Das Vergängliche und das Unvergängliche

Predigt über Jesaja 51,6 zum Altjahrsabend

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Als Kind bin ich gern Karussell gefahren. Ich stieg auf ein Motorrad oder in eine Feuerwehr, und dann ging es los. Meine Mutter stand am Rand. Nach jeder Runde kam ich bei ihr vorbei und winkte ihr zu. Leider war der Spaß immer viel zu schnell vorbei.

Eigentlich ist Silvester nicht anders. Wir sitzen auf dem Planeten Erde und fahren Karussell – um die Sonne herum. Zum Jahres­wechsel tauschen wir gute Wünsche aus, weil wieder eine Runde vorbei ist. Und nach siebzig, achtzig oder neunzig Runden ist die Karussell­fahrt zuende.

Ein merk­würdiger Vergleich? Keineswegs. Auch in der Bibel können wir viele Vergleiche finden dafür, wie schnell die Zeit vergeht und wie kurz unser Erdenleben ist. So heißt es in unserem Predigttext von den Menschen: „Sie werden wie Mücken dahin­sterben.“ Mücken leben höchstens sechs Wochen. Wenn wir auf das vergangene Jahr zurück­schauen oder wenn ein alter Mensch auf sein ganzes Leben zurück­schaut, dann denken wir: Was wir alles erlebt haben! Aber aus Gottes Sicht ist das nur eine Mückenzeit. Auch nehmen wir unser Leben sehr wichtig und halten deswegen den Tod für eine schlimme Sache. Wir machen uns meistens nicht klar, dass täglich nicht nur Hundert­tausende von Mücken sterben, sondern auch Hundert­tausende von Menschen. Wenn wir eine Mücke erschlagen, die uns sticht, dann denken wir uns nichts dabei, aber wenn Gott einen Menschen aus dieser Welt abruft, dann finden wir das oft schreck­lich. Dabei bedeutet es doch nur, dass die Karussell­fahrt vorbei ist.

Wir sollten unser Erdenleben und unsere Welt nüchtern betrachten. Gottes Wort leitet uns dazu an. So fordert er uns durch Jesaja auf: „Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde!“ Was wir da sehen und erforschen, ist alles ganz und gar ver­gänglich. Wenn der Stoff meiner Hose faden­scheinig oder morsch wird, dann kann er leicht einreißen, und die Hose hat ausgedient. Ebenso morsch und brüchig ist die Erdrinde, die dünne Außenhaut des Planeten, auf dem wir uns befinden. Jesaja predigte: „Die Erde wird wie ein Kleid zerfallen.“ Und Jesus hat bestätigt, dass unsere Welt ein Verfalls­datum trägt. Mag sein, dass das Karrussell noch ein paar hundert oder ein paar tausend Runden läuft, aber irgendwann wird es abgebaut. Ähnliches gilt für die Himmels­körper über uns, für die Sterne, für die Galaxien, ja für den ganzen Kosmos. Von weitem sieht eine Galaxie wie eine scheiben­förmige Rauchwolke aus, auch unsere Galaxis. Deshalb nennt man sie auch „Sternen­nebel“. Sie sind so ungeheuer groß, dass niemand sich ihre Größe vorstellen kann. Aber in Gottes Augen sind sie nicht mehr als die Rauch­wölkchen, die von aus­gepusteten Kerzen aufsteigen und sich bald ver­flüchtigen. Jesaja pro­phezeite: „Der Himmel wird wie ein Rauch vergehen.“ Und Jesus hat bestätigt: „Himmel und Erde werden vergehen“ (Matth. 24,35).Vor hundert oder zweihundert Jahren haben das die Menschen nicht wahrhaben wollen, denn sie meinten, sie hätten die ewigen Gesetze der Natur entdeckt. Heute aber wird jeder Naturwissen­schaftler zustimmen, dass Menschheit und Erde und Himmels­körper nur für begrenzte Zeit existieren. Jesaja und Jesus haben Recht, und die Bibel sowieso: Es kommt der Tag, da baut Gott den ganzen Rummel ab – ein­schließlich unseres Erden-Karussells.

