Das Lied des Mose und der Mirjam

Predigt über 2. Mose 15,20-21 zum Ostermontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In der Sprache der Tswanas im südlichen Afrika gibt es zwei verschiedene Wörter für „singen“: „opela“ und „bina“. Das erste Wort meint den musi­kalischen Vortrag eines kunstvollen Textes, ursprünglich eine Art von deklamie­rendem Sprech­gesang. Das zweite Wort geht mehr in Richtung Tanz: Da werden wenige Wörter rhythmisch betont und häufig wiederholt, und da singt der ganze Körper mit: die Hände klatschen, die Füße stampfen, der ganze Mensch bewegt sich zur Musik.

Diese beiden Arten von Singen finden wir auch in der Bibel wieder. Da gibt es einerseits herrliche Psalmen und Propheten­lieder; es sind kunstvolle Texte, die zur Harfen­begleitung als Sprechgesang vorgetragen wurden. Und da hören wir andererseits vom sogenannten „Reigen“, vom Tanzlied also, das Menschen­gruppen bis zur Ekstase bringen konnte. Sogar von würdigen Königen wie Saul und David ist berichtet, dass sie zuweilen ausgelassen zu Gottes Ehre sangen und dabei tanzten. Natürlich war das nicht jedermanns Ding, einige liebten es ruhiger. Auch heute noch ist es ja so: Die Temperamente und Begabungen sind verschieden.

Und nun kommen wir zu Mirjam und ihrem Lied. Das heißt, eigentlich müssen wir auch ihren Bruder Mose be­rücksichti­gen. Denn bevor die Bibel von Mirjams Lied berichtet, berichtet sie vom Lied des Mose, und davor vom Durchzug der Israeliten durchs Schilfmeer, geleitet ebenfalls von Mose. Gott hatte sein Volk auf diese Weise aus größter Not gerettet, denn die ägyptische Armee war mit schnellen Pferden hinter ihnen her gewesen. Gott hatte das Schilfmeer durch einen starken Wind auseinander­getrieben und die Israeliten hindurch­ziehen lassen. Als die Ägypter ihnen folgten, kehrten die Wassermassen zurück und ließen die Krieger samt ihren Pferden ertrinken. Die Israeliten waren über­glücklich und dankten Gott. Mose aber verfasste ein kunstvolles Loblieb und besang darin wortreich Israels Rettung und Gottes Sieg über die Feinde. Es handelt sich hier offen­sichtlich um die erste der beiden Arten zu singen. Die Bibel nennt Mose einen Propheten und meint damit auch diese Gabe, Gottes Taten in kunstvolle Worte zu kleiden.

Danach folgt das, was wir als Predigttext gehört haben: Mirjam schnappt sich eine „Pauke“, nämlich eine Handtrommel, eine Art Tamburin, schlägt einen Takt und wiederholt die erste Strophe des Liedes ihres begabten Bruders: „Lasst uns dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.“ Sie macht einen „Reigen“ aus diesen Worten, einen Chorus, zu dem man tanzen kann. Damit nicht genug: Sie fordert ihre Freundinnen auf, ebenfalls ihre Tamburine zu holen und mitzumachen. Die Frauen lassen sich das nicht zweimal sagen, und bald singt eine Menge von tanzenden und trommelnden Frauen Mirjams Chorus. Es muss so ähnlich gewesen sein wie heute bei den Cheerleaders auf einer großen Sport­veranstal­tung. Gott so ausgelassen fröhlich zu loben ist keineswegs minderwertig oder anstößig; es handelt sich einfach um die zweite der beiden Arten zu singen. Die Bibel nennt Mirjam hier (und interessanter­weise nur hier) eine „Prophetin“. Das heißt: Auch sie verkündet wie ihr Bruder Gottes Taten, nur eben auf eine andere Art und Weise. Mose machte viele Worte, sie wenige. Moses Singen war eher ein Vortragen, Mirjams Singen war eher ein Tanzen. Während Mose sang, hörten die andern zu; während Mirjam sang, machten die andern mit. Beides hat seine Berechti­gung.

Im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes, wird Bezug auf dieses Lied des Mose und der Mirjam genommen. Da schaut und hört Johannes in einer Vision, wie Gottes Auserwählte im Himmel das Lied singen und dazu Harfe spielen. Ob sie es auf die erste oder zweite Art taten, lässt sich nicht sagen; aber im Himmel werden wohl beide Arten genial kombiniert sein. Der Text des Liedes ist im Buch der Offenbarung etwas abgewandelt und lautet so: „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.“ Aus dem Zusammenhang geht hervor: Die Auserwählten singen vom Gotteslamm Jesus Christus, das am Kreuz die Sünden der Welt trug und dann als Osterlamm siegreich über den Tod trium­phierte. Wie die Befreiung von Gottes Volk aus ägyptischer Unter­drückung Gottes bedeutendste Erlösungstat im alten Bund ist, so ist die Befreiung der Menschheit von Sündenschuld Gottes bedeutendste Erlösungstat im neuen Bund, ja eigentlich in allen Zeiten. Und wie Mose und Mirjam im Loblieb besangen, dass Gott ihre Feinde unschädlich gemacht und Ross und Mann ins Meer gestürzt hat, so besingen wir Christen, wie Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung den Teufel entmachtet hat samt allen, die von ihm geritten werden.

Das ist so herrlich, dass wir mit unseren Lobliedern nicht erst bis zum Himmel warten. Nein, wir wollen jetzt schon für unsern auf­erstandenen Erlöser singen – je nach Temperament und Gaben auf Moses oder Mirjams Art. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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