Hört nicht auf falsche Propheten

Predigt über Jeremia 23,16‑29 zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Evangelium des heutigen Sonntags vom reichen Mann und vom armen Lazarus macht deutlich: Man sollte auf die Worte der Propheten hören, sonst landet man in der Hölle. Im Predigttext aber vernehmen wir scheinbar das genaue Gegenteil: „Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen!“ Das gibt es ja manchmal in der Bibel: Da steht an einer Stelle eine bestimmte Aussage, und an einer anderen Stelle finden wir das Gegenteil. Spötter sagen: Da habt ihr es, die Bibel ist un­zuverläs­sig, denn sie wider­spricht sich selbst! Wir aber halten daran fest: „Dein Wort ist wahr und trüget nicht / und hält gewiss, was es ver­spricht.“ Wenn wir in der Bibel auf Gegensätze stoßen, dann liegt das Problem nicht bei der Bibel, sondern bei uns. Und wenn wir dann fleißig weiter­forschen in Gottes Wort und dabei um den Heiligen Geist bitten, dann geschieht es früher oder später, dass wir verstehen, wie es gemeint ist und wie das zusammen­gehört, was anfangs nich zusammen­zupassen schien. So ist das auch bei den scheinbar gegen­sätzlichen Aussagen „Hört auf die Propheten!“ und „Hört nicht auf die Pro­pheten!“. Es gibt nämlich zwei Sorten von Propheten: Echte Propheten und falsche Propheten. Das Wort aus dem Buch Jeremia, das wir hier bedenken, handelt von der zweiten Sorte, und darum heißt es: „Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen!“ Auf die echten sollen wir hören, auf die falschen nicht. Die echten Propheten sind von Gott gesandt und predigen, was sie von Gott gehört haben. Über die falschen Propheten aber urteilt Gott durch Jeremia: „Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie.“

Gott warnte damals durch Jeremia vor falschen Propheten. Auch Jesus hat ein­dringlich vor ihnen gewarnt, vor den „Wölfen im Schafs­pelz“, wie er sie nannte. Diese Warnungen sind bis in unsere Gegenwart hinein gültig und wichtig. Auch wenn wir heute die Leute, die im Namen Gottes reden, meistens nicht mehr „Propheten“ nennen, müssen wir dennoch auf der Hut sein, wem wir vertrauen und wem nicht. Es gibt ja so viele spirituelle Botschaften um uns herum. Sie begegnen uns in Büchern, in Zeit­schriften und auf Fernseh­bildschir­men; sie werden in Schulen und Seminaren verbreitet; sie kommen manchmal auch ganz informell als sogenannte gute Ratschläge von Bekannten. Sogar in christ­lichen Kreisen oder unter dem Anschein wissen­schaft­licher Theologie wird Falsches und Schädliches verbreitet. Viele fallen auf die falschen Propheten herein und helfen dann mit, das zu verbreiten, was nicht Gottes Wille ist. Uns aber, liebe Brüder und Schwestern, liegt es am Herzen, dass wir Falsches abwehren und Gottes echtes Wort hören. Das geht nur, wenn wir die Geister prüfen und unter­scheiden lernen, wie es uns die Bibel aufträgt. Hört nicht auf die falschen Propheten, hört aber auf die wahren Propheten, die euch Gottes echtes Wort ver­kündigen. Wie aber können wir beides unter­scheiden? Der Abschnitt aus dem Buch Jeremia gibt uns dafür drei Anhalts­punkte an die Hand.

Erstens: Das echte Wort Gottes ist wie Schwarz­brot, nicht wie Sahnetorte. Schwarzbrot ist nahrhafter und gesünder, aber man muss es gut kauen; es geht nicht so leicht ein wie Sahnetorte. So ist das auch bei Gottes echtem Wort: Es geht uns nicht so glatt ein wie Gedanken mensch­licher Vernunft. Falsche Propheten werden immer darauf achten, dass ihre Worte ein­leuchten, sodass man ihnen leicht zustimmen kann. Ich selbst kenne als Gottes Bote die Versuchung, Gottes Wahrheit mundgerecht zu machen, Un­angeneh­mes zu ver­schweigen und schwer Ver­dauliches für den mensch­lichen Verstand zurecht­zubiegen. So muss ich auch bei mir selbst immer wieder lernen, die Geiste zu unter­scheiden. Nehmen wir zur Kenntnis: Falsche Botschaften richten sich nicht nach Gottes Wahrheit, sondern nach dem mensch­lichen Herzen; das hat aber nur einen sehr engen Horizont und ist zudem von Sünde verdunkelt. Gott warnt durch Jeremia: „Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn.“ Wenn also eine religiöse Botschaft zu glatt und ein­leuchtend ist, sollten wir miss­trauisch werden: Wahr­scheinlich handelt es sich um Menschen­lehre und nicht um das echte Wort Gottes. Außerdem wecken falsche Propheten Hoffnung auf Dinge, die sie sich selbst wünschen, und nicht auf die Dinge, die Gott selbst verheißen hat. Gott warnt durch Jeremia: „Ich höre wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.“ Heutzutage wird immer wieder der Traum gepredigt, dass eines nicht allzu fernen Tages die ganze Menschheit in Einigkeit, Frieden und Freiheit leben wird und dabei alles tolerieren, was die Freiheit der Mitmenschen nicht unmittelbar ein­schränkt. Das ist aber nicht Gottes Verheißung für diese Welt. Den voll­kommenen Frieden wird es erst in der ewigen Seligkeit geben. Wir lesen bei Jeremia: „Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der Herr.“ Das echte Wort Gottes ist wie Weizen und wie Schwarz­brot, nicht wie Stroh und wie Sahnetorte.

