Erleuchtete Augen des Herzens

Predigt über Epheser 1,15-21 zum Himmelfahrtstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Leute können sich für Worte, wie wir sie eben gehört haben, nicht begeistern, auch viele Christen nicht. Was Paulus da geschrieben hat, klingt sehr abstrakt, sehr abgehoben, sehr theologisch. Viele freuen sich eher an Bibelworten und Predigten, die schlicht und praktisch das Alltagsleben betreffen. Aber nun die gute Nachricht: Auch die scheinbar schwierigen und abgehobenen Worte des Paulus betreffen durchaus den Alltag, auch heute noch. Man muss sich nur die Mühe machen, genau hinzuhören. Und man braucht die Hilfe des Heiligen Geistes. Der kann uns sozusagen die „Augen des Herzens“ öffnen. Dann verstehen wir staunend, was Gott uns für unser Leben zu sagen hat. Um dieses Thema geht es in dem gerade gehörten Abschnitt aus dem Epheser­brief. Da lesen wir unter anderem: Der Geist „gebe euch erleuchtete Augen des Herzens“.

Wie das mit den erleuchteten Augen des Herzens zu verstehen ist, können wir an einer Geschichte aus dem Alten Testament lernen (2. Könige 6,8‑17). Die Sache geschah im neunten Jahrhundert vor Christus. Israel und das benachbarte Syrien sind verfeindet. Die Syrer wollen mit einem hinter­hältigen Über­raschungs­angriff israelisches Gebiet erorbern, aber sie scheitern immer wieder. Der syrische Befehlshaber merkt, dass Israels Heer stets rechtzeitig gewarnt wird, denn es ist immer rechtzeitig zur Stelle, um das Land zu verteidigen. Der syrische Befehlshaber vermutet, dass einer seiner Leute verdeckt als Agent für Israel arbeitet, aber er wird eines Besseren belehrt. Man sagt ihm, dass es in Israel einen Propheten namens Elisa gibt, der jeden syrischen Hinterhalt voraussieht und in der Hauptstadt meldet. Daraufhin beschließen die syrischen Soldaten, zunächst nach Dotan vorzurücken, wo Elisa wohnt. Dort wollen sie den Propheten unschädlich machen. Bei Nacht, im Schutz der Dunkelheit, schleichen sie sich an. Als Elisas Mitarbeiter am nächsten Morgen aus der Haustür tritt, sieht er zu seinem Entsetzen, wie das ganze Dorf von feindlichen Syrern umzingelt ist. Die Lage scheint aussichts­los. Er sagt zu Elisa: „O weh, mein Herr! Was sollen wir nun tun?“ Elisa tröstet ihn mit den Worten: „Fürchte dich nicht!“, und er fügt die merkwürdige Begründung an: „Denn derer sind mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind.“ Meint Elisa etwa die paar armseligen Bauers­familien, die in Dotan wohnen? Was können die schon gegen die syrische Armee ausrichten? Aber Elisa meint etwas anderes: Er meint die vielen Engel, die sich zwischen dem Dorf und den Syrern zur Verteidigung aufgestellt haben. Elisa sieht diese Engel mit seinen „er­leuchteten Augen des Herzens“, sein Mitarbeiter aber sieht sie nicht – noch nicht. Da betet der Prophet: „Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe!“ Nun erkennt auch der Mitarbeiter die Engel, die Gott zu ihrem Schutz geschickt hat, und fürchtet sich nicht mehr.

Liebe Brüder und Schwestern, in unserm Alltag geht es uns oft so wie Elisas Mitarbeiter: Wir sind umzingelt von allerhand Problemen und Gefahren, aber wir sehen nicht, was uns hilft und schützt. Wir haben dann gerade keine „erleuchte­ten Augen des Herzens“, oder wir halten sie geschlossen. Wir sehen nicht, dass der auf­erstandene Herr Jesus Christus zwischen uns und den Problemen steht, sodass sie uns nicht wirklich etwas anhaben können. Wir sehen nicht, dass Jesus nach seiner Himmelfahrt zur Rechten des Vaters sitzt, also direkt in der Kommando­zentrale der ganzen Welt. Jesus hat Macht über Leben und Tod, Jesus hat Macht über Schöpfung und Geschichte. Wenn er auf unserer Seite steht, welche fremde Macht sollte uns dann noch etwas anhaben können? Wovor sollten wir dann noch Angst haben? Angst haben wir nur dann, wenn die Augen unseres Herzens nicht erleuchtet sind.

Ich komme zurück auf Paulus und seine Worte im Epheser­brief. Zunächst schreibt er davon, dass er Gott für den Glauben und die Liebe der Christen in Ephesus dankt. Er meint nicht allgemein irgendeinen Gottes­glauben, sondern er spricht ausdrücklich vom Glauben „an den Herrn Jesus“. Und er meint nicht allgemein irgendeine Freundlich­keit oder Nettigkeit, sondern spricht ausdrücklich von der „Liebe zu allen Heiligen“ – also von jener wunderbaren Bruderliebe, die Jesus selbst vorgelebt und dann auch das äußere Erkennungs­zeichen der Christen genannt hat. Vom Glauben und von der Liebe der Epheser hat Paulus durch Boten erfahren, und darum dankt er Gott dafür.

