Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Was ist das Wichtigste, was unsere Köpfe lernen sollten? Antwort: Jesus Christus kennenlernen, und durch ihn den einen wahren Gott erkennen. Und was ist das Wichtigste, worauf wir unsere Herzen richten sollten? Antwort: Jesus Christus anbeten, und durch ihn den einen wahren Gott ehren. Und was ist das Wichtigste, was unsere Hände und Füße tun sollten? Antwort: Jesus Christus nachfolgen, und durch ihn dem einen wahren Gott dienen. Jesus Christus ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Jesus Christus ist der Dreh- und Angelpunkt jeder Predigt. Jesus Christus ist auch der Dreh- und Angelpunkt des heutigen Predigttextes. Lasst uns darum einmal dieses Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern in unsere Zeit und in unser Leben tragen. Lasst uns so tun, als ob Jesus seine Fragen nicht damals an Petrus und die anderen Jünger, sondern an uns heute gerichtet hätte.
Jesus fragt also – fragt mich und fragt dich: „Wer sagen die Leute, dass ich sei?“ Die Leute: die Frau an der Kasse, der Schüler auf der Straße, der Polizist im Streifenwagen, der Sachbearbeiter im Finanzamt, der Bürgermeister, der reiche Geschäftsmann, der Obdachlose – was sagen sie von Jesus? Was halten sie von ihm? Ich weiß nicht, wie ihr antworten würdet, aber mein Eindruck ist: Sie sagen eigentlich kaum etwa von Jesus; dieser Name gehört bei vielen gar nicht zum aktiven Wortschatz. Und manche nehmen den Namen unsers Herrn in den Mund, wenn sie etwas Spöttisches oder Verächtliches sagen. Wir könnten die Leute nun aus der Reserve locken, könnten sie fragen: Hey, sagt mal, was haltet ihr eigentlich von Jesus? Jesus möchte nämlich gern wissen, was ihr von ihm haltet! Als Jugendlicher habe ich das mit meinem Jugendkreis wirklich gemacht; wir befragten damals etwa 500 Personen, die uns zufällig auf der Straße begegneten. Wenn man das heute wiederholte, dann würde man wahrscheinlich erleben, dass die meisten nicht viel von Jesus wissen. Und das Bisschen, das sie wissen, bestünde dann oft auch nur aus kümmerlichen Vorurteilen, die sie irgendwo aufgeschnappt haben. Allerdings würde der eine oder die andere auch etwas Positives zu sagen haben. Von ihnen würden wir hören: Jesus war ein weiser Rabbi. Oder: Jesus war ein friedliebender Mensch, ein großes Vorbild wie Ghandi. Oder: Jesus war ein geistbegabter Gottesmann, ein begnadeter Wunderheiler. Oder: Jesus war ein bedeutender Prophet. Letzteres würden auch alle ernsthaften Muslime bestätigen. Wenn sie ihren Koran gut kennen, könnten sie hinzufügen: Jesus wurde von der Jungfrau Maria geboren, hat niemals gesündigt, tat Wunder und wird am Ende der Welt wiederkehren – all das steht nämlich von Jesus im Koran. Damit sind die Muslime näher dran an der Wahrheit als damals viele jüdische Zeitgenossen von Petrus und den anderen Jüngern. Die antworteten nämlich auf die Frage, was die Leute von Jesus halten: „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer; einige sagen, du seist Elia; andere, du seist einer der Propheten.“
Nun fragt Jesus weiter, und wieder stellen wir uns vor, dass er mich und dich fragt: „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?“ Ihr heutigen Jesus-Jünger, die ihr auf seinen Namen getauft seid und an ihn glaubt? Ihr heutigen Jesus Jünger, die ihr euch mehr oder weniger regelmäßig versammelt, um auf die Stimme eures Meisters zu hören und euch an seinen Tisch laden zu lassen? Was haltet ihr denn wirklich von Jesus, was bedeutet er für euch? Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich mit anderen Christen über solche Fragen spreche. Manchen von ihnen scheint es peinlich zu sein, wenn ich sie direkt auf ihren Glauben anspreche und sinngemäß so frage: Hey, sagt mal, was haltet ihr denn von Jesus? Jesus möchte gern wissen, was ihr von ihm haltet! Es kommt schon mal vor, dass mir ein Gesprächspartner dann antwortet: Darüber möchte ich nicht reden. Oft höre ich auch ausweichende Antworten. Da frage ich nach Jesus, und man antwortet mir über Gott und den Glauben und die Kirche und das Kirchenpersonal und die Gottesdienstübertragungen im Fernsehen. Manch einer antwortet aber auch mit leuchtenden Augen, und selbst wenn es eine recht einfältige und schlichte Antwort ist, spüre ich doch: Hier ist jemand, dem Jesus ganz besonders wichtig ist.