Zweitens: Das echte Wort Gottes ist wie ein Feuer, nicht wie ein Kühl­schrank. Ein Feuer verändert alle Dinge, ein Kühlschrank konserviert sie. So ist das auch mit den Botschaften echter und falscher Propheten: Die echten Propheten predigen Umkehr und zielen damit auf Ver­änderung, die falschen Propheten aber sagen dem Menschen: Bleib, wie du bist. Auch diese Versuchung kenne ich in Seelsorge und Predigt: Ich will niemandem weh tun und neige deswegen dazu, den Leuten nach dem Mund zu reden, sie in ihren bisherigen Meinungen und Wegen zu bestärken. Wenn also eine religiöse Botschaft die Menschen nur dazu ermutigt, so weiter­zumachen wie bisher, dann können wir sie als falsche Prophetie entlarven. Das echte Wort Gottes ist anders: Es ruft zur Buße, es will verändern, es will reinigen, es will läutern. Gottes Wort ist ein Läuterungs­feuer, das ver­unreinigte Edelmetalle schmilzt, damit sich alle Ver­unreini­gungen vom Gold und Silber trennen. Martin Luther hat richtig erkannt, dass Gott von uns Menschen nicht eine einmalige Bekehrung, sondern eine tägliche Umkehr erwartet, einen täglichen Neuanfang unter dem läuternden Einfluss seines Wortes. Gott spricht durch Jeremia: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer?“ Ja, das echte Wort Gottes ist ein ver­änderndes Feuer, kein konser­vierender Kühl­schrank.

Drittens: Das echte Wort Gottes ist wie ein Hammer, nicht wie ein Pinsel. Ein Hammer schlägt, meißelt und zertrümmert, ein Hammer wirkt mit Gewalt; ein Pinsel dagegen ist harmlos. Mit einem Pinsel kann man alte und hässliche Gegenstände einfach übertünchen und so tun, als ob sie neu und schön sind. Wenn ein Haus völlig verkommen ist, dann nimmt man am besten den Vorschlag­hammmer, reißt es ab und baut etwas Neues. Man kann es natürlich auch einfach nur frisch anpinseln, wird dann aber nicht lange Freude daran haben. Wie gesagt: Gottes Wort verändert, und zu dieser Veränderung gehört nun mal gewaltsame Zerstörung. Denkt an die Sintflut, denkt an den Untergang von Sodom und Gomorrha, denkt an das an­gekündigte Endgericht! Falsche Prophetie klammert Gottes Zorn aus und verharmlost damit sein Wort. Falsch Prophetie neigt dazu, Gottes Gnade als billige Gnade zu ver­kündigen. Auch diese Versuchung kenne ich in meinem Dienst als Ver­kündiger: Ich predige viel lieber die angenehme und fröhliche Seite des Evan­geliums, als dass ich von Gottes Zorn rede. Aber wenn Gottes Zorn ver­schwiegen wird, dann wissen wir gar nicht mehr, wovon Jesus uns eigentlich erlöst hat, und dann erscheint das Evangelium wertlos. Religiöse Bot­schaften, die Gottes Zorn und Gericht ausklammern oder gar aus­drücklich abstreiten, erweisen sich als falsche Prophetie. Jeremia machte klar: „Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohlgehen – ‚ und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.“ Jeremia selbst wusste es besser; Gott selbst hatte es ihm offenbart und ihn mit einer harten Botschaften zu den Menschen gesandt. Auch wenn es ihm unsäglich schwer fiel, predigte Jeremia doch nichts anderes, als was er predigen musste: „Siehe, es wird ein Wetter des Herrn kommen voll Grimm und ein schreck­liches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen nieder­gehen. Und des Herrn Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen… Ist mein Wort nicht… wie ein Hammer, der Felsen zer­schmeißt?“ Ja, das echte Wort Gottes ist wie ein Hammer, nicht wie ein Pinsel.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, durch Jeremia lehrt uns Gott, die Geister zu prüfen und die Wahrheit von falscher Prophetie zu unter­scheiden. An drei Merkmalen können wir Gottes echtes Wort erkennen: Es muss geistig gekaut werden wie Schwarzbrot und geht dem Verstand nicht leicht ein wie Sahnetorte. Es verändert uns Menschen wie Feuer und konserviert uns nicht wie ein Kühl­schrank. Was verdorben und gottlos ist, zerstört es wie ein Vorschlag­hammer und übertüncht es nicht wie ein Maler­pinsel. Nur so baut Gott das Neue, das Wunderbare, das Herrliche, das Friedliche: sein Reich durch Jesus Christus. Lassen wir Gottes Wort an uns arbeiten! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum