Von Gott angestellt

Predigt über Jeremia 1,9‑10 zum 9. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein reicher Mann hat einen schönen Garten. Zu dessen Pflege stellt er einen Gärtner an. Diesem Gärtner gibt er zwei Aufgaben: Erstens soll er das Unkraut ausjäten und alles heraus­reißen, was nicht mehr schön ist oder was nicht in den Garten passt; zweitens soll er neue Blumen und Sträucher anpflanzen. Der Garten­besitzer hat dem Gärtner als Arbeits­beschrei­bung also zwei Gebote gegeben: Du sollst ausreißen, und du sollst anpflanzen. Darüber hinaus rüstet er den Gärtner mit allem aus, was er für seine Arbeit braucht – unter anderem auch mit einem Spaten.

Gott hat mit Jeremia so gehandelt wie der Garten­besitzer mit dem Gärtner. Als er den jungen Mann zum Propheten berief, sprach er zu ihm: „Siehe, ich setze dich heute über Völker und König­reiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.“ Gott stellte Jeremia als seinen Boten an. Der „Garten“, in dem er tätig werden sollte, war die Welt, waren die Menschen – nicht nur Gottes aus­erwähltes Volk in den beiden Staaten Israel und Juda, sondern auch die Nachbar­völker und letztlich die gesamte Völkerwelt. Gottes Arbeits­beschrei­bung für Jeremia entspricht der Arbeits­beschrei­bung des Gärtners; es handelt sich auch in diesem Fall um die beiden Gebote: du sollst aussreißen, und du sollst anpflanzen. Natürlich beauftragte Gott den Propheten nicht damit, heilige Kriege an­zuzetteln, sondern er meinte es im über­tragenen Sinn. Wie Gott es gemeint hat, wird an der Ausrüstung klar, mit der Gott seinen Boten für diesen Auftrag aus­stattete. Gott rührte Jeremias Mund an und sagte: „Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ Gottes Wort ist das einzige Werkzeug, das Jeremia für seinen Beruf brauchte. Mit Gottes Wort sollte er im Garten der Menschheit ausreißen und neu anpflanzen. Gottes Wort war gewisser­maßen sein Spaten, den er in doppelter Hinsicht einsetzen konnte: Er konnte damit un­erwünschte Pflanzen ausgraben und er konnte damit erwünschte Pflanzen eingraben. Diese beiden Funktionen von Gottes Wort heißen Gesetz und Evangelium. Mit den Worten des Gesetzes sprach Jeremia Gottes Urteil über alle Sünder: Sie haben den Herrn enttäuscht und damit ihr Recht verwirkt, eine Pflanze in Gottes Garten zu sein. Mit den Worten des Evangeliums aber kündigte Jeremia Gottes Gnade und eine neue Chance für diejenigen unter den Sündern an, die zur Umkehr bereit waren und sich Gott mit neuem Vertrauen zuwendeten.

Wie Gott Jeremia zu seinem Gärtner machte, so hat er viele Propheten und viele weitere Boten in seinen Dienst gerufen. Auch die Apostel unsers Herrn Jesus Christus wurden angestellt, beauftragt und aus­gerüstet, um Gottes Wort weiterzusagen und auf diese Weise im Garten der Welt zu wirken. Christus trug ihnen auf: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe!“ (Matth. 28,20) In gleicher Weise stellt Gott noch heute Menschen als seine Boten an. Er tut es durch die christliche Kirche mit der Ordination zum öffent­lichen Predigtamt, zum Hirtenamt, zum Amt eines Pfarrers oder Pastors. So entspricht auch mein Beruf dem eines Gärtners: Gott hat mich dazu angestellt, im Garten seiner Kirche und im Garten der Welt auszujäten und an­zupflanzen. Für diesen Auftrag hat er auch mich mit seinem heiligen Wort aus­gerüstet. Es handelt sich grund­sätzlich um dieselbe Botschaft, die er einst dem Jeremia in den Mund legte: sein Gesetz und sein Evangelium. Auch ich muss allen Sündern ver­kündigen, dass sie den lebendigen Gott enttäuscht und damit ihr Recht verwirkt haben, eine Pflanze in seinem Garten zu bleiben. Und auch ich darf Gottes Evangelium und die Gnade des Herrn Jesus Christus all denjenigen Sündern verkünden, die zur Umkehr bereit sind und sich Gott immer wieder mit neuem Vertrauen zuwenden.

Wir brauchen Jeremias Berufung und die Anstellung eines Gärtners nun aber keineswegs auf Ver­kündigungs-Profis zu be­schränken. Gott stellt nicht nur Propheten, Apostel und Pastoren an, sondern er ruft alle Menschen in seinen Dienst. Dieser Dienst ist freilich nicht immer ein Ver­kündigungs­amt – also die Aufgabe, mit Gottes Wort auszujäten und neu an­zupflanzen. In Gottes Garten gibt es noch viele andere Aufgaben zu bewältigen, und ent­sprechend vielfältig sind die Berufe, für die Gott anstellt.

