Von der Schwierigkeit und Herrlichkeit, Jesus nachzufolgen

Predigt über Matthäus 16,24-28 zum Sonntag Okuli

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Singles haben keine Lust zu heiraten. Wenn man sie nach dem Grund fragt, so ist es fast immer die Scheu davor, sich fest zu binden. Sie haben Angst, dass sie in einer Ehe viele lieb gewordene Gewohnheiten aufgeben und sich zu sehr auf den Partner einstellen müssen. Wohnort, Geld, Urlaub, Freizeit­gestaltung, Tages­rhythmus, all das muss dann dauerhaft mit jemand anderem abgestimmt werden. Und auch wenn Leute heiraten, sind sie heutzutage keineswegs immer sicher, dass sie ihr Leben lang zusammen­halten werden, in guten wie in schlechten Tagen. Manche schließen darum gleich bei der Trauung vorsichts­halber einen Vertrag, der regelt, wie im Falle einer Scheidung der Besitz aufzuteilen sei. Ich möchte allen Leuten, die solche Bindungs­scheu haben, zurufen: Habt einfach den Mut, euch mit Haut und Haaren auf das Wagnis der Ehe einzulassen, und zwar der lebenslangen Ehe, wie sie Gott gefällt. Natürlich ist sie eine Reise ins Unbekannte, aber Gott geht doch mit und hat versprochen, diesen Bund zu segnen. Er hat schon bei der Erschaffung des Menschen gesagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2,18). Natürlich ist das Zusammen­leben von Mann und Frau strecken­weise schwierig, aber aufs Ganze gesehen ist es herrlich.

Was für die Ehe gilt, das gilt erst recht für die Jesus-Nachfolge, also für das Christsein: Es ist strecken­weise schwierig, aber aufs Ganze gesehen herrlich. Das ist, kurz gesagt, der Sinn der Rede Jesu, die wir eben als Predigttext gehört haben. Die Schwierig­keiten hat Jesus mit dem Begriff „sein Kreuz auf sich nehmen“ bezeichnet. Das ist ein hartes Bild: Leute, die von den Römern zum Tode verurteilt wurden, mussten den Hinrichtungs­balken selbst zum Ort der Voll­streckung schleppen. Damit wurden ihr Selbst­bestimmungs­recht und ihr Lebenswille buchstäblich durchkreuzt. Entsprechend sind die anderen Formu­lierungen unsers Herrn zu verstehen: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst“, und: „Wer sein Leben verliert um meinet­willen…“ Wer als Christ leben will und zur Jesus-Nachfolge ja sagt, der muss seine Unabhängig­keit aufgeben, ebenso wie Ehepartner ihre Unabhängig­keit aufgeben müssen, wenn die Ehe gelingen soll. Und mehr noch: Wer als Christ leben will und zur Jesus-Nachfolge ja sagt, für den darf das leibliche Leben hier in dieser Welt nicht das Wichtigste sein, sondern der muss zuerst nach Gottes ewigem Reich trachten. Was das im Ernstfall bedeutet, lässt sich an den Märtyrern sehen, also den Menschen, die eher bereit waren zu sterben als ihren Glauben an Jesus zu verleugnen.

