Dankt Gott für seine ewig guten Gaben

Predigt über Psalm 106,1 zum Erntedankfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich hätte heute auch sieben Predigt­texte vorlesen können, an der Predigt würde sich dadurch nichts ändern. Dieser berühmte Danke-Satz taucht nämlich an sieben Stellen in der Bibel auf. Zuerst hat König David so gebetet, als er die Bundeslade nach Jerusalem holte. Er hatte zu diesem Anlass einen Dank-Psalm verfasst, den ein neu gegründeter Profi-Chor vortrug, die Asaf-Söhne von den Leviten nämlich. Dieser Psalm ist geprägt von über­sprudelnder Freude. Da heißt es unter anderem: „Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und man sage unter den Heiden, dass der Herr regiert! Das Meer brause und was darinnen ist, und das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist. Es sollen jauchzen alle Bäume im Wald vor dem Herrn; denn er kommt, zu richten die Erde.“ Und dann folgt unser berühmter Danke-Satz: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ (1. Chronik 16,31‑34) Seitdem hörte man diesen Satz immer wieder in den Dank­gottes­diensten Israels. Er ist, wie gesagt, siebenmal in der Bibel zitiert, und er klingt auch noch an anderen Stellen an. Man kann sagen: Dieser Danke-Satz ist aus Israels Gottes­diensten nicht weg­zudenken. Dasselbe gilt für unsere Gottes­dienste. Wir singen es ja fast jeden Sonntag nach dem Abendmahl – als Pastor rufe ich der Gemeinde zu: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, halle­luja!“, und die Gemeinde erwidert: „Und seine Güte währet ewiglich, halleluja!“ Aber noch vertrauter ist dieser Danke-Satz vielen als Tischgebet, vor allem als Dankgebet am Ende einer Mahlzeit. Von daher passt dieser Danke-Satz besonders gut zum Erntedank­fest, denn heute werden wir ja auch in der Kirche ans Essen und Trinken erinnert und an den, dem wir das alles zu verdanken haben; wir haben das heute in diesem Gottes­dienst buch­stäblich vor Augen und auch buch­stäblich vor der Nase.

Nun ist ja die Sitte des Tischgebets leider ziemlich aus der Mode gekommen. Auch in christ­lichen Familien geschieht es immer häufiger, dass man sich einfach an den Tisch setzt und zu essen anfängt, ohne an den Geber zu denken, von dem letztlich alles herkommt, und ohne seinen Segen zu erbitten. Öfters geschieht es auch, dass Christen zwar mit einem Tischgebet die Mahlzeit beginnen, aber sie dann nicht ebenso beenden: Sie danken Gott nicht dafür, dass sie satt geworden sind und meist sehr gute wohl­schmeckende Dinge zu sich nehmen konnten. Mag sein, dass mancher verständnis­los fragt: Warum soll ich denn nach jeder Mahlzeit ein Dankgebet sprechen, was hat dieses Ritual für einen Sinn? Die Antwort ist in dem biblischen Dankgebet bereits enthalten: „…denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ Weil Gott es gut mit uns meint und dabei niemals nachlässt, darum haben wir allen Grund, auch mit unserer Dankbarkeit niemals nach­zulassen.

Für „freund­lich“ steht übrigens im hebräischen Urtext das Wörtchen „tob“, das die Grund­bedeutung „gut“ hat: „Danket dem Herrn, denn er ist gut…“ Dasselbe Wörtchen finden wir auch im Schöpfungs­bericht in 1. Mose 1. Da steht wiederholt: „Gott sah, dass es gut war.“ Und am Ende heißt es zusammen­fassend: „Gott sah an alles, was er gemacht, hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Zu dieser guten Schöpfung gehören alle Pflanzen einschließlich der ver­schiedenen Getreide­sorten sowie alle Bäume und Stauden mit ihren Früchten: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Nüsse, Feigen, Datteln, Wein­trauben, Avocados, Nektarinen, Quitten, Tomaten, Bananen, Paprika, Bohnen und was es sonst noch so alles gibt. Zu dieser guten Schöpfung gehören auch alle Tiere, von denen uns Gottes Wort aus­drücklich erlaubt, sie zu unserem Verzehr zu schlachten: Rinder, Hühner, Schafe, Schweine, Gänse, Enten, Forellen, Lachse und was es sonst noch so alles gibt. Das alles hat Gott zu unserer Nahrung sehr gut geschaffen, und wenn es damit Probleme gibt, dann ist das nicht Gottes Schuld, sondern dann ist das der Menschen Schuld: wenn zum Beispiel in der Land­wirtschaft Raubbau betrieben wird, wenn Tiere zur Maximierung von Erträgen gequält werden oder wenn ver­nünftiges Essen und Trinken zu Fressen und Saufen wird. Aber der Missbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf: Nach wie vor sind Gottes Erntegaben gut; er gibt uns reichlich und lässt genug wachsen, dass jeder Mensch auf der Welt satt werden könnte, wenn mans nur richtig verteilte.

