Wunder des Lebens

Predigt über 1. Mose 1,11-13.20-25 zum Sonntag Sexagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Erdboden bricht auf, ein Hälmchen kommt ans Licht. Tag für Tag wird es größer. Nach einiger Zeit kann man Stängel, Blätter und Rispe unter­scheiden. Die Rispe wird zur Ähre, und in ihr reifen die Körner, die Frucht. Die Körner geben Mehl und Brot zur Nahrung. Wenn sie wieder ausgesät werden, wird der Erdboden erneut aufbrechen, und grüne Hälmchen werden ans Licht kommen; dann beginnt das Wachstum von Neuem. Wunder des Lebens!

Wir haben eben im Predigttext gehört, wie Gott durch sein Wort diesen Kreislauf erschuf: Same, Pflanze, Frucht und neuer Same. In der Evangeliums­lesung haben wir gehört, dass Jesus Gottes Wort mit solch fruchtbarem Samen ver­gleicht: Umgeben vom guten Ackerboden, keimt er, wächst er und bringt Frucht. Wunder des lebendigen Gottes­wortes!

Die verlesenen Verse aus dem 1. Buch Mose handeln von der Erschaffung des biologischen Lebens am dritten, fünften und sechsten Schöpfungs­tag. Wenn wir von „Geschöpfen“ beziehungs­weise „Kreaturen“ sprechen, dann meinen wir damit fast immer Lebewesen. Pflanzen und Tiere sind in der Tat ganz besondere Schöpfungs­werke, sie ragen aus den Dingen der unbelebten Natur heraus. Wenn man sich näher mit der Biologie beschäftigt, kommt man aus dem Staunen nicht heraus: Bis in die kleinsten bio­chemischen Strukturen hinein sind Lebewesen so genial aufgebaut, dass kein Mensch sie nachbauen kann. Bis heute sind ganz viele biologische Zusammen­hänge noch immer ein Rätsel für die Wissen­schaft.

Das Besondere an den Lebewesen ist vor allem, dass sie sich fort­pflanzen. Bei den Pflanzen weist der Schöpfungs­bericht ausdrücklich darauf hin, dass sie Samen bringen. Bei den Fischen heißt es stell­vertretend für alle nachfolgend geschaffe­nenen Tierarten: „Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch…“ Denselben Segen sprach Gott am Ende des sechsten Schöpfungs­tags auch über die ersten Menschen. Wir haben es bei den Lebewesen also mit einer Schöpfung zu tun, die auf Fortdauer angelegt ist: Jede neue Pflanze, jedes neue Tier, jeder neue Mensch ist ein weiteres Geschöpf Gottes.

Als Besonderheit der Lebewesen fällt im Schöpfungs­bericht ferner auf, dass man sie alle einem bestimmten Umfeld zuordnen kann, auf das sie angewiesen sind. Bei den Pflanzen und Landtieren ist das die Erde, bei den Wassertieren das Meer und andere Gewässer, bei den geflügelten Tieren die Luft. Weil es aber kein hebräisches Wort für „Luft“ gibt, heißt es von den Vögeln etwas umständlich: Sie „sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels“. Mit Wasser, Luft und Land sind zugleich die drei grundlegend wichtigen Umwelt­bedingungen für alle Lebewesen benannt.

Als Besonderheit der Tiere ist schließlich zu nennen, dass sie sich im Gegensatz zu den Pflanzen selbst­ständig bewegen können. Dies bringt das Alte Testament dadurch zu Ausdruck, dass es die Tiere (wie später auch die Menschen) „beseelte“ Wesen nennt. Luther übersetzte: „lebendiges Getier“. Der Begriff „Seele“ beziehungs­weise „Odem“ oder „Atem“ ist dabei nicht wie unser deutscher Begriff zu verstehen, sondern allgemeiner: „Seele“ im weiteren Sinn be­deutet, dass ein Wesen atmet und sich selbst­ständig bewegt; auf diese Weise zeigt sich, dass es lebt.

Der moderne Mensch kann nun allerdings nicht von der Erschaffung der Lebewesen hören, ohne sogleich nach der Evolution zu fragen. Inzwischen sind es ja längst nicht mehr nur Wissen­schaftler, die die Evolutions­theorie vertreten, sondern sie wird von den meisten Zeitgenossen ganz selbst­verständlich als zutreffende Erklärung für die Entwicklung aller Lebewesen angesehen. Wohlbemerkt: Entwicklung, nicht Erschaffung, denn das Fremdwort „Evolution“ heißt auf Deutsch einfach „Ent­wicklung“. Viele sprechen von der Evolution so, als sei sie die eigentliche Schöpferin aller Arten von Lebewesen ein­schließlich all ihrer besonderen Eigen­schaften. Das müssen wir uns genauer ansehen.

