Gott schafft Ordnung

Predigt über 1. Mose 1,4b-10.13-19 zum Sonntag Jubilate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ordnung ist wichtig – wichtiger, als viele denken. Manche Menschen sind vorbildlich ordentlich; bei ihnen ist es immer aufgeräumt. Aber auch Menschen, die als unordentlich gelten, haben ihre eigene Art von Ordnung. Zwar sieht es bei ihnen nicht aufgeräumt aus, aber doch finden sie meistens, was sie brauchen, und halten Wichtiges auseinander. Bei völliger Unordnung indessen würde alles ineinander übergehen: Zahncreme und Schuhcreme, Wertpapiere und Klopapiere, Kochtöpfe und Blumentöpfe. Auch die zeitliche Ordnung ist wichtig: Es gibt den Morgen zum Frühstücken, die Sprechstunde für den Arztbesuch und eine bestimmte Zeit im Jahr zum Kirschen-Ernten. Wenn es keinerlei Ordnung gäbe und alles unentwirrbar durchein­ander wäre, dann ließe sich nichts von etwas anderem unter­scheiden; alles wäre überall und nirgends, alles wäre immer und niemals da.

Unser Schöpfer ist ein Gott der Ordnung. Der biblisches Schöpfungs­bericht betont, dass Gott nicht nur einfach etwas schuf, sondern dass er seine Geschöpfe auch ordentlich unterschied. So schied er das Licht von der Finsternis, das Himmels­gewölbe von der Erd­oberfläche und die Kontinente von den Meeren. Zeitlich schied er den Tag von der Nacht und sonderte nach sechs Schöpfungs­tagen einen Ruhetag aus. Erst Gottes Ordnung und Strukturen haben seine Schöpfung zu dem gemacht, was sie ist. Wenn nur Licht wäre und keine Finsternis, wüssten wir nicht, dass es das Licht gibt, denn wir könnten es nicht vom Dunkel unter­scheiden. Oder wenn überall um uns herum nur Wasser wäre, wüssten wir nicht, was das ist, denn wir hätten nichts darüber oder daneben, das wir vom Wasser unter­scheiden könnten. Ohne Abend, ohne Morgen und ohne Jahreszeiten hätten wir keinen ver­lässlichen Maßstab für die Zeit. Indem Gott seine Geschöpfe voneinander schied, schuf er eine Ordnung; sie ist fester Bestandteil der Schöpfung. Was wir Naturgesetze nennen, gehört dazu. Im 111. Psalm heißt es von Gottes Schöpfungs­werken: „Alle seine Ordnungen sind beständig.“

Nun besteht allerdings die Gefahr, dass man die Ordnungen mit ihrem Schöpfer verwechselt. Heutzutage glauben nämlich viele, man könne die Entstehung aller Dinge mit Natur­gesetzen erklären. Diese Erklärungs­weise führt dann zu der Annahme, die Entstehung der Welt müsse Millionen und Milliarden von Jahren gedauert haben, nicht nur sechs Tage. Es gibt auch viele Christen, die so denken. Den Schöpfungs­bericht der Bibel halten sie für einen Mythos, also für ein frommes Märchen. Was sollen wir dazu sagen?

Der Schöpfungs­bericht ist kein Mythos; die Bibel selbst weist mytho­logische Deutungen zurück. Un der Schöpfungs­bericht offenbart uns mehr als die bloße Tatsache, dass Gott die Welt gemacht hat. Er bezeugt uns unter anderem, dass Gott alles aus Nichts gemacht hat, nur durch sein Wort. Auch erfahren wir in diesem ersten Kapitel der Bibel, dass der Allmächtige die Naturgesetze erst zusammen mit den Geschöpfen ins Leben gerufen hat; am Anfang war die Schöpfung ihnen also noch nicht zwingend unterworfen. Und wir erkennen schließlich, dass Gott alles in großer schöpfe­rischer Freiheit geschaffen hat. Diese Freiheit geht so weit, dass wir manches im Schöpfungs­bericht einfach nur staunend hinnehmen, nicht aber begreifen können. Ja, Gott hat die Dinge der Welt so kreativ angeordnet, wie ein Maler Farben auf die Leinwand tupft oder wie eine Floristin Blumen zu einem Gebinde arrangiert. Das schließt aus, dass die Welt nach starren Natur­gesetzen entstanden ist. Es liegt also nicht an bestimmten Natur­gesetzen, dass die Dinge so geworden sind, wie sie sind; es liegt vielmehr an Gottes schöpfe­rischer Freiheit. Wer die Entstehung der Welt mit Natur­gesetzen erklären will, der setzt damit die Naturgesetze an die Stelle des Herrn und ehrt dann nicht mehr ihn, sondern eine un­persönliche Natur-Gottheit.

