So gelingt des Herrn Plan

Predigt über Jesaja 53,10b zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was für uns eines der größten Geschenke Gottes ist, das ist für viele andere die größte Merk­würdigkeit im christlichen Gottes­dienst: das Heilige Abendmahl. Es ist für Nicht­christen völlig un­verständ­lich, dass die Brothostie der Leib Christi sein soll und der Wein im Kelch sein Blut. Sie begreifen auch nicht, dass wir diesen Leib gern essen und dieses Blut gern trinken; sie verstehen nicht, was wir davon haben. Und schließlich bringen Skeptiker eine ganze Reihe von Argumenten vor, mit denen sie die Gegenwart des Herrn im Sakrament weg­diskutieren wollen. Bereits Ulrich Zwingli meinte in seiner berühmten Diskussion mit Luther, der Leib Christi könne gar nicht auf Erden im Abendmahl gegenwärtig sein, weil er ja vierzig Tage nach Ostern gen Himmel gefahren sei. Andere weisen darauf hin, dass der Leib und das Blut Christi ja schon längst aufgezehrt sein müssten nach all den vielen Abendmahls­feiern, die es in den zurück­liegenden zweitausend Jahre gegeben hat. Allein heute, am Grün­donnerstag, empfangen Christen in weltweit mehreren hundert­tausend Gottes­diensten den Leib und das Blut ihres Herrn. Wie kann das möglich sein?

Das Heilige Abendmahl ist ein unfassliches Wunder und großes Geheimnis. Dennoch hat der Herr selbst einen Hinweis dafür gegeben, wie wir die letzte Fragen beantworten können. Dieser Hinweis steckt im Wochenspruch des Sonntags Lätare. Da heißt es: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh. 12,24). Aus einem einzigen Weizenkorn können viele Tonnen Weizen und Brot werden, nämlich dann, wenn die geernteten Körner immer wieder neu eingesät werden; ein einziger Same kann auf diese Weise unbegrenzt viel Frucht bringen. So können wir den Leib Christi im Abendmahl als Frucht des einen Leibes ansehen, der damals am Kreuz hin.

Damit kommen wir zu unserm Predigttext, dem Satz aus Jesajas viertem Knecht-Gottes-Lied. Da heißt es: „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben.“ Luther übersetzte ur­sprünglich: „So wird er Samen haben und in die Länge leben.“ Das entspricht wörtlich dem hebräischen Urtext. Das eine Samenkorn Jesus Christus bringt durch Tod und Auferstehung Frucht hervor, viele neue Samenkörner, die sich ihrerseits weiter vermehren und Frucht bringen – immer länger, immer weiter, bis in Ewigkeit. Was Jesaja hier geweissagt hat, umschreibt ganz wunderbar das Geheimnis des Heiligen Abendmahls. Jesus selbst ist das Schuldopfer und das Passalamm, das für die Sünden der Welt am Kreuz geopfert wurde. Als Jesus am Abend zuvor mit seinen Jünger die Passa­mahlzeit einnahm, wies er darauf hin und brachte seinen zum Schuldopfer bestimmten Leib mit dem gebrochenen Brot in Verbindung: „Das ist mein Leib.“ Indem dieser Leib gebrochen und geopfert wird, bringt er neuen Samen hervor, viel Frucht – sowohl den Leib Christi, den wir bis heute im Heiligen Abendmahl essen, als auch den Leib der ganzen Christen­heit. Denn wir alle, die wir in Christi Tod getauft sind, sind dadurch im übertragenen Sinn zur Frucht Christi geworden, zu Samenkörnern seines geistlichen Leibes. Ja, es ist so gekommen, wie Jesaja es geweissagt hat; wir selbst sind Teil der Erfüllung: „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Samen beziehungs­weise Nachkommen haben und in die Länge leben.“