Zunächst fällt auf, dass Schöpfungs­bericht und Evolutions­theorie in der groben Reihenfolge überein­stimmen: erst die Pflanzen, dann die Tiere des Meeres, dann die übrigen Tiere. Auch stimmen sie darin überein, dass die Entstehung des Lebens nicht ab­geschlossen ist, sondern mit jedem neuen Lebewesen weitergeht.

Aber Schöfungs­bericht und Evolutions­therie weichen nun auch in vielen Punkten voneinander ab: Der Schöfungs­bericht bezeugt, dass die Vögel vor den Landtieren geschaffen wurden, die Evolutions­theorie dagegen sagt, dass sie erst später entstanden. Der Schöpfungs­bericht bezeugt, dass Gott am Anfang alles nach seiner Art geschaffen hat: Klein­pflanzen, Bäume, Wassertiere in jeder Größe, Vögel, geflügelte Insekten, Säugetiere und Krabbel­tiere. Wiederholt heißt es: „Gott machte jedes nach seiner Art.“ Die Evolutions­theorie dagegen behauptet, dass sämtliche Arten von Lebewesen aus einzelligen Mikroben entstanden sind, und sie entwirft entsprechend einen einzigen ent­sprechenden Lebens-Stammbaum bis hin zur heutigen Arten­vielfalt. Nun kann man allerdings nicht erwarten, dass der jahr­tausende­alte Text des Schöpfungs­berichts die heute üblichen wissen­schaftlichen Begriffe verwendet; das Wort „Art“ kann in der Bibel eine andere Bedeutung haben als der biologische Begriff „Art“ (wobei anzumerken ist, dass auch die Biologie seit ein paar Jahren nicht mehr ganz genau sagen kann, was eine Art ist). Aber wir brauchen uns hier nicht mit Spitz­findigkeiten aufzuhalten. Das Zeugnis der Bibel ist klar: Die Grundtypen der Lebenwesen haben sich keineswegs in einem Millionen Jahre dauernden Prozess aus einer Urzelle entwickelt, sondern Gott hat sie von Anfang an in souveränen Schöpfungs­akten gemacht. Und weil der Schöpfer selbst uns das in der Bibel offenbart hat, vertraue ich dieser Infor­mationen mehr als allen Theorien von Wissen­schaftlern, die sich aus vielen Indizien eine Entstehungs­geschichte des Lebens zusammen­konstru­ieren. Der Ewige, der die Welt selbst erschaffen hat, wird besser wissen, wie sie entstanden ist, als jeder Wissen­schaftler, der viel später und mit ein­geschränkter Erkenntnis in ihr lebt.

Der Unterschied zwischen Schöpfungs­bericht und Evolutions­theorie reicht aber noch weiter. Bei der Evolutions­theorie gilt als Grundregel: Die Entstehung aller Lebewesen muss ohne Schöpfer erklärt werden können. Die ganze Vielfalt des Lebens sei aus sich selbst entstanden nach bestimmten Natur­gesetzen. Das wichtigste dieser Naturgesetze hat im 19. Jahrhundert der Forscher Charles Darwin beschrieben. Er hatte entdeckt: Die stärksten und am besten angepassten Lebewesen pflanzen sich fort, die anderen sterben aus. Man nennt die Evolutions­theorie deshalb auch Darwinismus. Diese natürliche Auslese kann allerdings nur dann funktio­nieren, wenn Nachkommen von Lebewesen immer wieder ein bisschen anders sind als ihre Eltern. Über diese Ver­änderungen, die man Mutationen nennt, lehrt die schöpferlose Evolutions­theorie, dass sie zufällig entstehen. Der Zufall aber ist eigentlich gar keine Erklärung, sondern nur das Ein­geständnis, dass man nichts Genaues weiß. Darüber hinaus gibt es viele weitere offene Fragen und jede Menge Erklärungs­versuche, die sich zum Teil wider­sprechen. Genau genommen haben wir es nicht mit einer einzigen, sondern mit mehreren Evolutions­theorien zu tun. Und in einer ent­scheidenden Frage tappen die Evolutions­biologen völlig im Dunkeln: Niemand hat eine vernünftige Erklärung dafür, wie denn die allererste lebendige Zelle entstanden sein soll.

Es gibt auch Biologen, die mit dem Schöpfer rechnen und viele wissen­schaftliche Gründe dafür anzuführen wissen. Man nennt sie „Kreatio­nisten“. Sie sind überzeugt: Nicht nur die Bibel, sondern die Natur selbst zeigt, dass Gott bereits ganz am Anfang souverän die Grundtypen für alle uns bekannten Lebewesen geschaffen hat, „ein jedes nach seiner Art“. Gott sprach, und so geschah es. Diese Schöpfung geht bis heute weiter: Jedes einzelne Lebewesen, das neu ent­steht, ist ein Einzelstück, ein Meisterstück des Schöpfers. So kommen und gehen innerhalb der Grundtypen immer neue Arten, Rassen und Einzelwesen mit einer un­glaublichen Vielfalt von Farben und Formen. Ich glaube, die Kreatio­nisten sind damit näher am Schöpfungs­bericht und an der Wahrheit dran als die Darwinisten. Das biologische Leben ist nämlich nicht einfach nur Natur, sondern Kreatur; nicht durch Zufall Ent­standenes, sondern von Gott Ge­schaffenes.

Gott sprach, und es ward: Erde, Luft und Wasser füllten sich mit lebendigen Wesen, mit Pflanzen und Tieren. Gottes Gedanken nahmen Gestalt an. Der hebräische Begriff für „Wort“ bedeutet auch „Ereignis“: „Wenn Gott spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da“ (Psalm 33,9). Das ist die besondere Eigenart von Gottes Wort: Es schafft, was es sagt. Am Ende der Schöpfungs­tage begutachtete Gott seine Werke und stellte fest: die Sache ist gelungen; das Kunstwerk entspricht dem, was der Meister zu schaffen be­absichtigte. „Gott sah, dass es gut war.“ Wunder des Lebens!

Dieses Wunder nehmen wir nicht einfach zur Kenntnis, sondern es erfüllt uns mit Lob und Dank gegenüber dem Schöpfer. Wir danken Gott für den Segen der Pflanzen­welt: für das Brot­getreide, für die Kartoffeln, für die herrliche Vielfalt von Salat und Gemüse, für den schönen Blumenstrauß und für den Spaziergang im Wald. Wir danken Gott für den Segen der Tierwelt: für Fleisch und Fisch, für Eier und Milch, für Lederschuhe und Dachshaar­pinsel, für den Gesang der Vögel und den Spaziergang im Tierpark. Uns zum Nutzen und zur Freude hat Gott die Pflanzen­welt, die Tierwelt und die gesamte Natur geschaffen. Wir leben der Schöpfung angemessen, wenn wir diesen Segen bejahen und sorgsam mit ihm umgehen, so wie Adam den Garten Eden bebaute und bewahrte. Gott hat es auch in unsere menschliche Natur sozusagen eingebaut, dass wir das biologische Leben bejahen: Wir Menschen haben das Bedürfnis, Kinder zu zeugen und diese Kinder dann zu ernähren und zu beschützen. Unser Gewissen verbietet es uns, Tiere zu quälen oder Raubbau an der Natur zu betreiben; darauf wird gerade in der heutigen Zeit sehr viel Wert gelegt.

Aber wie wir das biologische Leben bejahen, so sollen wir auch das geistliche Leben bejahen, das Gott uns schenkt. Ich komme dazu auf den Anfang der Predigt zurück und erinnere an das Samenkorn, das Hälmchen, den aus­gewachsenen Getreidehalm und seine Frucht. Das biologische Leben, das Gott schafft, ist ein Gleichnis dafür, wie er etwas schafft, und zugleich auch dafür, dass er geistliches Leben schafft. Wie das Samenkorn den Plan für die ganze Pflanze enthält und sich in der richtigen Umgebung entsprechend entfaltet, so entfaltet sich Gottes Wort in der richtigen Umgebung zu dem, was es beinhaltet: Gott spricht, und es geschieht so, und Gott sieht, dass es gut ist. Das gilt, wie gesagt, nicht nur für das biologische Leben, sondern auch für das geistliche Leben. Das Wort von Gottes Liebe und von Jesu Erlösungstat entfaltet sich im menschlichen Herzen, sodass dann wirklich Gottes Liebe und der Herr Jesus Christus dort wohnen durch den Heiligen Geist. Daraus erwächst dann die Frucht eines liebevollen Verhaltens und guter Taten. Lasst uns auch dieses Schöpfungs­werk bejahen. Wenn wir uns dem Wort nicht ver­schließen, sondern es in unseren Herzen keimen und reifen lassen, dann sind wir der gute Boden, das heißt die richtige Umgebung für Gottes lebens­spendendes Wort. Dann ist Gottes Wort in uns fruchtbar und mehrt sich nach Christi Segens­verheißung: „Die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen, bringen Frucht in Geduld“ (Lukas 8,15). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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