Beten und bekennen

Predigt über Daniel 9,4-5 zum Sonntag Rogate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Jeder, der sprechen kann, kann auch beten. Beten ist ja nichts anderes als mit Gott sprechen. Um mit Gott zu sprechen, muss man keine besonderen Wörter und Formu­lierungen kennen, man kann einfach „Vater“ sagen und loslegen. Aber es stellt sich die Frage: Was sagen wir ihm denn, dem himmlischen Vater? Worüber reden wir mit ihm? Die Frage lässt sich leicht beantworten: Wir bitten, wir danken, wir loben, wir bekennen. Das Bitten ist klar: „Beten“ war ja ursprünglich nur ein anderes Wort für „bitten“; wir bitten Gott für uns selbst und für andere. Wenn wir dann merken, dass er unsere Bitten erhört, bedanken wir uns bei ihm dafür und danken ihm darüber hinaus auch für viele andere gute Dinge, um die wir nicht gebeten haben und die er uns trotzdem schenkt. Das Danken aber geht über ins Loben; da bringen wir einfach zum Ausdruck, wie sehr wir uns über Gott freuen und dass wir seine Herrschaft anerkennen.

Und dann ist da schließlich noch das Bekennen. Es kann leicht passieren, dass es bei unserem Beten etwas unter­belichtet ist, jedenfalls im persönlichen Gebet. Da kann uns der Prophet Daniel Nachhilfe­unterricht geben. Im neunten Kapitel seines Propheten­buches ist ein längeres Gebet überliefert, bekannt als „Daniels Bußgebet“. Bei diesem Gebet steht das Bekennen am Anfang, und es steht auch inhaltlich an erster Stelle. Am Beispiel von Daniels Bußgebet können wir lernen, wie und warum das Bekennen eine wichtige Rolle für unser Gebetsleben spielt beziehungs­weise spielen sollte. Ich lese noch einmal die Einleitung und den Anfang dieses Gebets, das ist unser heutiger Predigttext. Daniel schreibt: „Ich betete aber zu dem HERRN, meinem Gott, und bekannte und sprach: Ach, Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten! Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten abgewichen.“

„Ich betete und bekannte“, schreibt Daniel. Das Wort „bekennen“ hängt mit „kennen“ zusammen. Nur was man kennt, kann man beim Namen nennen und bekennen. Um zwei Dinge geht es hier, die Daniel kennt und die er dann auch ausspricht; es sind die Schwerpunkte der beiden ersten Sätze von Daniels Bußgebet: erstens Gott, zweitens Daniel selbst in der Gemeinschaft seines Volkes (das kommt in dem Wörtchen „wir“ zum Ausdruck). Wir sehen: Wer bekennen will, muss erstens Gott kennen und zweitens sich selbst. Nur wer Gott kennt, kann auch seinen Glauben an ihn bekennen. Und nur wer sich selbst kennt, kann Gott seine Sünde bekennen – all das, was bei ihm nicht in Ordnung ist. Gottes­erkenntnis und Selbst­erkenntnis sind die beiden Voraus­setzungen für das Bekenntnis im Gebet.

Schauen wir zunächst auf das Erste, auf die Gottes­erkenntnis und das daraus ent­springende Bekenntnis des Glaubens. Bei Daniel ist es Teil der Gebets-Anrede. Er sagte: „Ach, Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten!“ Daniel erkannte und glaubte: Gott ist groß, Gott ist heilig, Gott ist Herr; er ist ewig, allwissend und allmächtig. Von ihm kommt alles her, und vor ihm müssen sich alle Menschen ver­antworten. Er hält die ganze Welt in seiner Hand und lenkt ihre Geschichte; er ist ihr König; zugleich kümmert er sich um kleinste und scheinbar unbedeutende Dinge. Jesus lehrte, dass kein Spatz zu Boden fällt gegen Gottes Willen und dass kein Mensch ein einziges seiner weißen Haare in ein schwarzes verwandeln kann oder umgekehrt. „Gott ist groß, Gott ist heilig, Gott ist Herr“ – so kennen auch wir ihn, und so bekennen auch wir von ihm. Im uns vertrauten Aposto­lischen Glaubens­bekenntnis tun wir es mit dem ersten Artikel: „Ich glaube an Gott den Vater, den All­mächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden.“

Wer wie Daniel Gott kennt, weiß, dass Gott nicht einfach nur für sich Herr ist, sondern dass er auch für uns Herr ist, uns Menschen zugut. Gott tritt mit Menschen in Verbindung und schließt einen Bund mit ihnen. Dabei hätte er das gar nicht nötig. Gott hat keinen Vorteil davon, dass er sich mit uns verbündet, aber wir Menschen haben einen Vorteil davon. Gottes Bund ist ein Geschenk der Liebe, ein Gnadenbund. Gottes Bund ist dabei keine un­verbindliche Absichts­erklärung und auch kein lockerer Vertrag, der bei Bedarf wieder gekündigt werden kann, sondern er ist ein un­auflösliches Vermächtnis, ein Testament und heiliger Eid. Daniel bekannte deshalb: „…der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten.“ Damit erinnert Daniel insbesondere an den Sinai-Bund, also den alten Bund, den Gott insbesondere mit dem Volk Israel geschlossen hat; er hat es durch Mose getan am Berg Sinai. Er ist ein Gesetzes­bund, denn er knüpft das Bundes­geschenk an eine Bedingung: Nur die kriegen es, die „Gott lieben und seine Gebote halten“. So hat Gott es bei der Übergabe der Zehn Gebote am Berg Sinai verfügt, und so hat Luther es ins Erste Hauptstück des Kleinen Katechismus übernommen; mancher von uns hat es auswendig gelernt: „Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der an denen, die mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht bis zu den Kindern im dritten und vierten Glied; aber denen, die mich lieben und meine Gebote halten, tue ich wohl bis in tausend Glied.“