Was wäre denn die richtige Antwort? Wer ist Jesus wirklich, und was bedeutet er für uns? Da müssen wir nicht lange nachgrübeln, denn die rechte Musterantwort hat damals schon Simon Petrus gegeben, der Oberjünger, der Sprecher der anderen: „Du bist der Christus!“ Achtet genau auf die Worte! Petrus sagte nicht einfach: „Du bist Christus“, sondern: „Du bist der Christus!“ Christus ist nämlich keineswegs der Name unser Herrn und Meisters (der lautet Jesus), sondern es ist sein Ehrentitel, seine Berufsbezeichnung, sein einzigartiges Erkennungszeichen als der Erlöser, den Gott schon vor Zeiten versprochen hat zu senden. Eigentlich handelt es sich um den griechischen Begriff „ho christos“, auf Deutsch „der Gesalbte“. Das hebräische Wort „Messias“ bedeutet dasselbe. Um seine Bedeutung zu verstehen, müssen wir uns klar machen, was es mit der zeremoniellen Salbung in biblischen Zeiten auf sich hatte. Eine Salbung bedeutete, dass ein Mann durch feierliches Übergießen mit Salböl ein heiliges Amt übertragen bekam. Gott selbst übertrug es ihm durch seinen Diener, der die Salbung ausführte. Das Öl war dabei Sinnbild des Heiligen Geistes; mit ihm bevollmächtigte und befähigte Gott den Gesalbten für sein Amt. In erster Linie dachte man damals an das Amt des Königs; darum werden Könige in der Bibel öfters „Gesalbte“ genannt. Aber auch Priester und Propheten wurden für ihre Ämter gesalbt. Gleichzeitig kündigten Gottes Propheten immer deutlicher an, dass Gott einmal einen ganz besonderen König, Priester und Propheten schicken werde; ja, er selbst werde mit diesem besonderen Gesalbten zu den Menschen kommen. Zu Jesu Zeiten hatte sich für diesen Erlöser bereits fest der Messias-Titel etabliert; man wartete auf den Messias, den Gesalbten, den Christus. Und man wartete nicht vergeblich. Jesus selbst und seine Jünger bezeugten eindeutig, dass er es ist und dass sich mit ihm erfüllt, was Gott angekündigt hat. Petrus sprach es stellvertretend für alle Jünger aus, auch für uns heutige: „Du bist der Christus!“ Dieses Bekenntnis ist das christliche Urbekenntnis, der Felsengrund und Eckstein der christlichen Kirche, ja, des gesamten neuen Gottesreiches, das mit Jesu Kommen angebrochen ist. Um dieses Bekenntnisses willen erhielt der Fischer Simon den Beinamen „Fels“, auf griechisch „Petrus“. Gefragt nach Jesus, können wir auch heute keine bessere Antwort geben als Simon Petrus, und wir tun es auch immer wieder, wenn wir sprechen: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn…“
Nun ist die Geschichte aber noch nicht ganz zu Ende. Nach dem Bekenntnis des Petrus vermerkt der Evangelist Markus: „Und Jesus gebot ihnen, dass sie niemanden von ihm sagen sollten.“ Das ist merkwürdig. Eigentlich will Jesus doch, dass sein Evangelium unter allen Völkern ausgebreitet wird. Um diese merkwürdige Anweisung zu verstehen, müssen wir das Gespräch aus unserer Zeit wieder dahin zurückbringen, wo es hingehört: in die Zeit vor Jesu Tod und Auferstehung nämlich. All das, was fromme Muslime von Jesus glauben, war damals schon eingetreten: Er war von der Jungfrau Maria geboren worden und hatte sich als gerechter Mensch erwiesen, darüber hinaus als großer Prophet und Wundertäter. Aber etwas Entscheidendes stand ihm noch bevor: die Erlösung der Menschheit von ihrer Sündenschuld durch sein Sterben am Kreuz sowie auch seine Auferstehung von den Toten drei Tage später. Das aber ist der Kernpunkt des Evangeliums auch heute, auch für mich und für dich: Jesus ist der Christus, der meine Sünden getragen und mich auf diese Weise mit dem Vater im Himmel versöhnt hat. Jesus ist der Christus, der in Ewigkeit lebt und als König alle Macht im Himmel und auf Erden ausübt. Jesus ist der Christus, unter dessen liebevoller Herrschaft ich jetzt schon lebe und einmal im Himmel Gott loben werde in ewiger Seligkeit. Da merken wir: Vor dem Tod Jesu konnte noch niemand ganz verstehen, wer der Christus eigentlich ist und was er tut. Darum gab Jesus seinen Missionsbefehl erst nach seiner Auferstehung. Da gebot er dann den Jüngern, dass sie allen von ihm sagen sollten. Dies gilt bis heute: Alle Leute sollen erfahren, wer Jesus wirklich ist: der Christus, der Gesalbte, der König, der Erlöser, der lebendige Herr. Ja, wirklich alle sollen es erfahren: die Frau an der Kasse, der Schüler auf der Straße, der Polizist im Streifenwagen, der Sachbearbeiter im Finanzamt, der Bürgermeister, der reiche Geschäftsmann, der Obdachlose und auch die Muslime. Aus diesem Grunde gibt es die Kirche, gegründet auf dem Bekenntnis der Apostel – einschließlich des „Felsenmannes“ Simon Petrus. Amen.
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