Mit Leib und Seele geschaffen

Predigt über 1. Mose 2,4b-14 zum 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält“, so bekennen wir mit Martin Luther zum ersten Glaubens­artikel. Das ist Gottes besondere Schöpfungs­gabe an uns Menschen: dass er uns mit Leib und Seele geschaffen hat. Wir sind keine Roboter, die nach aus­geklügelten Programmen funktio­nieren, auch keine hoch entwickelten Tiere. Nein, Gott hat uns unter allen Geschöpfen einzigartig als Menschen geschaffen, mit Leib und Seele. Darum geht es vor allem im zweiten Teil des Schöpfungs­berichts am Anfang der Bibel. Ihn wollen wir jetzt bedenken.

Bekannter ist der erste Teil des Schöpfungs­berichts im ersten Kapitel des 1. Buchs Mose: Da schafft Gott Himmel und Erde mit all ihrer Vielfalt von Geschöpfen, ein jedes nach seiner Art. Er tut es ohne Werkzeug und ohne Material, allein durch sein Wort. Der erste Teil des Schöpfungs­erichts betont vor allem die wunderbare Struktur der Schöpfung: Da gibt es Licht und Finsternis, das gibt es Himmel und Erde, das gibt es Meere und Kontinente, da gibt es Pflanzen und Fische und Vögel und Landtiere, da gibt Tag und Nacht, da gibt es Mann und Frau, da gibt es sieben Arbeitstage und einen Ruhetag. Ja, Gott hat alles in schöner Ordnung gemacht. Von diesem ersten Teil leitet der Schöpfungs­bericht in seinen zweiten Teil über mit dem Satz: „Es war zu der Zeit, da Gott der Herr Erde und Himmel machte.“ Aus dem universalen Schöpfungs­werk wird nun ein wesentlicher Abschnitt heraus­gegriffen und gewisser­maßen unter die Lupe genommen.

Der zweite Teil des Schöpfungs­berichts führt uns noch einmal zum sechsten Schöpfungs­tag zurück, kurz vor die Erschaffung des Menschen. Die Pflanzen waren schon geschaffen, aber es gab noch nichts, wovon der Mensch leben konnte – kein Getreide und keine Kultur­pflanzen. Warum? Wir erfahren zwei Gründe. Erstens: „Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden“, es war also noch kein Früh‑ und Spätregen gefallen, der im Orient der Erntezeit vorausgeht; nur Nebelwolken gaben dem Ackerboden etwas Feuchtig­keit. Und zweitens: „Kein Mensch war da, der das Land bebaute.“ Es war alles vorbereitet, aber es fehlten noch die Menschen, für die Gott das alles gemacht hatte. Ja, das können wir dem Schöpfungs­bericht entnehmen und das begegnet uns immer wieder in der Bibel: Gott hat alles auf den Menschen hin geschaffen und für ihn vorbereitet; wir sind das Ziel seiner Schöpfung. Es ist also nicht so, wie mancher Natur-Vergötterer glaubt: dass die Natur ein Selbstzweck ist und der Mensch sich fast wie ein Störenfried darin vorkommen muss. Es gibt doch tatsächlich Leute, denen der Schutz von Bäumen und Tieren wichtiger ist als etwa der Schutz von Menschen im Mutterleib. Wir aber wissen durch Gottes Wort, dass Gott die ganze Natur uns Menschen zu Nutz und Freude geschaffen hat. Das berechtigt uns allerdings nicht dazu, Raubbau oder Schindluder mit Gottes Schöpfung zu betreiben.

Nun berichtet der zweite Teil des Schöpfungs­berichts ausfürlich von der Erschaffung des Menschen, und zwar zunächst von der Erschaffung des ersten Mannes. Wir nennen ihn „Adam“, denn „Adam“ ist das hebräische Wort für „Mensch“. Wir lesen: „Gott der Herr machte den Menschen aus Erde vom Acker.“ Das hebräische Wort für „Acker“ heißt „Adamah“. Wenn Gott Adams Leib aus Adamah formt, dann kommt damit auch sprachlich zum Ausdruck, dass der menschliche Körper aus keiner anderen Materie besteht als der Ackerboden. An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert: Jeder Chemiker und jeder Biologe wird bestätigen, dass der menschliche Körper im Wesentlichen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel besteht, ebenso wie der Ackerboden. Allerdings hat Gott diese Elemente so genial zum menschlichen Körper zusammen­gesetzt, dass kein Chemiker und kein Biologe das nachmachen kann; unsere Leiber sind in vielfacher Hinsicht Wunderwerke der Schöpfung.

Dasselbe gilt natürlich auch von Tierkörpern. Aber beim Menschen kommt noch etwas Einzig­artiges hinzu. Wir lesen: „Gott blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase, und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Diesen Odem, diesen göttlichen Hauch, nennen wir Seele. Wir können sie nicht besser beschreiben als so: Die Seele ist das, was einen lebendigen Menschen von einem leblosen Menschenleib unter­scheidet. In alten Zeiten hat man die Seele mit dem Atem des Menschen in Verbindung gebracht, denn normaler­weise unter­scheidet ja auch das Atmen den lebendigen vom toten Menschen. So kommt es, dass das Wort „Geist“ in den biblischen Ursprachen wörtlich mit „Windhauch“ oder „Atem“ beziehungs­weise „Odem“ übersetzt werden kann. Der Mensch bildet also eine wunderbare Einheit von irdischem Leib und göttlichem Geist: der Leib kommt von unten, von der Erde, der Geist aber von oben, direkt eingeblasen vom Herrn des Himmels. Was unsern Leib anbetrifft, sind wir den Tieren ähnlich, was aber unsere Seele anbetrifft, sind wir den Engeln ähnlich, ja sogar Gott ähnlich. Ich erinnere daran, was im ersten Teil des Schöpfungs­berichts zur Erschaffung des Menschen steht: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ Die Seele befähigt uns, zu denken und zu sprechen. Die Seele schenkt uns ein Ich-Bewusstsein. Die Seele befähigt uns, über uns selbst nachzudenken und Ent­scheidungen zu treffen. Und diese Seele ist es auch, die uns vor unserem Schöpfer ver­antwortlich macht – im Gegenssatz zu allen anderen irdischen Geschöpfen.

„Ich glaube, dass Gott mich geschaffen hat mit Leib und Seele“, bekennen wir mit Martin Luther. Wir können Gott nicht genug dafür danken, dass er uns so wunderbar gemacht hat. Dass wir nur nicht diese Gabe verachten! Und dass wir uns nur nicht vor der Ver­antwortung drücken, die damit zusammen­hängt!

Der zweite Teil des Schöpfungs­berichts geht nocht weiter. Gott schenkt Adam nicht nur einen Leib und eine Seele, sondern er schenkt ihm auch einen besonderen Lebensraum: den Garten Eden. Wir lesen: „Gott der Herr pflanzte eine Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.“ In der griechischen Sprache gibt es ein altes persisches Fremdwort für „Garten“ oder „Park“, das heißt „Para­deisos“. In der berühmten griechischen Bibel­übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, wird dieses Wort für den Garten Eden verwendet; darum nennt man ihn auch „das Paradies“. Im Paradies­garten Eden brauchte sich der Mensch nicht um die Bestellung eines Ackers zu kümmern, sondern hier konnte er einfach zu jeder Zeit ernten, was er brauchte. Denn weiter heißt es: „Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum Erkenntnis des Guten und Bösen.“ Danach wird beschrieben, dass vier Flüsse von Eden ausgehen; zwei von ihnen, der Euphrat und der Tigris, sind die Hauptströme von Meso­potamien, dem fruchtbaren Zweistrom­land im Mittleren Osten. Daran wird deutlich: Der Paradies­garten Eden ist die Fruchtbar­keit schlechthin, der Ursprung des üppigen Zweistrom­lands.

Die beiden besonders genannten Bäume mitten im Garten haben eine schicksals­schwere Bedeutung für die gesamte Menschheit. Mit dem „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ wollte Gott den Gehorsam des Menschen prüfen und untersagte ihm deshalb, von seinen Früchten zu essen. Anschauen ja, verzehren nein. An diesem Baum lernen wir, was Ver­antwortung ist: Der Mensch kann in seiner Seele Gottes Gebot respektieren und die verbotenen Früchte nicht anrühren, er kann sich aber auch mit seinem Willen über Gottes Gebot hinwegsetzen und diese Früchte essen. So ist es ja dann auch leider geschehen. Damit ist die Lawine von Sünde in Gang gekommen, unter der wir bis zum heutigen Tag leiden. In jedem Fall aber fordert Gott Rechen­schaft, fordert Gott Antwort: „Adam, wo bist du?“ Was tust du? Bist du mir gehorsam gewesen oder nicht? Ja, wir müssen uns vor Gott im wahrsten Sinne des Wortes ver-antworten. Die Früchte des anderen Baumes, des Lebens­baumes, sollten den ersten Menschen ewiges Leben geben. Seht auch hier wieder Gottes wunderbare Güte dem Menschen gegenüber: Gott will nicht, dass wir sterben, sondern für immer vor ihm leben! Dann aber kam der Sündenfall, und Gott verhängte den Tod als Strafe über den Menschen. Er vertrieb ihn aus dem Paradies­garten, sodass er nun nicht mehr die Früchte vom Lebensbaum essen kann. Durch Jesus aber verheißt er Rettung und erneuten Zugang zum Baum des Lebens – im himmlischen Paradies, im ewigen Eden. Von all dem handeln die übrigen 1187 Kapitel der Bibel.

Wir aber wollen uns trotz Sündenfall und Todes­verhängnis über Gottes Schöpfung freuen. Wir sind dankbar, dass Gott uns mit Leib und Seele geschaffen hat. Wir sind dankbar, dass er eine wunderbare Welt für uns geschaffen hat. Wir sind dankbar, dass er uns durch seinen eingeborenen Sohn aus dem Verhängnis unserer Schuld erlöst hat. Wir sind dankbar, dass er uns erneut in einen Paradies­garten setzen will, wo wir vom Baum des Lebens essen und ewig leben dürfen. Und darum schließe ich die Predigt so, wie Luther seine Erklärung zum ersten Glaubens­artikel geschlossen hat. Da heißt es: „…für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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