Ein dreimal guter Rat

Predigt über 1. Thessalonicher 5,19-22 zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn Eltern ihre Kinder zum ersten Mal für eine Weile allein zu Hause lassen, dann lassen sie ihnen meistens eine Handvoll Mahnungen und Ratschläge zurück. Es kann auch sein, dass der Mutter noch kurz vor dem Weggehen eine ganze Menge einfällt, woran die Kinder während ihrer Abwesenheit denken sollen. So ähnlich wie solcher Mutter ging es dem Apostel Paulus. Seine geistlichen Kinder waren die Christen in der Stadt Thessa­lonich. Erst vor kurzem hatte er auf seiner zweiten Missions­reise diese Gemeinde gegründet. Ein paar Monate nach seiner Abreise legte er ihr in einem Brief allerlei Erinnerungen und Mahnungen ans Herz. Dieser Brief, den wir als ersten Thessa­lonicher­brief kennen, ist übrigens die älteste Schrift des Neuen Testaments. Als Paulus mit dem Brief fast fertig war, fielen ihm noch eine ganze Menge Mahnungen ein, die er seinen geistlichen Kindern mitgeben wollte; wir finden sie im letzten Kapitel des Briefes. Drei dieser Ratschläge betrachten wir heute als Predigttext: „Den Geist dämpfet nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet; meidet das Böse in jeder Gestalt.“ Diese drei Ratschläge sind gut für Christen aller Zeiten, also auch für uns. Sie stehen nicht einfach unverbunden neben­einander, sondern haben einen inneren Zusammen­hang. Wir können diesen Abschnitt aus dem letzten Kapitel des ersten Thessa­lonicher­briefes darum einen dreimal guten Rat nennen.

Erstens: „Den Geist dämpfet nicht.“ Wörtlich steht da: „Den Geist löscht nicht aus“ – so wie man ein Feuer auslöscht. Wie kann man verhindern, dass ein Feuer verlöscht? Zum einem, indem man nichts drauftut, was die Flammen erstickt (zum Beispiel Sand), und zum andern, indem man etwas drauftut, was den Flammen neue Nahrung gibt (zum Beispiel Holz). Tatsächlich lässt sich der Heilige Geist in unserer Christen­seele gut mit einem Feuer vergleichen; darum singt die Kirche auch seit alters zu Pfingsten: „Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe.“ Nun wissen wir auch, dass der Heilige Geist in Verbindung mit Gottes Gnaden­mitteln kommt, mit Wort und Sakrament. Es ist so wie bei einem Feuer: Die Flammen entstehen nicht von selbst, sondern sind an Brennstoffe gebunden. Gottes Wort ist gewisser­maßen der Brennstoff des Heiligen Geistes. Gottes Wort macht, dass das Feuer des Geistes in unseren Herzen weiter­brennen kann. Der Ratschlag „den Geist dämpfet nicht“ beziehungs­weise „den Geist löscht nicht aus“ schließt also ein, dass wir regelmäßig mit Gottes Wort umgehen sollen. Wir müssen gewisser­maßen immer wieder Holz nachlegen, sonst verlöscht die Flamme des Geistes in uns, und es ist aus mit dem Glauben. Wir tun das, indem wir sonntags die biblischen Lesungen und die Predigt hören, und wir tun das hoffentlich auch im Alltag – mit eigenen Bibel­lesungen, Andachts­büchern, christlichen Radio‑ und Fernseh­sendungen sowie geistlichen Gespräch mit anderen Christen. Auf der anderen Seite hüten wir uns davor, das Herzensfeuer mit Alltags­sorgen zu ersticken, oder mit zuviel seichter Unter­haltung, oder mit gottlosen Meinungen und Argumenten, die uns heutzutage überall umlagern. Wenn wir uns nämlich von diesen Dingen mehr prägen lassen als von Gottes Wort, dann ist es so, als schütteten wir Sand aufs Feuer des Heiligen Geistes. Beherzigen wir also den Ratschlag: „Den Geist dämpfet nicht“, „den Geist löscht nicht aus.“

Daran schließt sich der zweite Ratschlag an: „Pro­phetische Rede verachtet nicht.“ Mit „pro­phetischer Rede“ ist nichts anderes als Gottes Wort gemeint, wenn es akutell in ein Christen­leben hinein verkündigt wird. Es geht also darum, dass wir Gottes Wort nicht einfach gewohnheits­mäßig und routinemäßig konsumieren, sondern dass wir uns immer wieder neu seiner Wirkung aussetzen. Schätzt die Wirkung von Gottes Wort in eurem Leben nur nicht zu gering ein! Lasst seine Botschaft nicht un­berück­sichtigt in eurem Alltag! Eben das ist mit dem zweiten Ratschlag gemeint: „Pro­phetische Rede verachtet nicht.“ Mir geht es manchmal so: Ich höre oder lese ein Wort aus der Bibel (eins, das ich vielleicht schon unzählige Male zuvor gehört habe), und plötzlich spricht es mich ganz besonders an. Plötzlich entdecke ich eine Bedeutung an ihm, die mir völlig neu ist. Oder das Wort passt wunderbarer­weise haargenau zu der Situation, in der ich mich gerade befinde. Dann wird mir dieses Wort zum pro­phetischen Wort, zu einer göttlichen Weisung direkt für mich. Dasselbe kann mit einem Gedanken aus einer Predigt geschehen oder aus einem Gespräch oder aus den christlichen Medien. In jedem Fall tun wir gut daran, solche pro­phetischen Worte nicht zu verachten, sondern ernst zu nehmen und uns danach zu richten.

