Ismaels Schutzengel

Predigt über 1. Mose 21,8-21 zum Michaelisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Man kann in dieser Geschichte den Ursprung des Konflikts zwischen Juden und Arabern entdecken, denn Abrahams Sohn Isaak ist der Stammvater des Volkes Israel, Abrahams Sohn Ismael aber der Stammvater der arabischen Völker. Mann kann in dieser Geschichte auch den Konflikt zwischen Christen und Muslimen entdecken, denn aus dem Volk Israel ist unser Herr Jesus Christus hervor­gegangen, die arabische Welt aber hat sich weitgehend dem Islam zugewandt. Jedoch handelt es sich hier zunächst einfach um einen Konflikt in Abrahams Familie, und darüber hinaus um eine Rettungs­geschichte. Wir erfahren da, wie Gott den Ismael und seine Mutter durch einen Schutzengel gerettet hat – also gerade den Sohn Abrahams, auf dem nicht die große Heils­verheißung ruht. Letztlich liebt Gott alle Menschen unab­hängig von ihrer Herkunft und ihrem Lebensweg, und er will sie mit seinen Engeln beschützen und leiten. So können wir diese Geschichte ganz schlicht zu unserem Trost und unserer Freude hören, weil wir durch Jesus zu Gottes­kindern geworden sind, und damit zu Abrahams Glaubens­kindern.

Drei Dinge hatte Gott Abraham einst versprochen: erstens viele Nachkommen, zweitens ein schönes Land für diese Nachkommen und drittens, dass von Abraham Segen für alle Menschen ausgehen wird. Aber Gott schien nicht einmal das erste Versprechen zu erfüllen, von dem die anderen doch abhingen: Abraham und seine Frau Sara blieben lange Zeit kinderlos. Da kamen sie auf die Idee, der Verheißung etwas nach­zuhelfen: Abraham nahm Saras ägyptische Magd Hagar zur Nebenfrau und zeugte mit ihr den Ismael. Jedoch ließ Gott Abraham wissen, dass Ismael nicht der Verheißungs­träger ist, sondern dass Abraham auch mit Sara noch einen Sohn bekommen würde. Viele Jahre später ging dieses Versprechen in Erfüllung, und Sara brachte den Isaak zur Welt. Wir können uns vorstellen, wie glücklich Abraham und Sara da waren. Und wir können uns ebenfalls vorstellen, dass sie den Isaak ein bisschen bevorzugten und verwöhnten. Das merkte Ismael bestimmt, und darüber ärgerte er sich natürlich.

Die ganze Sache eskalierte ausgerechnet an dem Tag, an dem man ein harmonisches Familienfest feiern wollte: Isaaks Entwöhnungs­fest. Kinder­geburts­tage kannte man damals noch nicht; aber wenn ein Kind aufhörte, an seiner Mutter Brust zu trinken, und wenn es anfing zu laufen und zu sprechen, dann feierte man das Ende der Säuglings­zeit mit eben diesem Entwöhnungs­fest. Da wurde Isaak natürlich besonders in den Mittelpunkt gestellt und verwöhnt, und da war Ismael natürlich besonders eifersüchtig auf ihn. So kam es, dass er seinen kleinen Halbbruder dauernd neckte und ärgerte. Überhaupt benahm Ismael sich so unmöglich, dass das allen Familien­mitgliedern unangenehm auffiel. Vielleicht bezweckte Ismael genau das: auffallen und auf diese Weise Aufmerksam­keit bekommen. Am meisten ärgerte sich Sara über den Sohn ihres Mannes, der nicht der Ihre war. Energisch nahm sie Abraham zur Seite und sagte: Sorge dafür, dass Ismael ver­schwindet, am besten gleich zusammen mit seiner Mutter. Das aber war für das sanftmütige Familien­oberhaupt ein un­erträglicher Gedanke: seine Nebenfrau und einen seiner Söhne verstoßen und sie damit einer unsicheren Zukunft ausliefern. So schloss das Fest mit Missklängen: Ismael war eifersüchtig auf Isaak; Sara hasste Ismael und Hagar; Abraham und Sara beendeten den Tag mit einer un­bearbeiteten Meinungs­verschieden­heit.

Aber über Nacht klärten sich die Dinge. Es war wohl in dieser Nacht, dass Gott dem Abraham erschien und ihn anwies, Saras Wunsch zu erfüllen. Gott gab ihm zu bedenken, dass Isaak ja sowieso der Alleinerbe und einzige Verheißungs­träger ist. Um Ismael solle sich Abraham keine Sorgen machen, Gott selbst werde sich um ihn kümmern und auch aus seinen Nachkommen ein großes Volk machen. Damit war die Sache klar: Am nächsten Morgen teilte Abraham Hagar und Ismael mit, dass sie seinen Haushalt verlassen müssen. Er gab ihnen Proviant mit und ließ sie in Frieden ziehen.

Hagar wusste nicht, wohin sie sich nun mit ihrem Sohn wenden sollte. Aufs Geratewohl ging sie nach Süden – und kam in eine Wüsten­gegend, wo sie nichts zu essen oder zu trinken fand. Der Proviant war schnell auf­gebraucht. Hagar und Ismael glaubten nun, dass sie sich in einer ausweglosen Lage befanden: Hier war keine Menschen­seele, die ihnen helfen konnte, und sie hatten nicht mehr die Kraft weiter­zugehen. Als die Sonne vom Himmel brannte, wies die Mutter ihren Sohn an, sich im Schatten eines Strauchs hinzulegen. Sie selbst schleppte sich noch paar Schritte weiter, bevor sie sich in den heißen Sand fallen ließ, denn sie wollte nicht sehen, wie ihr Sohn unter Qualen verdurstete. Wieviele Flüchtlings­mütter machen in unseren Tagen Ähnliches durch, wenn sie sich ohne Wasser und Lebensmittel voran­schleppen und womöglich irgendwo entkräftet liegen bleiben!

Was sollten Hagar und Ismael nun tun? Und was taten sie wirklich? Hagar weinte hemmungslos. Sie konnte nicht mehr. Sie hatte alle Hoffnung aufgegeben. Ismael aber, der freche Junge, lernte nun beten. Wie seine Mutter erhob er seine Stimme, aber nicht um zu weinen, sondern um Gott um Hilfe anzuflehen – den einen großen Gott im Himmel, den Gott seines Vaters Abraham. Da erhörte Gott ihn und schickte einen Engel. Daran erinnern wir uns ja besonders heute: dass die Engel Gottes Diener sind – mal Botschafter, mal Mahner, mal Aufpasser, mal Verteidiger und auch mal Rettungs­kräfte, so wie hier. Und weil Hagar und Ismael nicht nur verdurstende Leiber hatten, sondern zugleich auch verdurstende Seelen, half Gott ihnen durch den Engel sowohl am Leib als auch an der Seele. Für die Seele sagte er ihnen Gottes Botschaft: Gott hat Ismaels Gebete erhört und wird sie nicht im Stich lassen; er wird sogar dafür sorgen, dass Ismael einmal viele Nachkommen kriegt und zu einem großen Volk wird. Für den Leib aber zeigte der Engel Hagar ein Wasserloch ganz in der Nähe, da konnten sie trinken und ihren Wasser­schlauch für den weiteren Weg auffüllen.

An Leib und Seele gestärkt, wanderten Hagar und Ismael weiter. Südlich der Wüste konnten sie sesshaft werden und sich eine bescheidene Existenz aufbauen. Hagar sorgte dafür, dass Ismael eine Frau aus ihrem eigenen Herkunfts­land bekam, aus Ägypten. Mit dieser Ägypterin schenkte Gott dem Ismael viele Kinder und machte so sein Versprechen wahr, dass ein großes Volk aus ihm wird – eben das Volk der Araber, das es bis zum heutigen Tag gibt.

Derselbe Engel, durch den Gott damals Hagar und Ismael half, hilft noch heute vielen Menschen an Leib und Seele. Gottes Engel versorgen auch uns in den Wüsten des Lebens, selbst wenn wir keinen Ausweg sehen. Gottes Verheißung gibt auch unsern Seelen Kraft – am allermeisten durch den Segen, den er mit Abrahams Nachkommen Jesus prophezeit und erfüllt hat. So können wir diese Geschichte auch zu unserem Trost und zu unserer Freude hören, denn, wie gesagt: Durch Jesus sind wir zu Gottes­kindern geworden, und damit zu Abrahams Glaubens­kindern. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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