Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
“Er wird wiederkommen mit Herrlichkeit“, so bekennen wir von Jesus Christus im Nizänischen Glaubensbekenntnis. Jesus ist die Hauptperson in unserem Leben, und sein Wiederkommen in Herrlichkeit ist das Hauptereignis sowie auch der Schlusspunkt der Weltgeschichte. Was danach folgt, ist lauter Freude und Herrlichkeit für alle, die zu ihm gehören. „Er wird wiederkommen mit Herrlichkeit“, so sprechen wir voller Vorfreude auf die Vollendung unserer Erlösung, auf das zukünftige ungetrübte Zusammensein mit unserem Herrn. Heute, am Ewigkeitssonntag, hat diese Vorfreude einen Ehrenplatz im Kirchenjahr.
In der Bibel wird der Jüngste Tag mehrfach mit einem Hochzeitsfest verglichen. In der heutigen Epistellesung haben wir davon gehört, wie das neue Jerusalem gleich einer geschmückten Braut ihrem Bräutigam zugeführt wird (Offb. 21,2). Und als Evangeliumslesung hörten wir Jesu Gleichnis von den zehn Jungfrauen, die auf die Ankunft des Bräutigams warten (Matth. 25,1‑13). Jesu Wiederkommen in Herrlichkeit als Hochzeitsfest – was für ein wunderbarer Vergleich! Ich denke zurück an die Hochzeiten, die ich in diesem Jahr mitfeiern durfte: Herrliche Freudenfeste, liebevoll vorbereitet und durchgeführt. Und viele Menschen hatten schon monatelang vorher die Vorfreude genossen.
Wenn wir die biblischen Hochzeitsgleichnisse gut verstehen wollen, dann müssen wir allerdings berücksichtigen, dass Hochzeiten damals anders gefeiert wurden als heute. Damals hatte die formelle Eheschließung schon vorher stattgefunden. Wenn in der Bibel von einer Verlobung die Rede ist, dann ist damit bereits das bindende Eheglöbnis gemeint, das Mann und Frau offiziell im Angesicht der beiden Familien zu einem Paar machte. Die Hochzeit selbst war dann die sogenannte Heimholung der Braut. Dieser Umzug der Braut von ihrem Elternhaus in das Haus des Bräutigams wurde als rauschendes Fest gefeiert. Es begann damit, dass der Bräutigam mit seinen Freunden in fröhlichem Festzug zum Elternhaus der Braut aufbrach. Die Freundinnen der Braut gingen den jungen Männern ein Stück entgegen, schlossen sich dem Festzug an und begleiteten den Bräutigam mit seinem Gefolge zur Braut. Die wartete schon ungeduldig auf ihn, herrlich gekleidet, geschmückt und geschminkt.
War eine solche Hochzeit damals schon bei normalen Leuten eine aufwändige Angelegenheit, so war die Hochzeit eines Königs über die Maßen herrlich und prunkvoll – einfach märchenhaft!
Mit diesen Gedanken nähern wir uns dem Abschnitt aus dem Hohenlied Salomos, der uns heute unsere Vorfreude auf Christi Wiederkommen neu bewusst machen und vermehren will. Das biblische Buch mit dem Titel „Hoheslied Salomos“ ist eigentlich eine Sammlung mehrerer Liebeslieder. Das Lied, das wir hier betrachten, könnte den Titel tragen: „Lied von der Ankunft des königlichen Bräutigams“. Es beschreibt die Hochzeitsfeier von König Salomo, der als Bräutigam zusammen mit seinem Gefolge heranzieht, um seine Braut heimzuholen.
Das Lied ist aus dem Blickwinkel eines Beobachters geschrieben, der am Haus der Braut nach dem königlichen Bräutigam Ausschau hält. Dieser Beobachter beschreibt wie ein Reporter, was er sieht. Vom Berg Zion aus blickt er nach Osten, wo hinter dem Ölberg die Gebirgswüste Judäas beginnt. Übrigens geschah es auf dem Ölberg, dass Jesus gen Himmel fuhr und dass dann Engel den Jüngern sagten: So, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen, wird er wiederkommen (Apostelgesch. 1,11). Von der Wüste her soll der Bräutigam kommen, von Osten her – von da, wo die Sonne aufgeht. Ja, wenn Christus wiederkommt, dann wird das sein wie ein strahlender Sonnenaufgang über der trüben Nacht unserer sündenverseuchten Weltgeschichte. „Was steigt da herauf aus der Wüste wie ein gerader Rauch, wie ein Duft von Myrrhe, Weihrauch und allerlei Gewürz des Krämers?“ Wie bei einem frisch entfachten Feuer der Rauch immer dichter wird und eine immer größere Wolke formt, so erscheint am Horizont der Bräutigam mit seinem Gefolge: zunächst nur ein Pünktchen, dann eine immer größer werdende Wolke von Menschen. Und wie die Wolken vom Rauchopferaltar wunderbar nach Weihrauch duften, so weht mit diesem Festzug der Duft edlen Parfüms heran: Myrrhe und exotische Gewürzmischungen, von weit gereisten Händler mitgebracht. Weihrauch und Myrrhe waren übrigens unter den königlichen Geschenken, die die Weisen zu Jesus brachten, und auch vom Gold werden wir gleich etwas hören im Lied über die Ankunft des königlichen Bräutigams.
Jetzt ist der Festzug schon so nahe, dass der Beobachter die Personen voneinander unterscheiden kann. Er berichtet: „Siehe, es ist die Sänfte Salomos; sechzig Starke sind um sie her von den Starken in Israel. Alle halten sie Schwerter und sind geübt im Kampf; ein jeder hat sein Schwert an der Hüfte gegen die Schrecken der Nacht.“ Der königliche Bräutigam ist Davids Sohn und Thronfolger Salomo; er wird mit einer Sänfte getragen. Salomo ist hier Sinnbild für den einen versprochenen Davidssohn, den Gottessohn und Menschensohn, der kommt, um sein Volk Israel und alle Völker der Erde zu erlösen, und der wiederkommen wird in Herrlichkeit. Jesus hat von sich selbst prophezeit: „Es wird geschehen, dass der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln“ (Matth. 16,27). „Mit seinen Engeln“ – das können wir auf die Begleiter des Bräutigams beziehen in diesem festlichen Zug, also auf die Leibgarde des Königs, die sechzig Starken, die mit ihren Schwertern die Macht des Bösen abwenden.
Inzwischen ist der Festzug des Königs so nahe, dass der Beobachter Einzelheiten an seiner Sänfte erkennen kann. Staunend beschreibt er ihre Pracht – so wie heute ein Reporter die Luxus-Limousine beschreiben würde, mit der ein hoher Herr bei der wartenden Menge vorfährt. Wenn Christus wiederkommen wird, dann reitet er nicht wieder ärmlich auf einem jungen Esel nach Jerusalem, sondern dann kommt er mit Pracht und Herrlichkeit. Der Beobachter stellt fest: „Der König Salomo ließ sich eine Sänfte machen aus Holz vom Libanon. Ihre Säulen machte er aus Silber, ihre Lehnen aus Gold, ihren Sitz mit Purpur bezogen, ihr Inneres mit Ebenholz eingelegt.“ Da haben wir nun das königliche Gold: Die Lehnen des tragbaren Throns sind golden und heben sich herrlich vom Sitzpolster ab, das mit kostbarem roten Purpur gefärbt ist. Silberne Säulen tragen einen Baldachin, der dem König Schatten spendet. Gold und Silber erinnern uns daran, wieviel der König investiert hat, um uns zu erlösen – ja eigentlich viel mehr als Gold und Silber, nämlich sein eigenes Leben, sein eigenes pupurrotes Blut. Weiter fällt auf, dass nur edelste Hölzer für den Bau der Sänfte verwendet wurden: neben dem schwarzen afrikanischen Ebenholz das hell-rötliche Zedernholz aus dem Libanon-Gebirge. Mit Zedernholz hatte Salomo den ersten Tempel in Jerusalem erbaut, und so kann uns auch diese Sänfte an ein Heiligtum erinnern, einen Ort der Gegenwart Gottes: Gottes Sohn kommt, um seine Braut in das himmlische Heiligtum zu holen.
Jetzt ist der Bräutigam da, und die Freundinnen der Braut sind aufgerufen, herauszukommen und ihn zu begrüßen. Die Beschreibung des Beobachters wird an dieser Stelle zu einer Aufforderung: „Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus / und seht, ihr Töchter Zions, / den König Salomo mit der Krone, / mit der ihn seine Mutter gekrönt hat / am Tage seiner Hochzeit, / am Tage der Freude seines Herzens.“ „Krone“ meint hier eigentlich einen Kranz, mit dem der Bräutigam für das Hochzeitsfest geschmückt worden ist; es war damals offenbar das Vorrecht einer Mutter, ihren Sohn als Bräutigam zurechtzumachen. Und nun können, nun sollen sie kommen – die Töchter Jerusalems, die Braut mit ihren Freundinnen: heraus aus den Häusern, heraus aus allen Winkeln, wo sie ungeduldig und voller Vorfreude dem Fest entgegengefiebert haben. Hoffentlich sind sie nicht eingeschlafen!
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, da sind wir wieder bei uns im Hier und Heute. Da sind wir wieder bei unserer Vorfreude auf das Kommen des königlichen Bräutigams Jesus Christus, denn der Ruf, dem Bräutigam zu begegnen, gilt auch uns. Unser Bräutigam ist ganz nah, und eigentlich sind wir jetzt schon herausgerufen, ihm entgegenzugehen: „Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus!“ Christus selbst ist es, der uns zuruft: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!“ (Matth. 11,28). Und der König selbst lässt zur Hochzeitsfeier seines Sohnes laden durch den Ruf seiner Boten: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ (Lukas 14,17) Der König ruf, der Bräutigam naht, wer wollte da nicht kommen? Ja, wir leben schon mit großer Vorfreude auf das Fest hin. Und jeder Gottesdienst, den wir hier feiern, ist ein Ausdruck dieser Vorfreude und ein Einüben in die Begrüßung des königlichen Bräutigams – mit Kyrie und Gloria und Hosianna. Aber wie der königliche Bräutigam selbst uns herausruf, für seine Ankunft bereit zu sein und zu kommen, so antwortet die Braut, die Kirche, mit den letzten Versen der Bibel: „Komm! Und wer es hört der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst… Amen, ja, komm Herr Jesus!“ (Offenbarung 22,17.20)
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