Man kann das gut an der Erschaffung des Lichts und der Gestirne sehen. In der Zeit nach der Schöpfung gilt das Naturgesetz: Licht kommt immer von einer bestimmten Lichtquelle her; ohne Lichtquelle gibt es kein Licht. Bei der Erschaffung der Welt war es anders: Das erste Licht kam nicht von einer natürlichen Lichtquelle, sondern es ging am ersten Schöpfungs­tag direkt von Gott aus. Die natürlichen Lichtquellen Sonne, Mond und Sterne schuf er erst am vierten Tag. Ebenso ordnete er den Rhythmus von Tag und Nacht bereits mit dem ersten Schöpfungs­tag, also bevor es eine Sonne gab, die auf‑ und untergehen konnte. Erst mit Sonne und Mond schuf Gott dann die natürlichen Uhren, die Tag und Nacht regieren und das Jahr in Monate und Jahreszeiten einteilen. Es ist so, als wollte der Schöpfer uns stolzen Menschen­kindern sagen: Denkt nicht, dass eure großartigen astro­nomischen Erkenntnisse das Maß aller Dinge sind; sie sind meine Ordnungen, von mir geschaffen, zu der Zeit, als ich es für gut befand, auch gegen all eure Erfahrung und Vor­stellungs­kraft. Von daher ist es auch unsinnig darüber zu spekulieren, wie lange denn ein Schöpfungs­tag gedauert hat. Manche sagen: Tausende von Jahre; andere: genau vierund­zwanzig Stunden. Aber es gab nun mal am Anfang noch keine Uhren und keine natur­gesetzlich streng ablaufende Zeit, mit der man die Dauer eines Schöpfungs­tages hätte messen können. Im Grunde genommen ist die Frage nach der Dauer eine Schöpfungs­tages so unsinnig wie die Frage nach der Dauer des Dreißig­jährigen Krieges: Wir können nämlich nur antworten, dass ein Schöpfungs­tag eben einen Tag lang gedauert hat.

Man kann Gottes schöpfe­rische Freiheit auch an der Erschaffung des Himmels erkennen. Dieser Schöpfungs­akt des zweiten Tages wird allerdings oft miss­verstanden. Mancher will darin das mittel­alterliche Weltbild wieder­erkennen, in dem der Himmel eine Art Käseglocke über der Erd­oberfläche darstellt. Das ist aber nicht so gemeint im Schöpfungs­bericht. Es heißt da lediglich, dass Gott eine Himmelsfeste machte, auf Lateinisch „firma­mentum“. Diese Himmelsfeste schied das Wasser unten vom das Wasser oben – wir würden heute sagen: Das Wasser auf der Erde vom Wasser in der Atmosphäre. Hier erkennen wir wieder Gottes geniales Ordnen, denn damit hat er wesentliche Voraus­setzungen für das Leben geschaffen. Das Wasser oben und das Wasser unten ermöglicht einen Wasser­kreislauf mit Nieder­schlägen, Grundwasser, Quellen, Bächen, Flüssen, Seen, Meeren, Verdunstung und Wolken­bildung. Und darüber hinaus enthält diese Atmosphäre ein ideales Gasgemisch, die Luft. Ohne Luft und ohne Wasser­kreislauf gäbe es kein Wetter und auch kein biologisches Leben. Mit der Luft hat Gott aber noch viel mehr geschaffen: Er hat ein Medium geschaffen, in dem die Vögel sich über weite Strecken schnell fortbewegen können, und mit ent­sprechenden technischen Hilfsmitteln auch wir Menschen. Er hat ein Medium geschaffen, das wir mit unseren Stimmen in Schwingungen versetzen können; mithilfe der Luft­schwingungen können wir miteinander reden. Mithilfe von Instrumenten können wir die Luft in schönen Wellen kräuseln und uns an der Musik erfreuen. Auch Gott freut sich, wenn wir die von ihm geschaffene Luft ihm zur Ehre kräuseln, wenn wir also Dankgebete sprechen und ihm zum Lob musizieren. Das alles steckt in diesem wunderbaren Schöpfungs­werk der Atmosphäre drin, der Himmels­feste. Wir sind darüber voller Freude und Dank.

Gottes Schöpfung ist unfasslich groß, genial und schön. Und doch ist das Ordnungs­prinzip, das hinter aller Schöpfungs­ordnung steckt, sehr einfach: Es ist das Prinzip der Zweiheit beziehungs­weise der Gegensätze. Am Anfang schuf Gott den Gegensatz von Licht und Finsternis, danach den Gegensatz von oben und unten, danach den Gegensatz von Land und Meer, danach den Gegensatz von Sonne und Mond. Beim Leben schuf er den Gegensatz von männlich und weiblich. Wenn wir die Schöpfung erforschen, können wir immer wieder dieses Prinzip Zweiheit entdecken, bis hin zu den kleinsten bekannten Teilchen: Da gibt es positive und negative Ladungen, die wir auch von der Elektrizität kennen. Grund­sätzlich können wir sagen: Gottes Unter­scheiden nach zwei Seiten hin hat eine grundlegende zweiwertige Ordnung und Logik für die Welt ins Leben gerufen. Auch unser menschliches Denken orientiert sich daran: Wenn wir logisch denken, dann gibt es für jede Aussage grund­sätzlich immer nur zwei Möglich­keiten: Sie ist richtig oder sie ist falsch. Eine mehrwertige Logik dagegen erscheint uns unsinnig.

Gottes zweiwertige Logik geht über die materielle Schöpfung und ihre Ordnung hinaus. Sie zeigt uns Menschen nämlich auch, was gut und böse ist. Sowohl mit seinen Geboten als auch im Gewissen macht unser Schöpfer uns bewusst, wie wir richtig leben sollen. Bei dieser Erkenntnis wird uns zugleich deutlich, dass böse Mächte Gottes Schöpfung und unser Leben darin kaputt machen wollen. Dahinter steckt der Teufel, Gottes großer Gegen­spieler. Die Bibel nennt ihn auch „diabolos“, auf Deutsch „Durchein­ander­bringer“: Er will Gottes saubere Unter­scheidung von gut und böse kaputt machen. Was Gott mit seiner Schöpfung weise geordnet und uns Menschen ins Herz gegeben hat, das will der Teufel durch­einander­bringen. Gott schafft Ordnung, aber der Teufel will daraus ein Chaos machen.

Fast hätte der Durch­einander­bringer bei den ersten Menschen damit Erfolg gehabt. Über die zwei besonderen Bäume im Garten Eden hatte Gott ihnen gesagt: Von dem einen dürft ihr essen, von dem anderen nicht. Da verkleidete sich der Teufel als Schlange und stellte Gottes klare Anweisung in Frage: Sollte das wirklich wahr sein, sollte Gott das wirklich so gemeint haben? Was folgte, ist bekannt.

Aber Gott will seine Schöpfung nicht der zer­störerischen Macht des Diabolos ausliefern. Er hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit er die gestörte Ordnung wieder­herstelle. Das hat er durch seinen Tod am Kreuz getan. Da erkennen wir Gottes Neu­schöpfung: Gott schafft Ordnung – eine neue Ordnung für die in Sünde gefallene Menschheit. Einst wird er auch einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, vielleicht mit neuen Natur­gesetzen – in all seiner schöpfe­rischen Freiheit, die er auch am Anfang dieser Welt walten ließ. Und trotzdem bleibt unser Schöpfer derselbe von Anfang bis Ende: der eine wahre Gott, gelobt in Ewigkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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