Ja, es ist strecken­weise schwierig, als Christ zu leben, aber es ist aufs Ganze gesehen doch herrlich. Diese Herrlichkeit kommt in Jesu Rede keineswegs zu kurz, auch wenn wir sie, schockiert von den Schwierig­keiten, vielleicht zunächst übersehen. Jesus verspricht ja jedem Nachfolger: Er wird sein Leben finden – das echte, gute, herrliche Leben, so wie Gott es sich von Anfang an gedacht hat. Denn wer sich zu Jesus hält, der hält sich zu dem einzigen, der ihn vom Tod freikaufen kann; er allein hat die Mittel dafür. Alle Schätze der Welt reichen ja nicht aus, um einen Menschen von der Macht des Todes frei­zukaufen. Niemand hat ein entsprechend hohes Lösegeld zur Verfügung, weder für sich selbst noch für jemand anders. Darum heißt es im 49. Psalm: „Keiner kann einen andern auslösen oder für ihn an Gott ein Sühnegeld geben, denn es kostet zuviel“ (Ps. 49,8‑9). Jesus nimmt dieses Psalmwort auf, wenn er sagt: „Was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“ Jesus selbst aber hat das Sühnegeld gezahlt, und jeder kann diese Erlösung für sich in Anspruch nehmen. Gleich im Anschluss sprach Jesus vom Jüngsten Gericht und davon, dass dort jedem Menschen nach seinem Tun vergolten wird. Ohne Christi Erlösung wird da niemand vor Gott bestehen können; das Leben ist dann endgültig verloren. Mit Christi Erlösung aber beginnt dann die ewige Seligkeit. So hat der Tod seinen Schrecken verloren – für alle, die durch Jesus erlöst sind und ihm im Glauben nachfolgen. Jesus schloss seine Rede mit den Worten: „Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.“ Für „Reich“ steht da wörtlich „Königs­herrschaft“. Damit ist nicht der Jüngste Tag gemeint, sondern Christi Auferstehung und Himmelfahrt. Viele der anwesenden Jünger sind dann auch wirklich Zeugen seiner Auferstehung geworden und haben gehört, wie er vor seiner Himmelfahrt verkündete: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28,18). So konnten sie gewiss sein: Christi Erlösung gilt in Zeit und Ewigkeit; der Tod kann nicht mehr über uns herrschen.

Ja, wunderbar hat Jesus die Herrlichkeit der Nachfolge bezeugt, nicht nur ihre Schwierig­keit. Er hat es getan unmittelbar nachdem er seinen eigenen Leidensweg und seinen Ostersieg vorausgesagt hatte. Auch die Jünger damals waren von der Aussicht auf Kreuz und Leiden so schockiert, dass die Auf­erstehungs­botschaft kaum zu ihnen durchdrang. Liebe Brüder und Schwestern in Christus, lasst uns nicht denselben Fehler machen! Lasst uns, ohne die Kreuzes­nachfolge zu leugnen oder zu ver­harmlosen, doch vor allem auf die Herrlichkeit des ewigen Lebens schauen, die mit dieser Kreuzes­nachfolge einhergeht!

Damit haben wir im Wesentlichen den Sinn dieser Rede Jesu erfasst. Es gibt nun aber noch ein Wörtchen darin, das wir genauer bedenken sollten. Es ist das griechische Wort „psychä“, das gleich viermal in diesem Abschnitt vorkommt. Zweimal hat Luther dieses Wort mit „Leben“ übersetzt und zweimal mit „Seele“. Damit ist eine schwierige Frage an­geschnitten: Was ist das eigentlich – die Seele? Man kann sie zählen, man spricht zum Beispiel von einem Dorf mit 500 Seelen. Man kann sie erkunden; die Seelenkunde ist eine Wissen­schaft, auch Psychologie genannt. Man kann sie gewinnen und man kann sie verlieren, wie Jesus sagte. Aber was ist das eigentlich genau – diese Seele?

Auch innerhalb der Bibel ist das Wort „Seele“ ein vielfältig schillernder Begriff. Grundlegend kann man aber so sagen: Die Seele ist das, was einen lebendigen Körper von einem toten Körper unter­scheidet. Es ist das, was einen Körper atmen und sich bewegen lässt. Insofern kann man statt „Seele“ auch „Leben“ sagen. Und insofern haben nach biblischem Verständnis auch Tiere eine „Seele“, denn auch sie atmen ja und bewegen sich. Allerdings sagt die Bibel nur vom Menschen, dass Gott selbst ihm etwas von seiner eigenen Seele, von seinem eigenen Lebensatem eingeblasen hat. So ist der Mensch zum Ebenbild Gottes geworden: Er kann Ent­scheidungen treffen und kreativ sein, das können Tiere nicht. Er kann menschliche Gedanken und Gefühle haben, das können Tiere auch nicht. Er hat ein Gewissen und eine Ver­antwortung vor seinem Schöpfer; das haben Tiere nicht. Die Menschen­seele ist etwas Besonderes. Aber dennoch gilt: Sie ist das, was den lebendigen Leib vom toten Leib unter­scheidet.

