Schafe, Schlangen und Tauben

Predigt über Matthäus 10,16‑26a zum Sonntag Lätare

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gott sei Lob und Dank, wir werden nicht verfolgt. Wir leben im Frieden. Wir können unseren Glauben frei und öffentlich leben; niemand benach­teiligt uns deswegen. Das ist keineswegs selbst­verständ­lich, nicht einmal normal. Bis zum heutigen Tag werden Christen um ihres Glaubens willen schika­niert, ein­gesperrt, gefoltert und sogar getötet. Unsere Brüder und Schwestern in anderen Ländern müssen Dinge erleiden, gegen die die Be­nachteili­gungen der Christen früher in der DDR harmlos erscheinen. Wir haben es sehr gut, dass wir hier und heute unbehelligt bleiben. Niemand weiß, wie lange noch.

Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass Jesus seinen Jüngern Verfolgung voraus­gesagt hat. Er hat das nicht bloß als Möglichkeit hin­gestellt, sondern als un­ausweich­liche Tatsache: Christen werden verfolgt werden – nicht nur von Fremden, sondern auch von Mitbürgern, unter Umständen sogar von den eigenen Familien­angehöri­gen. Jesu ganze Rede, die wir eben als Predigttext gehört haben, handelt davon. Es ist eigentlich eine Aussendungs­rede. Die ersten Worte lauten: „Siehe, ich sende euch.“ Im Griechi­schen steht da das Wort „apostello“; von ihm ist der Begriff des Apostels abgeleitet, des Abgesandten Christi. Tatsächlich richtete Jesus diese Worte ur­sprüng­lich an seine zwölf Apostel, und zwar noch vor seinem Tod. Sie sollten ihn vorüber­gehend verlassen und in den Ortschaften Israels das Kommen von Gottes Reich ankündigen. Das war gewisser­maßen ein Probelauf für die große Aussendung nach Ostern, wo Jesus ihnen dann auftrug: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker“ (Matth. 28,18). Was Jesus den Aposteln in der Aussendungs­rede für den „Probelauf“ sagte, gilt auch schon im Hinblick auf den großen Missions­auftrag nach Ostern. So gilt das, was er da gesagt hat, nicht nur den Aposteln selbst, sondern der ganzen Kirche, die durch Christi Wort entstanden ist und durch die Lehre der Apostel auch heute immer noch weiter wächst. Es gilt der Kirche, solange sie durch die Zeit unterwegs ist hin zu dem herrlichen Ziel, das Christus allen verheißen hat, die treu zu ihm halten. Wie ein Edelstein auf dunklem Samt funkelt diese großartige Verheißung aus all dem Schweren heraus, was Jesus in seiner Aus­sendungs­rede angekündigt hat: „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig werden.“

Christus sagt uns also: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Er vergleicht seine Jünger hier mit drei ver­schiedenen Tieren: mit Schafen, mit Schlangen und mit Tauben. Jedes Tier bedeutet etwas Typisches für das Jüngersein – besonders für das Jüngersein unter Ver­folgungen, die, wie gesagt, nicht ausbleiben. Und mit jedem Tier steht sowohl eine Mahnung als auch eine Verheißung unsers Herrn in Verbindung.

Erstens gleichen wir Schafen. Das ist ein vertrauter Vergleich: Jesus ist der gute Hirte, und wir sind die Schafe seiner Herde. Aber in dieser Aussendung­srede wird dabei besonders eine Eigenschaft betont: die Hilf­losigkeit eines Schafs – seine Wehr­losigkeit, wenn es in ein Rudel Wölfe gerät. Wir können uns das vorstellen in Branden­burg, denn es gibt wieder Wölfe bei uns; ab und zu kann man in der Zeitung lesen, wie sie über Schafe und andere Tiere herfallen. Die Mahnung, die Jesus uns dazu mit auf den Weg gibt, steht ganz am Ende des Abschnitts und umspannt ihn wie eine Klammer. Jesus sagte: „Fürchtet euch nicht vor ihnen.“ Habt keine Angst, euch zu Jesus zu bekennen, auch wenn es Gegenwind gibt! Und wenn ihr das Amt und den Auftrag habt, in gefähr­lichen Situationen Gottes Wort zu ver­kündigen, dann tut das ganz mutig! Zugleich aber hören wir aus dieser Warnung auch liebevollen Trost und Ermutigung heraus: Ihr braucht keine Angst zu haben, denn ich bin ja euer guter Hirte. Der gute Hirte flieht nicht, wenn er den Wolf kommen sieht, sondern kämpft für seine Schafe. Ja, Jesus hat für uns gekämpft und dabei sogar sein Leben gelassen. Dem mensch­lichen Verstand ist das un­begreif­lich; er sieht nicht ein, was das denn bringen soll, wenn ein Hirte im Kampf für seine Schafe stirbt. Der Heilige Geist aber hat uns gezeigt, was es bringt; das Bild vom Weizenkorn, das das Evangelium und den Wochen­spruch dieses Sonntags prägt, macht es deutlich: Wie ein Weizenkorn nur dann Frucht bringen kann, wenn es in die Erde begraben wird, so hat der Tod des Hirten Christus den Schafen seiner Herde das ewige Leben gebracht. Auf diesem Hintergrund müssen wir hören, was der Herr in demselben Zusammen­hang ebenfalls gesagt hat: „Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn.“ Mit anderen Worten: Es geschieht bis zum heutigen Tag, dass die Wölfe die Schafe Christi töten, so wie sie den Hirten getötet haben. Aber wie es beim Hirten war, so ist es auch bei den Schafen: Die scheinbare Niederlage ist in Wahrheit ein Sieg, und es folgt die Frucht des ewigen Lebens. Die unzähligen christ­lichen Märtyrer aus Geschichte und Gegenwart haben den Lauf des Evangeliums in der Welt keineswegs geschwächt, sondern ihn im Gegenteil gefördert.