Da stellt sich nun die Frage: Wer erfüllt denn diese Bedingung? Wer liebt denn Gott so, wie er geliebt werden will, nämlich „von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft“ (5. Mose 6,5)? Und wer hält denn seine Gebote – nicht nur ab und zu das eine oder andere, sondern immer alle? Diese Frage führt uns zum Zweiten, zur Selbst­erkenntnis und zum daraus ent­springenden Bekenntnis der Sünde. Bei Daniel hört sich das so an: „Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten abgewichen.“ Daniel bekannte das für sich und sein Volk Israel. Er bekannte es gegen Ende der Babylo­nischen Gefangen­schaft – also Jahrzehnte, nachdem Gott sein Strafgericht über Israel vollstreckt, Jerusalem zerstört und viele Juden zur Zwangsarbeit ins Ausland deportiert hatte. Daniel haderte nicht darüber, sondern gab Gott Recht: Gott musste so strafen, weil Israel die Bedingung des Gesetzes­bundes nicht eingehalten und Gottes Gebote immer wieder übertreten hatte. Gott war seinem Bundes­versprechen nicht untreu geworden, im Gegenteil: er hatte sich genauso verhalten, wie er es mit seinem Bund proklamiert hatte. Da heißt es ja: „Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der an denen, die mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht bis zu den Kindern im dritten und vierten Glied…“ Wenn Daniel seine Sünden und die Sünden seines Volkes bekennt, dann sagt er Gott damit: Wir haben jedes Recht, dein Volk zu sein, verwirkt. Jesus hat es später im Gleichnis vom verlorenen Sohn so formuliert: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße“ (Lukas 15,21).

Wir merken: Bekennen bedeutet einerseits Ein­verständnis mit Gottes Heiligkeit, andererseits Ein­geständnis der eigenen Schuld. So äußert sich die rechte innere Grundhaltung beim Beten: Bekennendes Beten ist niemals Beten auf Augenhöhe, sondern immer kniendes Beten, demütiges Beten. Daniel hat das im weiteren Verlauf seines Bußgebets mit dem bekannten Satz ausgedrückt: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtig­keit, sondern auf deine große Barmherzig­keit.“

Daniel hat nicht vergeblich gebetet. Jeder, der sich mit solchem Bekenntnis Gott naht, betet nicht vergeblich. Denn wer Gottes Heiligkeit und seine Sünde bekennt, darf auf Gottes Barmherzig­keit hoffen. Die Bedingung des Gesetzes­bundes hat er zwar verfehlt, aber Gott hat einen neuen Bund gestiftet, den Evangeliums­bund. Dazu ist Jesus Mensch geworden, dazu ist er gestorben und auf­erstanden. Mit diesem Bund verheißt Gott Gnade nicht nur denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, sondern auch denen, die sich von ihm entfernt und seine Gebote übertreten haben. Als der heimkehrende verlorene Sohn dem Vater bekennt, dass er seine Sohnschaft schuldhaft verwirkt hat, da erhebt der Vater ihn wieder neu in eben diese Sohnschaft. Das ist die Zusage von Gottes neuem Bund: Du bist Gottes geliebtes Kind, weil Jesus alle deine Sünden vergeben hat.

Auch Gottes neuer Bund ist ein un­auflösliches Vermächtnis, ein Testament und heiliger Eid. Wer an Jesus glaubt, kann gewiss sein, dass Gott ihn nicht abweist, egal wie gut oder schlecht ihm ein gott­gefälliges Leben gelingt. Diese Gewissheit bekennen wir im Aposto­lischen Glaubens­bekenntnis mit dem zweiten und dritten Artikel. Wir bekennen, dass der Herr Jesus uns mit seinem Leiden und Sterben zum ewigen Leben erlöst hat. Und wir bekennen, dass der Heilige Geist uns in der Kirche die Vergebung der Sünden zueignet. Durch Jesus mit dem himmlischen Vater verbunden – das ist nicht ein frommer Wunsch oder eine vage Hoffnung, sondern das ist Gottes heiliges Versprechen. Wenn wir wie Daniel sagen: „Ach, Herr, du großer und heiliger Gott“, dann schwingt dieses Bekenntnis darin mit, denn Gottes Herrlichkeit und Barmherzig­keit wird nirgends deutlicher als in Jesus, seinem Mensch gewordenen Sohn.

Jeder, der sprechen kann, kann auch beten. Rechtes Beten umfasst bitten, danken, loben und bekennen. Das Bekennen ist dabei grundlegend, denn darin äußert sich die angemessene innere Gebets­haltung: Wir bekennen uns zum allmächtigen und barmherzigen Gott, zu seinem Gesetz und zu seinem Evangelium. Unter seinen Gesetz erkennen wir uns als Sünder und bekennen ihm unsere Schuld. Unter dem Evangelium aber erkennen wir uns als begnadigte Gotteskinder und bekennen Jesus als unsern Heiland. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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