Der Heiland heilte uns

Predigt über Titus 3,4‑7 zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer ist gesund? Die WHO, die Gesundheits­organi­sation der Vereinten Nationen, definiert es so: „Gesundheit ist ein Zustand des voll­ständigen körper­lichen, geistigen und sozialen Wohl­ergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Demzufolge ist nur der gesund, der sich körperlich und seelisch vollkommen wohl fühlt und der dabei mit allen Mitmenschen in bester Harmonie zusammen­lebt. Mit anderen Worten: niemand. Und selbst wenn es jemanden gäbe, auf den das zuträfe, so bliebe doch noch ein ent­scheidener Gesichts­punkt un­berück­sichtigt: die geistliche Gesundheit nämlich. Zur voll­ständigen Gesundheit, so lehrt die Bibel, gehört ganz wesentlich die ungetrübte Gemein­schaft mit Gott hinzu.

Es liegt am Wesen unserer gefallenen Welt, dass alle Menschen mehr oder weniger krank sind: krank in ihrem Verhältnis zu Gott, krank in in ihrem Verhältnis zu den Mit­menschen, krank an Leib und Seele. Oder doch wenigstens nicht hundert­prozentig fit. Wer krank ist und das auch merkt, der sehnt sich nach Heilung. Nun gibt es ja unzählige Heilungs­angebote – nicht nur in Apotheken, Arztpraxen und Kranken­häusern, sondern auch bei mehr oder weniger seriösen Ratgebern, Alternativ­medizinern, Wunder­heilern, eso­terischen Rezepten sowie bei den Heilslehren vieler Sekten und Religionen. Teilweise helfen sie, teilweise auch nicht.

Und es gibt Weih­nachten. Da meldet sich Gott selbst zu Wort und verkündet: „Euch ist heute der Heiland geboren“ (Lukas 2,11) – der Retter, der Erlöser, der Helfer, der Selig­macher. Ja, „Christ, der Retter, ist da“. Er ist gekommen, um die zerbrochene Gemein­schaft zwischen uns Menschen und dem Vater im Himmel zu heilen. Er ist gekommen, um auch alle zwischen­mensch­lichen Probleme zu heilen – den Streit, den Hass, die Machtgier. Und er will uns auch ein voll­ständiges geistiges und körper­liches Wohl­befinden schenken. Kurz: Der Heiland ist gekommen, um uns selig zu machen. Dieses kleine Wörtchen „selig“ schließt alles in sich, was die um­ständliche WHO-Gesundheits­definition aussagt, obendrein noch erweitert um das geistliche Wohl­befinden.

Unsere Weihnachts-Epistel nimmt das auf: „Als aber erschien die Freundlich­keit und Menschen­liebe Gottes unseres Heilands (also: als unser Heiland Jesus Christus geboren wurde), machte er uns selig.“ Im griechi­schen Urtext steht für „selig machen“ ein Wort, dass zugleich retten, erlösen, helfen und heilen bedeutet und das auch in dem Begriff „Heiland“ steckt. Der Heiland erschien und heilte uns. Oder: Der Helfer erschien und halft uns. Oder: Der Erlöser erschien und erlöste uns. Oder: Der Retter erschien und rettete uns. Oder: Der Seligmacher erschien und machte uns selig. Das geschah bei dem großen Weihnachts­fest vor 2000 Jahren mit seiner weltweiten Bedeutung. Darüber hinaus spricht die Weihnachts-Epistel aber auch noch von einem kleinen Weihnachtsfest, das jeder Christ an sich persönlich erfahren hat – nicht den Geburtstag von Jesus, sondern den eigenen geistlichen Geburtstag, nämlich die Wieder­geburt aus Wasser und Geist, die Taufe. Da heißt es nämlich: „Er machte uns selig… durch das Bad der Wieder­geburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland…“ Da taucht es zum drittenmal auf, das wichtige Wort: Jesus Christus ist unser Heiland – unser Helfer, Retter, Erlöser und Selig­macher, der uns durch die Taufe heilte, half, rettete, erlöste und selig machte. Eigentlich taucht das Heilungs­wort auch noch ein viertes Mal auf, denn der Begriff „Heiland“ steckt im Namen „Jesus“ drin. „Jesus“ bedeutet: „der Herr rettet“.