Freilich sollten wir nicht alles, was sich als „pro­phetische Rede“ beziehungs­weise christliche Verkündigung ausgibt, unkritisch als Gottes Botschaft annehmen. Das sagt uns der dritte Ratschlag: „Prüft alles, und das Gute behaltet; meidet das Böse in jeder Gestalt.“ Nicht alles, was im Namen Gottes gepredigt und in christlichen Medien ver­öffentlicht wird, ist gut und entspricht Gottes Willen. Der Teufel sorgt dafür, dass manches davon sogar aus­gesprochen schädlich und böse ist. Das ist nicht erst in unserer bunten plura­listischen Gesellschaft so, sondern das war auch schon zu Luthers Zeiten so und ebenfalls in der Zeit der Urkirche. So ist es wichtig, dass wir alle frommen Worte prüfen und die guten von den schlechten unter­scheiden lernen. Zum Prüfen braucht man einen verläss­lichen Maßstab. Dieser Maßstab heißt „sola scriptura“ – nur die Heilige Schrift! Denn nichts anderes als die Wahrheit der Heiligen Schrift kann uns zuverlässig zeigen, ob ein frommes Wort wirklich gut und christlich ist oder nicht. Alles andere taugt nicht als Maßstab: weder der sogenannte gesunde Menschen­verstand noch päpstliche Dekrete noch Synodal­beschlüsse noch Mehrheits­meinungen. Nun ist die Bibel allerdings ein ziemlich dickes, ziemlich altes und strecken­weise ziemlich anspruchs­volles Buch; wie sollte da jedem Christen eine Prüfung gelingen? Die Antwort: Es gibt einen Hilfs­maßstab, der vom großen Maßstab abgeleitet ist, nämlich unsere Bekennt­nisse. In der lutherischen Kirche nennen wir die Heilige Schrift die „norma normans“, also den maßgebenden Maßstab, die Bekenntnis­schriften aber die „norma normata“, den abgeleiteten Maßstab. Das Bekenntnis enthält die Hauptlehren der Bibel in mehr oder weniger stark zusammen­gefasster Form. Das aktuelle Jahresthema zum „Blickpunkt 2017“ in unserer Kirche nennt die Bekenntnis­schriften treffend „die Essenz der Schrift“. Einfach und grundlegend ist da der Kleine Katechismus, den wir vollständig in unserem Gesangbuch finden und den viele von uns auch wenigstens teilweise auswendig kennen. Seine fünf Hauptstücke geben uns einen einfachen, aber praktischen Maßstab an die Hand, um fromme Worte und Gedanken zu prüfen: Das erste Hauptstück zeigt uns mit den Zehn Geboten, wie ein Mensch nach Gottes Willen leben soll. Das zweite Hauptstück nennt die wichtigsten Glaubens­aussagen zum dreieinigen Gott, wobei der zweite Artikel das Herzstück ist, der Artikel von der Erlösung durch Gottes Sohn Jesus Christus. Im dritten Hauptstück bekommen wir mit dem Vaterunser das wichtigste Gebet erklärt, das wir in der Bibel finden. Das vierte und das fünfte Hauptstück fassen das Wichtigste zusammen, was die Bibel über die Heilige Taufe und das Heilige Abendmahl lehrt. Wer die Kernaussagen des Kleinen Katechismus inhaltlich und darüber hinaus vielleicht sogar wörtlich kennt, der ist in jeder Situation für die Prüfung gerüstet, die uns der dritte Ratschlag des Apostels Paulus ans Herz legt: „Prüft alles, und das Gute behaltet; meidet das Böse in jeder Gestalt.“

Nun erkennen wir, wie die drei Ratschläge unseres Predigt­textes zusammen­hängen: Erstens sollen wir dem Feuer des Heiligen Geistes in unserem Herzen mit Gottes Wort ständig neue Nahrung geben. Zweitens sollen wir darauf achten, was uns Gottes Wort und Gottes Geist direkt für uns und unsere Lebens­situation zu sagen hat. Drittens sollen wir alle frommen Worte und Botschaften, die nicht direkt aus der Heiligen Schrift kommen, am Maßstab der Bibel prüfen. Dabei dienen uns der Kleine Katechismus und die anderen Bekenntnis­schriften als Hilfs­maßstab, denn sie fassen die Hauptlehren der Bibel zutreffend zusammen. So gerüstet, können wir wie einst die Thessa­lonicher im Glauben wachsen, im Glauben bleiben, im Glauben leben, im Glauben sterben und schließlich selig werden. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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