Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände

Predigt über Lukas 23,46 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Seht euch eure Hände an: Was sind das für wunderbare Werke des Schöpfers! Was können wir alles damit machen! Unsere Hände können schwere Koffer tragen und winzige Schräubchen eindrehen. Unsere Hände können musizieren und Strümpfe stricken. Unsere Hände können streicheln und den richtigen Weg weisen. Unsere Hände können, wenn wir reden, das Gesagte unter­streichen oder Dinge in die Luft malen, für die wir keine Worte finden. Unsere Hände können Geschenke in Empfang nehmen und sich zum Gebet falten.

Auch Jesus hat in seinem Erdenleben zwei so wunderbare Hände gehabt. Sie haben gepredigt, gesegnet, geholfen, geheilt und gebetet. Nun sind sie, von Nägeln durchbohrt, ans Kreuz geheftet. Nun kann Jesus nichts mehr mit seinen Händen machen; nun sind sie machtlos, stillgelegt wie die Füße und wie der ganze Körper. Nur Jesu Mund bleibt noch aktiv und spricht; er redet diese wunderbaren sieben Worte am Kreuz. Wir betrachten jetzt sein siebentes und letztes Kreuzeswort: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ Wieder ist es ein Gebet, ebenso wie das erste und das vierte Kreuzes­wort. Anfang, Mitte und Ende der Passion sind von Jesu Beten geprägt.

Jesus betet hier Worte, die er wohl schon unzählige Male vorher gesprochen hat. Es handelt sich um das übliche Abendgebet der Juden, ein Vers aus Psalm 31: „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Jesus fügt von sich aus noch die Anrede „Vater“ hinzu – so hat er seine Jünger beten gelehrt, und so betet er selbst: „Vater!“ Es ist ein Gebet des Vertrauens. Wer sich abends zur Ruhe legt, ist die Nacht über darauf angewiesen, dass andere Hände ihn beschützen, denn er selbst ist im Schlaf machtlos. Aber welche Hände könnten einen Menschen besser beschützen als die Hände, die einst den Adam aus Erde formten? Es sind Hände, die Dorothea Steigerwald mit ihren berühmten Ton-Plastiken groß und kräftig dargestellt hat. In diesen Händen befinden sich oft Kinder­gestalten – ganz entspannt, ganz geborgen in den Händen des Vaters. „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“

Dieses Gebet des Vertrauens, normaler­weise gesprochen am Abend des Tages, passt erst recht zum Abend des Lebens. Der 31. Psalm selbst gibt Anlass, das Ende des Lebens zu bedenken, denn in ihm finden wir auch das bekannte Wort: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Die ganze Lebenszeit über bis hin zum letzten Atemzug sind wir darauf angewiesen, dass Gottes starke Hände uns beschützen. Und was danach kommt, liegt ganz in seinen Händen. Wenn die Seele einschläft und sich vom Körper löst, dann hat sie keine Hände mehr, um selbst zu handeln, sondern sie ist ganz Gott aus­geliefert. So betet Jesus als Letztes kurz vor seinem Tod: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ Obwohl sein Geist wenig zuvor erlebt hat, was es heißt, von Gott verlassen zu sein, spricht er vertrauens­voll diese Worte und liefert sich den Händen seines himmlischen Vaters aus.

Was aber tun diese Hände mit Jesus? Wie handelt der Vater nun an seinem ein­geborenen Sohn?

Er erhöht ihn. Er präsentiert ihn der Hölle als Sieger, als Überwinder des Todes. Er reißt ihn heraus aus dem Grab am Oster­morgen. Er zieht ihn zu sich empor in sein ewiges Reich. Er setzt ihm die Krone des All­herrschers auf und lässt ihn zu seiner Rechten thronen. Ja, all das tun Gottes Hände mit Christus – die Hände, in die der Herr seinen Geist befohlen hat. Des Vaters Hände machen, dass Christi Hände wieder kräftig und mächtig werden – allmächtig.

Aber Gottes Hände machen noch mehr. Ein altes Pfingstlied singt vom Heiligen Geist: „Du bist mit Gaben siebenfalt der Finger an Gotts rechter Hand.“ Ja, der Heilige Geist ist gewisser­maßen Gottes rechter Zeige­finger, ein Wegweiser hin zu gutem Leben, zu ewigem Leben. Der Heilige Geist weist uns durch das Evangelium darauf hin, dass der himmlische Vater den ge­kreuzigten Jesus nicht nur einfach erhöht hat, sondern dass er ihn für uns erhöht hat – also zu unserer Erlösung, zu unserem Heil. So präsentiert uns Gott den Heiland, der für uns gestorben und auf­erstanden ist. Jesus wusste das, als er am Kreuz betete: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Er betete dieses siebente und letzte Kreuzeswort also nicht nur im Vertrauen darauf, dass Gott seine Seele über den Tod hinaus bewahren und zu neuem Leben führen wird, sondern auch im Vertrauen darauf, dass er ihn der Welt zum Heiland setzt.

Dies bezeugt uns der Heilige Geist bis zum heutigen Tag. Zwar tut er es durch Menschen­hände, aber wir können darauf vertrauen, dass eigentlich Gottes Hände handeln. Wenn die Hände des Pastors einen Menschen taufen, dann taufen eigentlich Gottes Hände. Wenn die Hände des Pastors auf dem Kopf des Beichtenden den Zuspruch der Sünden­vergebung unter­streichen, dann ist im Himmel gelöst, was auf Erden gelöst wird. Wenn die Hände des Pastors sich segnend über die Gottes­dienst­gemeinde erheben, dann hebt Gott seine Hände schützend und helfend über sein Volk. Und wenn die Hände des Pastors die Abendmahls-Hostie austeilen und den gesegneten Kelch reichen, dann teilen Gottes Hände den Leib und das Blut dessen aus, der am Kreuz seinen Geist diesen Händen anbefohlen hat.

Wenn wir das alles vertrauens­voll aus Gottes Händen entgegen­nehmen, dann werden wir nicht nur heilig und selig, sondern dann werden wir zugleich ein Leib im Herrn Jesus Christus – ein Leib mit vielen Gliedern. Dann geschieht es, dass Gott uns seine Hände werden lässt, die in ihrem Handeln seiner Liebe Ausdruck geben. Unsere Hände können dann zu Gottes Ehre Koffer tragen, musizieren oder den richtigen Weg weisen. Und wenn wir sie abends nach getaner Arbeit in den Schoß legen, dann können wir uns zur Nacht vertrauens­voll dem Schutz Gottes anbefehlen mit den Worten: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“, und dann können wir ohne Sorgen ein­schlafen. Und wenn unsere Hände einst ganz kraft- und machtlos sein werden und die letzte Stunde naht, dann können wir uns erst recht in die Hände des Vaters befehlen, wie Jesus es am Kreuz getan hat. Wir dürfen dabei gewiss sein: Wie er den Herrn erhöht hat zu ewigem Leben in seinem himmlischen Reich, so wird er es auch mit uns machen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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