Wer Luthers Kleinen Katechismus auswendig gelernt und noch nicht vergessen hat, der wird sich daran erinnern, dass der Hauptteil unserer Weihnachts-Epistel im Vierten Hauptstück vorkommt. Dort geht es um das Sakrament der Taufe. Da heißt es im dritten Abschnitt: „Wie kann Wasser solch große Dinge tun? Wasser tut‘s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der solchem Worte Gottes im Wasser traut. Denn ohne Gottes Wort ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe; aber mit dem Worte Gottes ist‘s eine Taufe, das ist ein gnaden­reiches Wasser des Lebens und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist; wie Paulus sagt zu Titus im dritten Kapitel: Gott macht uns selig durch das Bad der Wieder­geburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung. Das ist gewisslich wahr.“ Allerdings steckt da ein kleiner Fehler drin. Der geht aber nicht auf Luthers Konto, sondern der hat sich erst in späteren Katechismus-Ausgaben ein­geschli­chen. Es heißt in unserer Weihnachts-Epistel nämlich nicht „Gott macht uns selig“, sondern „Gott machte uns selig“. Hier steht tatsächlich die Vergangen­heits­form. Und da geht es nicht nur um einen Buchstaben mehr oder weniger, sondern da geht es um etwas ganz Wichtiges: Das Selig-Machen ist bereits geschehen, in der Vergangen­heit. Es geschah für die ganze Welt, als Gott Mensch wurde, um uns mit seinem Sterben und Auf­erstehung zu erlösen. Und es geschah für dich und für mich persönlich, als wir getauft wurden. Da kann niemand mehr was dran ändern, das gilt unwider­ruflich. Und jeder, der diese Heilung vertrauens­voll annimmt, ist bereits heil.

In der Bibel stehen viele Heilungs­geschich­ten. Vor allem von Jesus wird berichtet, dass er viele Menschen heilte. Und meistens taucht in diesem Zusammen­hang dasselbe Wort auf, das in unserer Weihnachts-Epistel das wichtigste ist: heilen, helfen, retten, erlösen, selig machen. Manchmal sagte Jesus dann zum Geheilten: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Auch da wird dasselbe Wort benutzt. Nicht, dass unser Glaube so großartig wäre, dass er Wunder bewirkt. Aber der, an den wir glauben, der bewirkt Wunder. Wenn wir ihn nur vertrauens­voll machen lassen, dann werden wir merken, wie er uns wunderbar hilft und heilt.

Die größte uns schönste Heilungs­geschichte der Bibel ist die, die mit der Geburt des Heilands begann. Auch unsere Weihnachts-Epistel erzählt diese Geschichte. Sie begann damit, dass in Jesu Geburt die Freundlich­keit und Menschen­liebe des Heilands erschien. Sie setzte sich fort in vielen Zeichen und Wundern, die der Heiland in seinen Erdentagen tat. Er tat sie ausnahmslos alle, um Menschen zu helfen und damit zugleich den Zweck seiner Mensch­werdung deutlich zu machen. Dann folgte die große und welt­bewegende Heilstat am Kreuz: Da nahm uns der Heiland alle Schuld ab. Da trug er unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Dann zeigte er sich siegreich als Auf­erstandener und bewies damit: Wir sind durch ihn wirklich gerettet von der Macht des Todes. Die Kraft von Jesu Tod und Auf­erstehung gleicht einem über die Maßen starken Wirkstoff und einer ganz außer­ordent­lichen Medizin. Wie diese Medizin zu dir und zu mir kam und uns rettete, das ist dann unsere ganz persönliche Heilungs­geschichte. Allerdings kam sie nicht als Pille oder als Infusion, sondern eher wie die Anwendungen bei einem Kur-Aufenthalt: als Bad nämlich und in Form von Güssen. Der Wirkstoff von Jesu Tod und Auf­erstehung steckt in der Taufe drin, von der es in unserer Weihnachts-Epistel heißt: „Er machte uns selig durch das Bad der Wieder­geburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland.“

„Gesundheit ist ein Zustand des voll­ständigen körper­lichen, geistigen und sozialen Wohl­ergehens“, definiert die Welt­gesundheits­organi­sation, und wir ergänzen: …sowie auch ein Zustand der ungetrübten Gemein­schaft mit Gott. Jesus, der Heiland, hat uns gesund gemacht. Aber warum scheint uns dann Gott manchmal so fern? Warum streiten wir uns noch manchmal mit anderen Menschen? Warum sind wir machmal traurig? Und warum wird unser Körper manchmal krank? Die Antwort finden wir im letzten Satz der Weihnachts-Epistel: „damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung.“ Durch den Heiland geheilt zu sein bedeutet also, solange wir auf Erden leben, eine Rettung auf Hoffnung. Und es bedeutet, Erben zu sein, also Anwärter auf eine noch zukünftige Seligkeit. Unsere tödliche Krankheit ist zwar schon vollständig besiegt dank der wunderbaren Weihnachts-Medizin im Bad der Wieder­geburt, aber die Symptome sind noch nicht ab­geklungen. Wir sind noch Rekon­valeszen­ten, Genesende. Aber unsere Hoffnung auf voll­ständiges Heil und ewige Seligkeit ist kein Wunsch­denken und auch nicht nur ein Strohhalm, sondern eine gewisse Hoffnung – weil der Heiland uns bereits selig machte. Und wenn wir erst die letzte schwierige Phase unseres Erden-Daseins durchlaufen haben werden, die Phase des Sterbens nämlich, dann werden wir aufwachen und staunend das Erbe der vollendeten Seligkeit antreten. Dann werden wir uns so fühlen wie kleine Kinder, die, überwältigt vor Freude, in eine festliche Weihnachts­stube treten. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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