Die Teufelswette

Predigt über Hiob 2 zum Sonntag Invokavit

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Schlechte Nachrichten sind wie Schläge. Wenn ich zum Beispiel unerwartet von einem großen Ärger erfahre, der auf mich zukommt, dann fühlt sich das so an, als ob mir jemand in den Magen boxt. „Hiobs­botschaf­ten“ nennt man solche schlechten Nachrichten – benannt nach eben jenem Hiob, von dem unser Predigttext handelt sowie auch die ganze nach ihm benannte Schrift des Alten Testaments. Hiobs­botschaf­ten erreichen uns immer wieder, auf allen Ebenen. Durch die Medien erfahren wir, dass die Kriege und Konflikte in der Welt immer schlimmer werden. Aus dem Kreis unserer Bekannten, Nachbarn und Verwandten hören wir von schweren Er­krankun­gen und anderen Schicksals­schlägen. Vielleicht hast du auch schon erlebt, dass ein Arzt für dich persönlich eine Hiobs-Diagnose hatte. Und selbst wenn äußerlich alles ruhig ist, kann es doch passieren, dass du in deiner Seele solche Faust­schläge fühlst: Da stellen sich nagende Fragen ein, Zweifel am Sinn deines Lebens oder An­fechtungen in Bezug auf deinen Glauben. Angesichts so vieler Hiobs­botschaften fragen dich dann andere, und du fragst dich selbst: Warum all das Leid? Letztlich ist das auch die Frage, die über dem ganzen Buch Hiob steht: Warum müssen selbst fromme Leute wie Hiob so sehr leiden?

Unser Predigttext antwortet mit einer merk­würdigen Geschichte. Es ist die Geschichte von der Teufels­wette. Der Satan wettet mit Gott, dass Hiob seine Frömmigkeit aufgeben wird, wenn schweres Leid über ihn kommt. „Was gilt‘s“, sagt der Teufel zu Gott, „er wird dir ins Angesicht absagen!“ Natürlich dient diese Geschichte dazu, Undenkbares vorstellbar zu machen und Un­aussprech­liches erzählbar. Schon der ganze Rahmen ist ein Zu­geständ­nis an unsere beschränkte Auf­fassungs­gabe. Da wird uns geistig vor Augen geführt, wie der Allmächtige seinen himmlischen Hofstaat zu einer Konferenz zusammen­ruft. Da erscheinen dann die „Gottes­söhne“, wie die Engel hier genannt werden, also die himmlischen Geistwesen, die Gott sich als Diener erschaffen hat. Unter ihnen gibt es einen, der Gottes Liebe zu uns Menschen nicht teilt und der Gottes Heilsplan vereiteln will. Er heißt Satan.

Diese ganze Geschichte von der Teufels­wette kann uns vier Dinge lehren zu der Frage: Warum all das Leid?

Erstens lehrt diese Geschichte: Es gibt einen, der uns mit Leid quälen und auf diese Weise von Gott entfremden will. Satan heißt er; man nennt ihn auch „Teufel“ und „diabolos“, auf Deutsch „Durch­einander­bringer“. Der Teufel ist ja eigentlich keine Märchen- oder Witzfigur, sondern ein sehr realer Stören­fried. In der himmlischen Konferenz stellt er sich frech vor Gott hin und behauptet, dass der fromme Hiob nur deshalb fromm ist, weil es ihm noch so gut geht. Wenn man ihn aber mit einer schreck­lichen Krankheit quälen und sein Leben bedrohen würde, dann würde seine Gottes­furcht diese Belastungs­probe nicht aushalten.

Das liegt ganz im Interesse des Teufels: Er möchte einen Keil zwischen Gott und Mensch treiben und auf diese Weise bewirken, dass der Mensch in die ewige Gottesferne abdriftet. Er versucht es auch bei mir und bei dir. Je mehr einer Gott vertraut, desto heftiger versucht er es. In der Bibel werden wir wiederholt davor gewarnt, diesen Feind zu unterschätzen oder gar zu ignorieren. Leider ist immer noch die Meinung weit verbreitet, man könne das Böse in der Welt mit ein bisschen gutem Willen überwinden, mit Ver­handlungs­geschick, mit guter Erziehung oder mit dem richtigen Gesell­schafts­system. Aber immer wieder schlägt der Teufel unerwartet zu und verstrickt uns in ein Knäuel von Leid und Schuld und Angst und Zweifeln.

Sogar bei Jesus hat er es versucht, als der auf Erden lebte. Wir haben in der heutigen Evangeliums­lesung davon gehört (Matth. 4,1‑11). Als Jesus nach seinem 40‑tägigen Fasten großen Hunger hatte, wollte der Teufel ihn mit dieser Leid­erfahrung dazu verführen, seinem himmlischen Vater ungehorsam zu werden. Wenn ihm das gelungen wäre, dann wäre Christi Erlösungs­werk ge­scheitert, und er hätte nicht nur den Gottessohn, sondern mit ihm die ganze Menschheit ins Verderben getrieben.

Zweitens lehrt diese Geschichte: Gott lässt dem Teufel einen gewissen Spielraum. Es ist schon erstaun­lich, dass der Allmächtige bei seiner Konferenz im Himmel Satan überhaupt dabei sein lässt und sogar ein Gespräch mit ihm beginnt. Man sollte es kaum für möglich halten, aber Gott diskutiert mit dem Teufel und verhandelt mit ihm! Fragt mich nicht warum – ich weiß es nicht, aber er wird schon seine guten Gründe dafür haben. Und noch erstaun­licher: Gott lässt sich auf diese teuflische Teufels­wette ein. Da heißt es: „Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand!“

Ja, manchmal scheint es, als habe der Teufel alles in der Hand: bei den teuflischen Kriegen und Gräueltaten in der Welt, auch angesichts großer Nöte und Probleme in der Kirche, auch im Hinblick auf Krankheiten und manch andere persönlichen Probleme. Jawohl, Gott lässt dem Teufel immer noch einen gewissen Spielraum. Aber wenn wir uns das klarmachen, steckt darin auch ein Trost. Es bedeutet nämlich, dass Gott dem Teufel dennoch überlegen ist. Gott und Satan sind nicht zwei gleich starke Machthaber, die auf dem Rücken der Menschheit ihre Kräfte messen. Mit einem Wörtlein könnte der Schöpfer sein abtrünniges Geschöpf vollständig erledigen, und eines Tages wird er es auch wirklich tun. Aber bis es soweit ist, lässt er ihm noch einen gewissen Spielraum; das bekommen wir immer wieder zu spüren.

Sogar bei seinem eingebornen Sohn räumte Gott dem Teufel einen gewissen Spielraum ein. Er ließ es zu, dass Jesus versucht wurde wie jeder andere Mensch. Was wir in der heutigen Evangeliums­lesung gehört haben, war kein göttliches Theater, sondern bittere Realität: Jesus war wirklich versucht, den Ver­lockungen des Satans nach­zugeben. Aber Gott sei Dank, er zog den Weg des Gehorsams und des Kreuzes vor, auch wenn ihm sein mensch­licher Sinn nach etwas anderem stand. Gott gebe, dass auch wir demütig das Leid annehmen und erdulden, wenn Gott dem Teufel über uns einen Spielraum einräumt.

Drittens lehrt diese Geschichte: Gott setzt dem Teufel eine Grenze. In der himmlischen Konferenz sagt er ihm zum Schluss über Hiob: „Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!“ Er hätte auch sagen können: Schone seine Seele; lass ihn nicht sterben und verderben! Gott ist bereit, mit Satan zu wetten; Gott ist bereit, ihm einen Spielraum einzuräumen und großes Leid über Hiob kommen zu lassen; Gott ist aber nicht bereit, Hiob kaputt gehen zu lassen.