Ja, wir haben allen Grund, nach jeder Mahlzeit zu beten: „Danket dem Herrn, denn er ist freund­lich“, er ist gut – oder auch ein anderes Dankgebet. Nun könnte aber jemand noch einen anderen Einwand haben und sagen: „Die meisten Tischgebete werden doch nur gedankenlos geplappert; das ist doch sinnlos, das kann Gott doch nicht gefallen.“ Nun mag das wohl leider stimmen: Dort, wo regelmäßig Tischgebete gehalten werden, ist man oftmals nicht so recht bei der Sache. Aber was für eine Konsequenz sollte man aus dieser Beobachtung ziehen? Sollte man sich deswegen lieber ohne Gebet aufs Essen stürzen? Und sollte man deswegen lieber ohne Dank vom Tisch aufstehen? Ich denke, dass das Gott noch viel weniger gefällt. Die richtige Konsequenz wäre vielmehr, dass man sich in Zukunft mehr Mühe gibt mit dem Tischgebet und das Herz mitbeten lässt. Vielleicht ist das eine Sisyphus-Arbeit, vielleicht wird man sich immer wieder beim gedanken­losen Plappern ertappen, aber ist das nicht eigentlich mit unserem gesamten christ­lichen Verhalten so? Wir müssen ständig umkehren, ständig Gott um Vergebung und um einen Neuanfang bitten, uns ständig neu in das Tun des Guten einüben, und wir dürfen das auch. Denn Gott hat ganz viel Geduld mit uns, sieht uns immer wieder unsere Fehler nach und schenkt uns seinen Geist für einen Neuanfang: „Seine Güte währet ewiglich.“ Darum lege ich jetzt jedem, der seine Mahlzeiten bisher ohne Tischgebete zu halten pflegte, ans Herz: Gewöhnt es euch an, vor jeder Mahlzeit zu beten und nach jeder Mahlzeit Gott Dank zu sagen! Nehmt dieses Erntedank­fest zum Anlass für einen Neuanfang! Gewohn­heiten sind ganz wichtig für unser Leben, und kaum eine Gewohnheit ist wichtiger als die, Gottes gute Gaben mit Danksagung zu empfangen! „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“

Die tägliche Nahrung steht heute, am Erntedank­fest, natürlich im Mittelpunkt unseres Interesses. Am Ende einer Saat-und-Ernte-Zeit staunen wir wieder dankbar über den großen Segen, den Gott uns zugut hat wachsen lassen. Der Mensch kann nur einsammeln, ver­arbeiten, verpacken und verteilen; die Nahrung selbst lässt Gott wachsen. Aber wir tun gut daran, unsern Blick und Dank weiter schweifen zu lassen. Machen wir uns klar, wieviel Gott uns schenkt, damit wir überhaupt leben können und damit es uns so gut geht, wie wir es erleben! Denken wir an die praktische und schöne Kleidung, die wir haben! Denken wir an bequemes und robustes Schuhwerk! Denken wir an unsere Wohnungen und Häuser, an unsere Möbel und Ein­richtungs­gegen­stände! Denken wir an das riesige Waren­angebot in unseren Geschäften und im Internet! Denken wir an unser regel­mäßiges Einkommen – selbst wenn es nur bescheiden ist! Denken wir an Medizin und ärztliche Hilfe! Denken wir an Bücher, Information und Unter­haltung! Denken wir an die vielen Mitmenschen um uns herum, die unser Leben so reich machen und von denen wir auf die eine oder andere Weise so viel Hilfe erfahren! Denken wir auch an das, worüber man leicht schimpft und wofür man selten dankt: die guten Lebens­verhält­nisse in unserem Land, die guten Straßen, die öffentliche Ordnung, die kostenlosen Schulen, die Justiz, die Ver­sicherungen und den Frieden! „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich“ – von ihm kommt direkt oder indirekt all das Gute her, das uns leben lässt und das Leben schön macht. Wenigstens einmal am Tag sollte man sich das klar machen und Gott für das danken, was einem an diesem Tag bewusst geworden ist von seinen guten Gaben.

Besonders viel Freude macht das Danken, wenn man es gemeinsam tut. Ja, das macht uns selbst viel Freude und auch Gott. Er möchte, dass wir uns versammeln, um ihm zu danken, und dass wir gemeinsam unsere Stimme erheben. Darum heißt es auch nicht: „Danke dem Herrn!“, sondern: „Danket dem Herrn!“ Auch dem König David, der dieses Dankgebet erfunden hat, war es zu wenig, es allein zu sprechen oder zu singen. So ließ er den besten Chor antreten, den er finden konnte, um seinen Dank mit vielen Stimmen vor Gott zu bringen. Darum feiern wir hier auch zusammen Erntedank­fest, nicht jeder für sich in seinem Wohnzimmer. Darum singen wir hier auch gemeinsam zu Gottes Lob und haben einen Kirchen­chor, der dafür geübt hat. Wenn Gott es so über die Maßen gut mit uns meint und wenn er so freundlich zu uns ist, dann sollten wir auch versuchen, ihm so gut wie möglich dafür zu danken.

Wir tun es natürlich nicht nur einmal im Jahr zum Erntedank­fest. Eigentlich ist jeder Gottes­dienst immer auch ein Dank­gottes­dienst. Dabei lassen wir unsern Blick und unsern Dank dann noch weiter schweifen: „…und seine Güte währet ewiglich.“ Mit Paul Gerhardt singen wir: „Ach, denk ich, bist du hier so schön / und lässt du‘s uns so lieblich gehn / auf dieser armen Erden: / was will doch wohl nach dieser Welt / dort in dem reichen Himmelszelt / und güldnen Schlosse werden!“ Gottes Güte währet auch insofern ewiglich, dass er uns das Beste noch für die Zukunft aufhebt, für die ewige Seligkeit. Wir haben das ebensowenig verdient wie all die anderen guten Gaben, die wir jetzt schon empfangen. Aber durch Jesus Christus will er uns dann einen Segen schenken, der allen irdischen Erntedank­fest-Segen in den Schatten stellt. Und wie der Segen dann über die Maßen groß sein wird, so wird dann auch unser Dank über die Maßen groß werden, in einer über die Maßen großer Gemein­schaft. Alle Erlösten und alle Engel werden dann zu einem wunderbaren Chor werden. Wir können dabei sein – ebenso wie David, der Dichter dieses kleinen großen Dankgebets: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum