich rein gemacht; da ist alles geschehen, was für meine innere Reinigung nötig ist in Zeit und Ewigkeit. Durch die Taufe aber hat er mich dann für rein erklärt, so wie die Priester den Geheilten dann für rein erklärten. Die Taufe bezeugt es jedem Getauften selbst sowie auch allen anderen Menschen: Du bist ganz sauber, deine Sünden sind allesamt abgewaschen. Und dies beglaubigt Jesus dann auch immer wieder neu – zum Beispiel in der Beichte. Da rührt er mich an durch die Hand seines Be­auftragten, und da sagt er mir: Du bist rein; dir sind deine Sünden vergeben. Ja, nun ist mein Herz rein, weil Jesus es rein gemacht hat. Und darum soll auch niemand anderes darin wohnen und das Sagen haben als er allein. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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