Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Viele Menschen können nachempfinden, was Klärchen in Goethes Trauerspiel „Egmont“ äußerte: „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.“ Ja, auf und ab geht es auf der Achterbahn der Gefühle. Aber nicht nur unsere Stimmungen sind Schwankungen ausgesetzt, sondern das gesamte Leben lässt sich als eine Abfolge von Hochs und Tiefs beschreiben. Das gilt sogar für ganze Völker: Bedenkt nur, welche Achterbahnfahrt das deutsche Volk in den letzten hundert Jahren hinter sich hat. Das Auf und Ab des Lebens ist etwas typisch Menschliches. Gott ist ihm nicht unterworfen; Gott ist beständig oben, der Höchste und der Ewige. Eigentlich müsste ich sagen: Gott bräuchte dem Auf und Ab des Lebens nicht unterworfen zu sein. Denn er hat sich ja trotzdem der menschlichen Achterbahnfahrt unterzogen, als er seinen eingeborenen Sohn in die Welt sandte. Genau genommen war das kein Auf und Ab, sondern ein Ab und Auf: Erst erniederigte sich der Gottessohn, dann wurde er erhöht. Freiwillig hat er sich diesem menschlich-zeitlichen Schicksal unterworfen, um uns zu erlösen.
Von diesem Ab und Auf des Herrn Jesus Christus hat der Apostel Paulus Zeugnis gegeben. Er tat es mit diesen wunderbaren Hymnus im Philipperbriefs, der als Christus-Psalm bekannt geworden ist. Da heißt es: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ Jesus hat es nicht so gemacht wie ein Raubtier, das seine Beute festklammert und um keinen Preis wieder loslässt: Er hat sein Hoch-Sein im Himmel nicht wie einen Raub festgeklammert, sondern die Himmelsfreuden willig aufgegeben, um unser Menschenbruder zu werden. Er unterwarf sich allen Höhen und Tiefen eines Menschenlebens – mit der einen Ausnahme, dass er der Versuchung zur Sünde niemals nachgab. Auch starke Stimmungsschwankungen blieben ihm nicht fremd; er kannte beides: himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt sein. Übrigens hat Goethe den zweiten Teil dieses berühmten Ausspruchs nicht selbst erdacht, sondern er hat ihn in der Bibel gefunden. Da heißt es nämlich von keinem anderen als vom Gottessohn Jesus Christus selbst: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“ (Matth. 26,38). Im Garten Gethsemane sprach er so, in der Nacht vor seinem Kreuzestod. Das führt uns zur tiefsten Stufe von Christi Erniedrigung. Im Christus-Psalm heißt es: „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Der Tod wäre er ihm erspart geblieben, wenn er sich nicht auf das Menschsein eingelassen hätte. Um aber wirklich in die tiefste Tiefe zu gehen, in die ein Mensch je geraten kann, ließ er sich auf den denkbar schändlichsten und qualvollsten Tod ein: die Hinrichtung am Kreuz, am Galgen der Antike. Soweit die Abwärts-Bewegung, die Erniedrigung des Herrn, als Sühne für unsere Sünden.
Danach folgte die große Aufwärts-Bewegung, die Erhöhung. Der Christus-Psalm beschreibt diese Wende so: „Darum hat ihn auch Gott erhöht…“ Der Vater hat ihn nicht nur auferweckt von den Toten, sondern er hat ihn auf den denkbar höchsten Platz gesetzt: auf den Thron zu seiner Rechten. Damit ist Jesus der höchste Machthaber im Himmel und auf Erden, der höchste Machthaber überhaupt. Was für ein Aufstieg, was für eine Erhöhung: vom qualvollen Verbrechertod am Kreuz hin zum höchsten Königsthron! Der Christus-Psalm formuliert das so: „Gott hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Mit „Name“ ist hier ein Ehrentitel gemeint, so wie es redensartlich heißt: „alles, was Rang und Namen hat.“ Es ist nicht der Name Jesus, sondern es ist Gottes Name Jahwe, der manchmal irrtümlich auch Jehovah genannt wird. Aus Ehrfurcht vor diesem allerhöchsten Namen haben die Gläubigen es sich angewöhnt, ihn nicht direkt auszusprechen, sondern ihn mit dem Begriff „der Herr“ zu umschreiben. Darum heißt es schließlich im Christus-Psalm, dass sich in dem Namen, den Jesus bekommen hat, „beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Ja, Jesus ist Jahwe, der eine Gott, der Ewige und Allmächtige und Höchste, eben der Herr. Er ist der Herr nicht nur aller Gläubigen und nicht nur aller Lebendigen, sondern er ist ist der Herr über alle und alles: über die Engel, die im Himmel sind, über Gläubige und Ungläubige auf Erden sowie auch über alle bereits Verstorbenen, die „unter der Erde“ sind. Wer sich ihm nicht freiwillig und vertrauensvoll unterwirft, der wird eines Tages vor ihm gezwungenermaßen auf die Knie gehen müssen, nämlich wenn Christus wiederkommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – so schwankend sind wir Menschen. Wie gehen wir richtig damit um? Nur so, dass wir uns in jeder Lage auf das Ab und das Auf Christi besinnen sowie auf sein Herr-Sein. Wenn wir himmelhoch jauchzend sind, dann lasst uns dabei nicht hochmütig werden, sondern uns demütig dem Herrn unterordnen, wie Paulus in der Einleitung zum Christus-Psalm schreibt: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“ Und wenn wir zu Tode betrübt sind, dann lasst uns darauf besinnen, dass Christus einmal für uns zu Tode betrübt war und wirklich den Tod aufs Bitterste geschmeckt hat. Er tat es, damit uns die tiefste Tiefe erspart bleibt, nämlich der ewige Tod, und damit wir mit ihm mit-erhöht werden zur ewigen Seligkeit. Amen.
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