Das bedeutet, dass die Menschen­seele selbst nichts Leibliches ist. Sie ist kein unsichtbares Vögelchen, das im Sterben den Menschenleib verlässt und zum Fenster hinaus­flattert. Wie aber können wir sie uns dann vorstellen? Stellen wir uns den Menschen wie einen Brief vor! Leiblich gesehen handelt es sich bei einem Brief um einen Bogen Papier und eine kleine Menge Tinte, die ungleichmäßig darauf verteilt ist. Aber wir wissen natürlich, dass das Bemerkens­werte an einem Brief etwas ganz anderes ist: Es sind menschliche Gedanken und Gefühle, die durch die Schrift­zeichen zum Ausdruck kommen, auch Erlebnisse, Geschichten und sogar Gottes Wort, wenn der Brief Zitate aus der Bibel enthält. Dieser Inhalt ist gewisser­maßen die Seele des Briefes. Wenn dieser Inhalt nicht wäre, wäre der Brief kein Brief, sondern ein zufälliges Gekritzel. Nun kann es geschehen, dass der Leib des Briefes seine Seele verliert, dass er also unleserlich wird. Zum Beispiel kann jemand das Blatt verbrennen oder schreddern. Auch kann die Tinte ausbleichen, oder das Papier kann mit der Zeit zerfallen. Ist damit aber die Seele ein für alle Mal ausgelöscht, verschwindet sie, stirbt sie? Das könnte geschehen, muss aber nicht. Es kann ja sein, dass sich jemand den Inhalt gemerkt oder ab­geschrieben hat. Vielleicht ist der Inhalt auch in einer Computer-Datei gespeichert. Man könnte den Inhalt des Briefs sogar in Stein meißeln, dann wäre er praktisch un­vergänglich. Wir sehen daran: Die „Seele“ eines Briefs ist nicht an einen bestimmten Leib gebunden, sondern kann in anderer und neuer Leiblichkeit weiter­existieren.

Lasst uns mit dieser Erkenntnis zur Menschen­seele zurückkehren und zu den Worten unsers Herrn. Er sagte: „Wer sein Leben (bzw. seine Seele) erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben (bzw. seine Seele) verliert um meinet­willen, der wird’s finden.“ Das bedeutet: Wer meint, dass er seine Seele bzw. sein Leben nur in Verbindung mit seinem irdischen Leib erhalten kann, der wird mit aller Kraft versuchen, seinen ganzen Lebenshunger hier auf Erden zu stillen. Aber diese Kraft­anstrengung ist letztlich vergeblich, denn er wird nicht verhindern können, dass sein Erdenleib eines Tages die Seele verliert; kein noch so großer Einsatz für Leben und Gesundheit, keine noch so hohe „Löse­geld­zahlung“ kann das verhindern. Wer aber Jesus nachfolgt, dabei das Kreuz nicht scheut und sein leibliches Leben nicht für das Wichtigste hält, dessen Seele bleibt für eine neue, herrliche und un­vergängliche Leiblichkeit bewahrt, nämlich für das selige Leben vor Gottes Angesicht. Das ist Gottes Gabe, das ist die Erlösung unseres Herrn Jesus Christus: Unsere Seele, die jetzt noch in einem vergäng­lichen Leib lebt, wird dann sozusagen von Gott in Stein gemeißelt weiter­bestehen in Ewigkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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