Zweitens gleichen wir Schlangen. Jesus predigte: „Seid klug wie die Schlangen.“ Wir sehen: Die Schlange wird in der Bibel nicht nur mit dem Teufel in Verbindung gebracht, sondern sie kann uns auch mal zum guten Vorbild dienen. Was aber ist das Vorbild­liche an der Schlange? Jesus weist auf ihre Klugheit hin. König Salomo wunderte sich in einem seiner Sprüche über „der Schlange Weg auf dem Felsen“ (Sprüche 30,19). Kein Mensch kann vorher­sehen, wie sie sich durch­schlängelt und warum sie sich bald hierhin, bald dorthin wendet. Aber die „Klugheit“ dahinter, die kann man verstehen: Wie ein gewandter Fußball­spieler die Gegner durch unerwartete Tricks und Haken umdribbelt, so entzieht sich die Schlange ihren natürlichen Feinden. Ständig ist sie auf der Hut. Zu solch vor­sichtiger Klugheit, besonders in Verfolgungs­situatio­nen, mahnt uns hier der Herr. Es ist also kein Zeichen guter Jünger­schaft, wenn jemand die Feinde Jesu mit seinem Zeugnis provoziert und dabei das Martyrium geradezu sucht. Jesus riet: „Hütet euch vor den Menschen!“ Und: „Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere.“ Ja, das dürfen wir, und das sollen wir sogar: den Schwierig­keiten ausweichen, in die wir mit unserem christ­lichen Bekenntnis geraten können – jedenfalls solange das ohne Lüge und Verleugnung möglich ist. Und natürlich können und sollen wir von unserem Verstand auch Gebrauch machen, wenn es darum geht, andere Menschen zum Glauben und in die Kirche einzuladen. Es schadet nichts, wenn wir uns mal in die Gedanken­welt eines nicht­christ­lichen Zeit­genossen hinein­versetzen und uns dann überlegen: Was könnte diesen Menschen am christ­lichen Glauben interes­sieren? Wie könnte der ihm helfen? Und was könnte ihn wohl dazu bewegen, sich eine Kirche auch mal von innen anzusehen? Auch hier tritt eine Verheißung zur Mahnung. Sie ist allerdings nicht ganz leicht zu verstehen. Jesus versprach seinen Jüngern: „Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschen­sohn kommt“ – also bis zum Jüngsten Tag nicht. Man kann diesen Satz nur verstehen, wenn man sich klar macht: Jesus nahm damals bei dieser Probe-Aussendung in die Ortschaften Israels bereits die weltweite Mission in den Blick. Wenn wir das zusammen sehen, dann merken wir: Die „Städte Israels“ werden hier stell­vertretend für den Erdkreis genannt. Das Ganze bedeutet dann: Jesu Jünger werden immer irgendwo einen Unter­schlupf finden; einen Platz, wo sie zur Ruhe kommen und ihren Glauben leben können. Bis zum Jüngsten Tag wird es Orte auf der Welt gegeben, wo man Gottes Wort hören und Abendmahl feiern und christliche Gemein­schaft haben kann. Die Kirche wird nicht untergehen; die Pforten der Hölle können sie nicht über­wältigen.

Drittens gleich wir Tauben. Jesus hat seinen Jüngern ans Herz gelegt: „Seid ohne Falsch wie die Tauben.“ Die weiße Taube ist ein Symbol der Reinheit, der Lauterkeit und des Friedens. Friedlich, lauter und rein sollen unsere Herzen sein, denn wir sind Kinder Gottes. Lüge, Verstellung und Heuchelei haben da keinen Platz, auch bei aller Schlangen-Klugheit nicht. Mögen auch Wölfe im Schafspelz sich in die Gemeinde Jesu ein­schleichen, Jesu Jünger mischen sich nicht als Schafe im Wolfspelz unter das Rudel; sie bleiben als Schafe erkennbar. Da taucht dann allerdings die bange Frage auf: Wird uns das auch gelingen? Können wir uns in kritischen Situationen als Christen bewähren? Werden wir uns richtig verhalten? Fallen uns dann gute Worte ein, um liebevoll und ehrlich von unserem Herrn Zeugnis zu geben? Als Antwort gibt uns der Herr Jesus Christus wieder so eine Mahnung auf den Weg, die eigentlich ein Trost ist: Macht euch keine Sorgen! Er sagte: „Sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt.“ Und er fuhr fort mit dieser herrlichen Verheißung: „Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Wenn du also heraus­gefordert bist, mit reinem Herzen und aufrichtig wie eine Taube für deinen Glauben ein­zutreten, dann denke an den, für den die Taube ebenfalls das Zeichen ist: der Heilige Geist, der dir dann den Mund öffnen und die rechten Worte eingeben wird.

Jesus sandte die Apostel wie Schafe, wie Schlangen, wie Tauben in die Welt. Auch wir, die heutigen Jesus-Jünger, gleichen Schafen, Schlangen und Tauben. Lassen wir uns als solche von Jesus mahnen, ermutigen und trösten! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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