Grundlegend für uns alle ist der Beruf, ein Mensch zu sein und als solcher zur Ehre unseres Schöpfers zu leben. Schon der Säugling, der trinkt, schläft, schreit und wieder trinkt, ehrt mit diesen seinen natürlichen Lebens­äußerungen den lebendigen Gott. Dies haben alle Menschen gemeinsam an allen Orten der Welt und in ihrer gesamten Lebenszeit: dass sie berufen sind, zum Lobe ihres Schöpfers zu leben.

Wir Christen sind zusätzlich mit der Taufe berufen worden; da hat Gott uns gewisser­maßen als seine Kinder angestellt und als Bürger seines Reiches. Die „Tätig­keit“, die mit diesem Christen-Beruf verknüpft ist, ist eigentlich gar keine: Wir sollen es uns einfach gefallen lassen, dass Gott uns durch Jesus Christus von unseren Sünden reinwäscht, mit dem himmlischen Vater versöhnt und uns den Heiligen Geist schenkt. Der christliche Glaube ist keine Denkbarbeit und kein Willensakt, sondern einfach ein Sich-Fallen-Lassen in Gottes liebevolle Arme. Dass wir alle Tage mit solchem Vertrauen leben, das ist das Wichtigste an unserem Christen-Beruf, zu dem Gott uns mit der Taufe angestellt hat. Daraus ergibt sich dann, dass wir uns vom Heiligen Geist leiten lassen: Wir lernen beten, wir hören Gottes Wort, wir suchen die Gemein­schaft mit anderen Christen, wir feiern das Heilige Abendmahl und wir leben je nach Möglich­keiten und Gelegen­heiten als Zeugen unseres Herrn Jesus Christus.

Ja, und dann gibt es auch noch allerlei andere Berufe, zu denen wir angestellt sind. Sie unter­scheiden sich von Mensch zu Mensch, und sie unter­scheiden sich auch in den ver­schiedene Lebens­phasen. Es handelt sich dabei nicht immer um Berufe, bei denen man einen richtigen Arbeits­vertrag hat und mit denen man Geld verdienen kann. Das Kind hat den Beruf, seinen Eltern zu gehorchen und sie zu ehren. Der Schüler hat den Beruf zu lernen, ebenso wie der Student. Der Ehemann hat den Beruf, seiner Frau in Liebe zu dienen, und die Ehefrau hat den Beruf, ihren Mann als Haupt der Familie an­zuerkennen und ihm eine Gehilfin zu sein. Eltern haben den wichtigen Beruf, ihre Kinder mit allem nötigen zu versorgen, sie vor Gefahren zu schützen und sie zu erziehen; christliche Eltern sind dabei besonders zu einer christ­lichen Erziehung aufgerufen. Paten haben den Beruf, für ihre Patenkinder zu beten und bei der christ­lichen Erziehung mit­zuhelfen. Auch als Freunde, Nachbarn, Staats­bürger, Kunden oder Patienten haben wir Berufe. Immer geht es darum, den Mitmenschen liebevoll zu dienen und Gott dadurch zu ehren.

Alte und schwer kranke Menschen meinen manchmal, sie können gar keinen Beruf mehr ausüben, sondern fallen nur noch anderen zur Last. Wie Jeremia einst einwendete: „Ich bin zu jung für den Beruf“, so wenden sie ein: „Ich bin zu alt.“ Aber das stimmt nicht. Solange Gott einen Menschen auf dieser Welt leben lässt, stellt er ihn an, gibt ihm Aufgaben und rüstet ihn dann auch mit dem nötigen Handwerks­zeug dafür aus. Selbst wenn jemand den ganzen Tag lang im Bett liegen muss, so kann er doch seine Hände falten und Gott anbeten, dazu viele Dinge in der Fürbitte Gott anbefehlen. Beter sein ist ein ganz wichtiger Beruf; die Bibel stellt ihn uns nicht frei, sondern gibt uns immer wieder dieses Gebot. „Betet ohne Unter­lass!“, heißt es zum Beispiel im 1. Thessa­lonicher­brief (1. Thess. 5,17). Ja sogar wenn der Geist nicht mehr mitmacht, wenn Schmerzen oder Demenz das Beten vereiteln, kann ein Mensch noch zur Ehre Gottes leben. Er tut es, indem er diese schwere Zeit mit Geduld erträgt. Und wer diesen un­scheinbaren Beruf treu ausübt und sein Leiden demütig aus Gottes Hand nimmt, der leistet damit letztlich schwerere Arbeit als ein Maurer, ein Manager oder ein Spitzen­sportler.

Lieber Bruder, liebe Schwester: Auch dich hat Gott angestellt, auch dir gibt er Aufträge für dein Leben, auch dich rüstet er mit allem Nötigen für deinen Dienst aus, so wie er es einst mit Jeremia für dessen Dienst tat. Verweigern wir uns nicht, sonderen nehmen wir diesen Beruf mit Freuden an! Verzagen wir auch nicht, wenn wir scheitern oder wenn wir keinen Erfolg sehen! Leben wir einfach fröhlich weiter als Gottes­kinder aus der Kraft der Vergebung! Leben wir einfach fröhlich zur Ehre Gottes – unterwegs zu dem herrlichen Ziel, wo wir ihn einmal vollendet loben werden! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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