Jesus bringt Unfrieden

Predigt über Matthäus 10,34-39 zum 21. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das sind starke Worte. Wer es nicht weiß, würde nicht meinen, dass Jesus sie gesagt hat. Viele Menschen tun sich schwer mit diesen Worten. Atheisten werden sagen (und dabei vielleicht sogar trium­phieren): Da habt ihr es, die Religion ist Schuld am Unfrieden in der Welt, das steht sogar in der Bibel! Befreit euch von der Religion und lasst die Vernunft walten, dann werden Frieden und Gerechtig­keit einkehren! Und bibel­kritische Theologen werden sagen (und sich dabei vielleicht fast ent­schuldigen): Das hat Jesus bestimmt nicht so gemeint; wir brauchen nicht alles so hinzunehmen, wie es in der Bibel steht. Und was sagen wir, die wir an Jesus glauben und darauf vertrauen, dass die ganze Bibel Gottes Wort ist, ein­schließ­lich dieser schwierigen Sätze?

Ich möchte dazu etwas weiter ausholen. Als ich jung war, dachte ich: Mission ist eigentlich ganz einfach. Man braucht den Leuten nur klar­zumachen, dass sie gut leben und in den Himmel kommen werden, wenn sie an Jesus glauben. Wer wollte nicht gut leben? Und wer wollte nicht in den Himmel kommen? Da ist es doch ganz klar: Es gibt nichts Besseres, als an Jesus zu glauben. Und was denke ich heute, wo ich älter bin? Noch heute habe ich dieselbe Überzeugung. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen das nicht einsehen wollen. Viele lehnen es ausdrücklich oder zumindest heimlich ab, auf Jesus ihr Vertrauen zu setzen. Ich verstehe nicht warum, aber ich muss das zur Kenntnis nehmen. Schlimmer noch: Ich mache die Erfahrung, dass viele Christen von ihrem ur­sprünglichen Glauben abfallen, sogar alte Leute. In meinem Beruf als Pastor versuche ich, Menschen zum Glauben zu führen und sie im Glauben zu stärken, aber ich erlebe es immer wieder, dass Menschen ablehnend bleiben oder später wieder abfallen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Arzt in einem Katastrophen­gebiet, der nur wenigen Menschen helfen kann, während ihm viele unter den Händen wegsterben.

Ich habe also fest­gestellt, und viele andere Christen ebenso: Das Evangelium führt nicht zu dem Ergebnis, dass alle Menschen Brüder werden und zum friedlichen Miteinander finden. Zwar sangen die Engel in der heiligen Nacht der Christ­geburt: „Friede auf Erden“, aber ein universales Weltreich des Friedens können sie damit nicht gemeint haben. Und nun kommen wir zurück auf die schwer verdaulichen Worte unseres Predigt­textes. Schon Jesus selbst hat dieses Miss­verständnis abgewehrt und gesagt: „Ihr solltet nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Wie gut, dass Jesus das gesagt hat, sonst würden wir nämlich meinen, da läuft etwas schief mit Gottes Plan. Nun aber wissen wir: Jesus hat selbst voraus­gesehen, dass viele Menschen dem Ruf des Evangeliums nicht folgen werden – aus welchen Gründen auch immer. Und er hat seinen Jüngern deswegen voraus­gesagt, dass sie mit Gegenwind rechnen müssen. Sogar engste Familien­angehörige werden im Glauben uneins sein. Das kann unter Umständen zu erbittertem Streit führen, ja sogar zur Verfolgung. Wenn zum Beispiel im Iran ein Muslim zum christlichen Glauben kommt und das öffentlich bekannt wird, dann muss er schleunigst fliehen. Es kann dann nämlich geschehen, dass ihm sogar seine nächsten Angehörigen nach dem Leben trachten, wenn sie fanatische Muslime sind. Eine große Zahl von Iranern ist aus diesem Grund nach Deutschland gekommen und sucht hier Asyl.

Jesus erklärt uns nicht, warum das so ist, aber er hat es klar gesagt: Christen müssen immer mit Gegenwind rechnen. Jesus selbst hat es ja nicht anders erlebt in seinen Erdentagen; auch er ist wegen seiner vertrauens­vollen Beziehung zum himmlischen Vater angefeindet und verfolgt worden. Das tröstet uns: Sollte es uns denn besser gehen als unserm Herrn? Und sollten wir mit unseren Missions­bemühungen mehr Erfolg haben als er? Nein, wir nehmen es demütig so hin, wie Jesus es selbst erlebt und seinen Jünger prophezeit hat. Nichts anderes erwartet Jesus von uns, wenn er sagt: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.“

Wenn uns Atheisten nun zur Last legen, dass die Religionen und besonders auch das Christentum an vielen Kriegen und Konflikten Schuld haben, dann müssen wir uns verteidigen und sagen: Das trifft nicht zu, jedenfalls nicht auf das Christentum. Wir verkündigen Gottes Frieden und Gottes Gerechtig­keit, und wir leben ent­sprechend. Wenn sich Gegenwind erhebt und Christen gewaltsam verfolgt werden, dann liegt das nicht am Evangelium und auch nicht an den Christen, sondern dann liegt das an ihren Feinden. Und wenn im Mittelalter Herrscher im Namen des Christentums Kriege angezettelt haben, dann waren das keineswegs christliche Kriege, sondern dann sind diese Herrscher mit ihren menschlichen Macht­ansprüchen unter falscher Flagge gesegelt. Was kann das echte Geld dafür, dass es Falschgeld gibt? Was kann das Evangelium vom göttlichen Frieden dafür, dass es als Vorwand zum Kriegführen missbraucht wird? Jesus hat ja nicht in der Weise von Unfrieden und Schwert gesprochen, dass er seine Jünger anwies, mit Waffengewalt für den Glauben zu kämpfen. Im Gegenteil: Er hat deutlich gemacht, dass sich das Evangelium aus­schließlich durch Wort und Geist Bahn bricht und dass seine Boten lieber demütig Nachteile bis hin zum Tod in Kauf nehmen sollen, als dass sie selbst zum Schwert greifen. Er sagte: „Wer sein Leben verliert um meinet­willen, der wird’s finden.“ Es ist auch nicht so, dass weniger Kriege geführt würden, wenn es keine Christen gäbe. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass viele Kriege verhindert wurden, weil christliche Machthaber sich besonnen und uneingen­nützig für Frieden eingesetzt haben. Auch wenn es kein Christentum und keine anderen Religionen gäbe, würde sich die Vernunft nicht durchsetzen und zu stabilem Frieden führen. Die Geschichte lehrt, dass dauerhafter äußerer Friede nur durch große weltliche Macht erzwungen wird. Der römischer Kaiser Augustus, der herrschte, als Jesus zur Welt kam, wurde „Friedens­kaiser“ genannt, weil er mit seiner großen Macht alle feindlichen Angriffe im Keim erstickte. So ein diktatorisch erzwungener und oftmals mit Un­gerechtig­keit erkaufter Friede ist etwas ganz anderes als der Friede, den Gott den Gläubigen durch Jesus schenkt.

Ja, wir müssen mit Unfrieden und Gegenwind rechnen, das hat Jesus klar und nüchtern voraus­gesagt. Jesus macht keine falschen Ver­sprechungen wie so mancher Politiker oder wie so manches Wirtschafts­unternehmen in seiner Werbung. Wir können nicht damit rechnen, dass alle Menschen Christen werden und dass sie friedlich und liebevoll miteinander umgehen.

Aber wie gehen wir unsererseits mit diesem Wissen um? Es wäre falsch, sich der Welt anzubiedern mit der Illusion, dass ein weich­gespültes Zeitgeist-Christentum attraktiver ist als das echte Evangelium. Es wäre auch falsch, dass wir einen Märtyrer-Stolz entwickeln und uns etwas darauf einbilden, dass viele uns wegen unseres Glaubens nicht mögen. Es wäre schließlich ebenso falsch, wenn wir uns resigniert zurückzögen in ein privates, völlig innerliches Christentum, von dem andere nichts mitkriegen. Nein, es gibt nur eine angemessene Reaktion, und die hat Jesus seinen Jüngern ebenfalls klar angesagt: Salz der Erde und Licht der Welt sein! In einer faden und dunklen Welt fröhlich Zeugnis geben von Christus und seinem Evangelium! Denn das ist unser Ziel, darauf läuft alles hinaus: dass wir durchdringen zum Leben und zur ewigen Seligkeit. Darum ist es kein Zufall, dass diese Rede Jesu – und auch meine Predigt – endet mit der herrlichen Zusage: „Wer sein Leben verliert um meinet­willen, der wird’s finden.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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