Das ist ungeheuer tröstlich. Gott mag uns langes Leid zumuten und schwere Ver­suchungen des Teufels, aber im Stich will er uns nicht lassen. Der Apostel Paulus hat es so formuliert: „Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr‘s ertragen könnt“ (1. Kor. 10,13). Gott sorgt dafür, dass der Teufel nicht an sein Ziel kommt und uns von Gott entfremdet, jedenfalls nicht dauerhaft. So können wir in Leid und Anfechtung gelassen bleiben und sagen: Meine Seele und mein Leben bleiben in Gottes Hand, die lässt er den Satan nicht antasten!

Diese Gewissheit schenkt uns der Herr Jesus Christus mit seinem Evangelium. Jesus ist dafür ans Kreuz gegangen, damit der Teufel uns nicht das ewige Leben bei Gott rauben kann. Durch Jesus hat Gott dem Teufel ein für allemal eine klare Grenze seiner Macht gesetzt. Durch Jesus veliert der Teufel seine Wette, garantiert. Diese Gewissheit können wir aus unserer Taufe schöpfen, diese Gewissheit können wir immer wieder aus Gottes Wort heraus­hören, diese Gewissheit können wir mit dem Heiligen Abendmahl schmecken und in uns aufnehmen: Gott setzt dem Teufel eine Grenze.

Viertens lehrt diese Geschichte: Gott steht dem an­gefochtenen Leidenden bei. Freilich: Groß war das Leid, das der Teufel dem Hiob zufügte: Er bekam einen schreck­lichen Ausschlag, der ihn entstellte und der überall juckte. Kennt ihr das: Es juckt so doll, dass man sich blutig kratzt? Hiobs Ausschlag juckte so stark, dass er sich sogar mit einer Tonscherbe kratzen musste. Wie sollte er das bloß aushalten, wie sollte er dabei noch geduldig und fromm bleiben? Aber damit nicht genug: Es juckte nicht nur seine Haut, es juckten auch die ätzenden Worte seiner Frau. Sie sprach zu ihm: „Hältst du noch fest an deiner Frömmig­keit? Sage Gott ab und stirb!“ So wie der Teufel einst Eva benutzte, um Adam zu verführen, so benutzt er hier Hiobs Frau. Aber anders als Adam bleibt Hiob standhaft und erwidert: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ Das sind wahrhaft über­menschliche Worte eines schwer Leidenden. Sie zeugen davon, dass Gottes Geist mit Hiob war und ihm seinen Glauben bewahrte. Rein menschlich wäre Hiob schon längst aus der Haut gefahren, aber mit Gottes Hilfe findet er diese erstaun­lichen Worte. Und Gott hilft ihm noch mehr: Er schickt ihm drei Freunde, die ihn in seinem Elend besuchen und sich wirklich Zeit für ihn nehmen. Sage und schreibe sieben Tage lange bleiben sie bei ihm. Sie kommen als Weinende, die mit dem weinenden Hiob weinen. Und sie schweigen mit ihm, weil die menschliche Vernunft angesichts von so großem Leid nur schweigen kann.

Als die Freunde viel später doch den Mund auftun und Hiob ihnen antwortet, da unternimmt Satan dann freilich noch einmal einen letzten verz­weifelten Versuch, Hiob von seiner Gottes­furcht ab­zubringen. Von diesen Gesprächen handeln die nächsten 35 Kapitel im Buch Hiob. Dann aber begegnet ihnen Gottes Herrlich­keit, und Hiob weiß, dass er zum Herrn gehört. Zuletzt heilt Gott ihn und schenkt ihm erneut ein glückliches Leben.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, in Hiob spiegelt sich jedes Christen­leben, das unter Leid und Anfechtung gelebt wird. Aber wie schwer und fast un­erträglich es im Einzelfall auch sein mag: Gott hilft, Gott heilt, Gott führt es zum glücklichen Ende, zur ewigen Seligkeit. Diese Gewissheit schenkt uns Hiob, und diese Gewissheit schenkt uns vor allem unser Herr Jesus Christus. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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