Das Ganze können wir nun aber in einen noch weiteren Horizont stellen. In der letzten Strophe des Chorals „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ heißt es: „Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen.“ Was ist Abrahams Same? Der Apostel Paulus hat das ausführlich im dritten Kapitel des Galater­briefs erklärt; auch da steht in neueren Bibel­ausgaben „Nachkomme“ statt „Same“. Gott hat für Abrahams Samen einen besonderen Segen verheißen, der sich auf alle Völker der Welt auswirken wird. Diese Verheißung, so macht Paulus klar, zielt auf den einen Abrahams­nachkommen Jesus Christus. Durch ihn hat Gott den neuen Bund gestiftet, durch den alle Menschen zum ewigen Leben erlöst werden können. „Lobe mit Abrahams Samen“ heißt also „Lobe mit Christus“ – und mit all denen, die durch den neuen Bund zum Leib Christi gehören. Schon zu Abrahams Zeiten, lange bevor es das Volk Israel gab, hatte Gott bereits den Plan, die Menschheit durch Christus zu erlösen. Ja, eigentlich hatte er diesen Plan schon ganz von Anfang an.

Wir Menschen haben viele Pläne; das ist menschlich. Im Lauf unseres Lebens machen wir die Erfahrung: Viele dieser Pläne scheitern, einige lassen sich ver­wirklichen – aber meistens dann doch anders und mit anderen Folgen, als wir uns das vorgestellt haben. Während wir Menschen viele Pläne haben, hat Gott für unsere Welt nur einen einzigen Plan. Es ist sein Heilsplan, den er von Anfang bis Ende durchzieht, bis hin zum Jüngsten Tag. Gottes Plan mit Abrahams Samen ist genau derselbe wie sein Plan mit Jesus und dessen Samen. Sein alter Bund mit dem Volk Israel zielte darauf ab, dass aus diesem Volk der Messias kommt und den neuen Bund für alle Völker der Erde stiftet. Gottes Plan verwirklicht sich immer auf die Weise, dass der Same seines Wortes Frucht bringt und aus dieser Frucht wieder neuer Same wird. Gott ist der große Welt-Gärtner, der mit viel Geduld Stück für Stück seinen einen großen Plan zur Vollendung bringt. Die Schlüssel­stellung in diesem Plan aber hat der Gottes­knecht, der eine Abrahams­nachkomme Jesus Christus, der eingeborener Gottessohn, der Heiland und Friedefürst, das Gotteslamm, unser Heiland. Darum heißt: „Des Herrn Plan wird durch seine Hand gelingen.“

Ja, Gott hat einen Heilsplan für dich und für mich und für alle Menschen der Welt, einen einzigen nur. Dieser Heilsplan beruht auf dem Schuldopfer Jesu, auf seinem Leib und Blut, auf seinem neuen Bund. Nur durch seine Hand gelingt dieser Plan, durch nichts und niemandem sonst. Darum hat Jesus auch verkündigt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Und die Apostel verkündeten nach Ostern von ihm: „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden“ (Apostel­gesch. 4,12). Es ist so, wie Jeaja einst prophezeite: „Des Herrn Plan wird durch seine Hand gelingen“ – durch keines andern Hand sonst.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir erfahren immer wieder neu die große Freude und Gnade, dass wir Teil dieses göttlichen Heilsplans sein dürfen. Wir gehören zu Abrahams Samen und zum Samen Jesu Christi; wir sind Teil seines Leibes geworden. Und wie der himmlische Vater Jesus von den Toten auferweckt hat, so wird er auch uns zur ewigen Seligkeit auferwecken, wenn dieser Heilsplan an sein Ziel kommt. Zur Ver­gewisserung dafür hat er uns ein einzig­artiges Zeichen gegeben: eben das Heilige Abendmahl, das wir gleich feiern werden und an dessen Einsetzung wir heute besonders denken. Da essen wir von dem Lebensbrot, das sich nie verzehrt, und da trinken wir von dem Blut, mit dem Gott den neuen Bund begründet hat. Da geht der Gottes­knecht, unser Herr Jesus Christus, leiblich in uns ein und wird ein Teil von uns, damit wir für immer ein Teil von seinem Leib bleiben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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