Das alles muss uns Mücken-Menschen sehr demütig machen. Schnell fliegt unser Leben dahin, und bald ist es aus mit dieser Welt. Es macht uns demütig vor dem Schöpfer, der groß und ewig ist – viel größer und viel ewiger als die ganze Welt. Aber was hilft uns diese Erkenntnis?

Diese Erkenntnis kann uns die Augen für ein großes Wunder öffnen. Überlegt mal: Kümmern euch die Mücken und ihre Lebens­erwartung? Nicht die Bohne. Oder habt ihr eine innere Beziehung zu morschen Kleidungs­stücken oder zu Wachs­kringeln über aus­gepusteten Kerzen? Ganz bestimmt nicht. Es wäre also völlig nach­vollzieh­bar, wenn Gott sich nicht besonders um uns kümmern würde – um „Mücken“ auf der dünnen Haut eines Himmels­körpers, der wie ein Staub­körnchen in einer Wolke von unzähligen anderen Himmels­körpern fliegt und bald ver­schwunden sein wird. Es wäre nicht zuletzt deshalb verständ­lich, weil wir uns auf dem Karussell unserer Welt nicht so benehmen, wie wir uns eigentlich benehmen sollten. Doch nun hört das Wunder, das Gott uns ebenfalls durch Jesaja verkündigen lässt: „Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtig­keit wird nicht zer­brechen.“ Was für ein Heil? Das Heil, das er uns mit seinem Sohn und Heiland Jesus Christus in unsere arme Welt geschickt hat. Und was für eine Gerechtig­keit? Nicht die Gerechtig­keit unserer Werke, sondern die Gerechtig­keit des Glaubens an eben diesen Herrn und Heiland Jesus Christus. Mit diesem Heil und dieser Gerechtig­keit reißt uns der Allmächtige aus unserem ver­gänglichen Mücken-Dasein heraus und schenkt uns ewiges Leben. Und er sorgt dafür, dass wir auch dann noch einen Platz zum Leben haben werden, wenn Himmel und Erde längst vergangen sind. So wichtig sind wir Gott, so sehr kümmert er sich um uns, so lieb hat er uns! In seinen Augen sind wir letztlich eben doch nicht gleich­gültige Mücken, sondern geliebte Kinder. Was für ein Wunder!

Die Jahres­losung für das vor uns liegende Jahr lautet: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ (Römer 15,7). Dass Gott uns durch seinen Sohn in Liebe angenommen hat, ist das große Wunder, das bereits Jesaja verkündete und über das wir auch heute noch nicht genug staunen können. Gottes Fleisch gewordene Liebe ist wie ein Lichtstrahl der Ewigkeit, der in unsere dunkle und ver­gängliche Welt hinein­gefahren ist. Lasst uns dafür Gott danken. Und lasst uns dieses kostbare und ewige Gut der Liebe hüten wie einen un­ersetz­lichen Schatz. Und lasst uns diesen Schatz in unserem ver­gäng­lichen Leben und unserer ver­gäng­lichen Welt so gut wie möglich in­vestieren. Nehmt auch ihr einander an… Denn alle Vermögen der Welt sind ver­gänglich, und niemand kann von irgendeiner Rendite ewig zehren. Aber Gottes Liebe ist ewig und das Größte, was in Ewigkeit bleibt; Ihre Rendite ist das ewige Leben – für uns, die „Mücken“, die Sünder, die das überhaupt nicht verdient haben.

Wir sollten darauf achten, wenn jetzt eine neue Runde Karrussell­fahrt anbricht. Wer weiß, vielleicht ist es die letzte – für mich, für dich oder für die ganze Welt. Trotzdem können wir sie genießen und Gott dafür danken. Wenn wir aber absteigen müssen oder wenn gar das ganze Karussel abgebaut wird, dann brauchen wir nicht traurig zu sein, denn wir wissen: Es geht ja weiter. Gottes Liebe schenkt uns ewiges Heil und Gerechtig­keit – durch unsern Herrn Jesus Christus. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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