Glaube und Liebe – fehlt da nicht noch etwas Drittes? Da fehlt die Hoffnung! In dem berühmten Hohenlied der Liebe heißt es: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ (1. Kor. 13,13). Und tatsächlich: Die Hoffnung begegnet uns ebenfalls in unserm Predigttext, freilich etwas später. Während jedoch Glaube und Liebe in den Dankgebeten des Paulus auftauchen, taucht die Hoffnung in seiner Fürbitte auf, und zwar interes­santerweise im Zusammenhang mit seiner Bitte um „erleuchtete Augen des Herzens“. Paulus hat es folgender­maßen ausgedrückt: „Ich gedenke euer in meinem Gebet, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlich­keit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Ofenbarung, ihn zu erkennen. Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist…“ Mit anderen Worten: Paulus bittet den dreieinigen Gott, (ganz ausdrücklich Vater, Sohn und Heiligen Geist), dass die Epheser doch mit „erleuch­teten Augen des Herzens“ erkennen mögen, was für eine großartige Zukunft vor ihnen liegt.

Möglicher­weise haben auch wir das nötig: dass wir mit „erleuch­teten Augen des Herzens“ Gottes wunderbare Zukunft erkennen und dass auf diese Weise unsere Hoffnung gestärkt wird. Am Glauben halten wir gewohnheits­gemäß fest, viele von uns schon seit ihren Kindertagen. Um die Nächsten­liebe mühen wir uns, denn wir wissen, dass sie ganz wichtig ist im Christen­leben. Die Hoffnung aber ist bei vielen schwach ausgeprägt. Viele Christen lassen sich eher von ihren Ängsten und Befürch­tungen oder aber von menschlichen Hoffnungen beeinflussen als von der christlichen Hoffnung. Seien es die Kriege in der Welt, sei es der is­lamistische Terror, sei es die hohe Zahl an Fremden im Land, sei es die zunehmende Kriminali­tät, sei es die Sorge um Arbeit, Geld und Gut, seien es schwere Krankheiten oder auch nur die Angst davor – es geht uns oft so wie Elisas Mitarbeiter, der sich von Feinden umringt sieht und dabei nicht Gottes Heerscharen erkennt. Da betet Elisa für ihn um geöffnete Augen, so wie später Paulus für die Epheser betet. Und erst als Gott Elisas Mitarbeiter die Glaubens­augen öffnet, kann er hoffen; erst da sieht er, dass die guten Mächte Gottes alles Böse von ihm fernhalten und ihn beschützen. Was für ein Aufatmen! Was für eine Erleichte­rung! Was für eine Befreiung! Nur wer Gottes Macht erkennt, kann befreit aufatmen und wirklich hoffen; alle anderen müssen sich fürchten – vor Unglück, Krankheit und dem leiblichen Tod.

Wer „erleuchtete Augen des Herzens“ hat, der hat es gut. Denn er sieht mit ihnen, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und für ihn lebt. Er sieht es durch das Zeugnis der damaligen Augenzeugen, also durch das Zeugnis der Apostel. Jesus hätte auch unsichtbar auferstehen können, aber er hat sich bewusst als der Auf­erstandene gezeigt, damit wir ihn als Sieger über den Tod erkennen und Hoffnung gewinnen über unseren eigenen Tod hinaus. Dasselbe gilt für die Himmelfahrt: Jesus hätte auch einfach aufhören können, vor seinen Jüngern zu erscheinen, aber sichtbar ist er vor ihren Augen emporgehoben und von einer Wolke aufgenommen worden, damit wir seine göttliche Macht erkennen und Hoffnung gewinnen gegen alle bösen Mächte. Die Worte, die Paulus den Ephesern geschrieben hat, münden in einen großen Lobpreis dieser göttlichen Macht. Da heißt es in Erinnerung an die Himmelfahrt: „Seine Kraft ist über­schwänglich groß an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat. Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünfti­gen.“

Liebe Brüder und Schwestern, das Zeugnis der Apostel von Christi Auferstehung und Himmelfahrt erleuchte immer wieder aufs Neue die „Augen unseres Herzens“. So können wir die überragende Macht unsers Herrn erkennen und jeden Tag in der gewissen Hoffnung leben, dass dieser Zeit Leiden kaum ins Gewicht fallen, verglichen mit der großen Herrlich­keit, die uns im Himmel erwartet – dort, wohin Jesus uns voran­gegangen ist und von wo er einmal wiederkommen wird, um uns ganz zu sich zu holen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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