Frieden und Gerechtigkeit

Predigt über Psalm 72 zum Epiphaniasfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was haben der Papst und die Linkspartei gemeinsam? Beide fordern Frieden und Gerechtig­keit für die Welt. Alle Menschen wollen Frieden und Gerechtig­keit. Sie begehren es vor allem dann, wenn sie von Kriegen und Un­gerechtig­keit hören oder gar selbst betroffen sind. Nehmen wir zum Beispiel den Nahen Osten: Seit fast zwei Jahren tobt dieser grausame Krieg in Syrien, und der Bevölkerung widerfährt himmel­schreiendes Unrecht. Und seit vielen Jahrzehnten herrscht Unfrieden im Umkreis jener Stadt, die „Gründung des Friedens“ heißt, auf Hebräisch Jerusalem. Israelis und Palästi­nenser werfen sich gegenseitig Unrecht vor. Ach, dass doch im Nahen Osten und in der ganzen Welt Frieden und Gerechtig­keit einzögen! Aber auch wenn alle das wollen: Es ist offenbar sehr schwer, es zu ver­wirklichen. Manche Menschen träumen davon, dass sich irgenwann das Gute wie von selbst durchsetzt bei den Menschen. Sie träumen davon, dass die Streithähne sich durch mahnende Appelle zur Vernunft bringen lassen, gleich ob diese Appelle vom Papst oder von der Linkspartei kommen. Die Erfahrungen aus der Menschheits­geschichte geben dieser Hoffnung allerdings kaum Nahrung. Wenn Frieden und Gerechtig­keit herrschen, dann nur, weil sie von starken und klugen Regierungen durch­gesetzt und aufrecht erhalten werden. Auch in Syrien und an den anderen Krisen­herden der Welt wird es nur dann wirklich Frieden und Gerechtig­keit geben, wenn klar ist, wer den Hut aufhat – falls es weise Leute sind, die ver­antwort­lich handeln und zugleich ihre Macht zu behaupten können.

Im Römischen Reich herrschte vor 2000 Jahren Frieden. Zu verdanken war er einem mächtigen Kaiser, den man auch „Friedens­kaiser“ nannte: Gaius Octavius Augustus, der Mann mit der Schätzung zu der Zeit, als Jesus geboren wurde. Gerecht kann man seine Regierung allerdings kaum nennen; er schaffte Frieden vielmehr durch Unter­drückung. Dabei halfen ihm Unter­könige, die er in allen Provinzen seines riesigen Reiches einsetzte. Einer von ihnen hieß Herodes und residierte in Jerusalem. Weder von ihm noch von Augustus erwartete das Jüdische Volk Gerechtig­keit. Vielmehr hoffte man auf einen anderen König, den die Propheten voraus­gesagt hatten: einen Sohn aus der Dynastie Davids, des einst so mächtigen Herrschers von Jerusalem. Der würde mit starker Hand regieren und Frieden und Gerechtig­keit bringen. Zur selben Zeit be­obach­teten im Mittleren Osten drei Sterndeuter am nächtlichen Himmel eine ganz besondere Konstel­lation, die wie ein einziger heller Stern erschien. Die weisen Leute erkannten: Dieser Stern kündigt die Geburt eines Königs im Volk der Juden an. Natürlich kannten diese gelehrten Männer die Weis­sagungen der Propheten Israels und fragten sich, ob wohl jetzt der geboren sei, der Frieden und Gerechtig­keit bringen würde. Sie wollten sich selbst ein Bild machen, reisten nach Jerusalem und erkundigten sich bei Herodes nach einem neu geborenen Prinzen. Der Rest der Geschichte ist bekannt; wir haben sie in der heutigen Evangeliums­lesung gehört.

Etwa tausend Jahre vorher lebte in Jerusalem, der Stadt mit dem Namen „Gründung des Friedens“, ein Prinz, dem seine Eltern den Namen „sein Friede“ gegeben hatten, auf Hebräisch Salomo. Sein Vater war der große König David, und sein Erzieher war der weise Prophet Nathan. Nathan wird dem Königssohn immer wieder erzählt haben, was Gott ihm einst im Traum gezeigt hatte: Ein Nachkomme Davids wird einmal mächtig herrschen; dabei wird er der ganzen Welt Frieden und Gerechtig­keit bringen. Nathan war somit der erste in der langen Reihe von Propheten, die den Davidssohn voraus­gesagt hatten. Der junge Salomo wird sich gefragt haben, ob sich diese Verheißung auf ihn selbst bezieht, den Kron­prinzen. Aber er war weise und demütig genug zu erkennen, dass wohl doch ein anderer gemeint sein muss, ein Größerer. Zwar regierte Salomo das Volk Israel gerecht und friedlich, ja, er führte es sogar zu einer noch nie gesehenen Blüte. Aber das verheißene ewige Friedens­reich für alle Völker der Welt, das konnte er nicht aufrichten. So gab er denn unter dem Einfluss des Heiligen Geistes die Davids­sohn­verheißung einfach nur weiter und wurde dabei selbst zum Propheten. Der 72. Psalm ist Salomos herrliche Prophe­zeiung von dem König und Davidssohn, der einmal dauerhaft Frieden und Gerechtig­keit für die ganze Welt bringen wird.

Im Wesent­lichen sind es drei Dinge, die Salomo voraussagt: Er kommt, er hilft, er herrscht.

Erstens: Der König kommt. Salomo prophe­zeite: Er kommt von den Bergen her, vom Bergland Judäas. Dort liegt das Städtchen Bethlehem, wo Jesus geboren wurde. Dort liegt auch die Stadt Jerusalem, wo Jesus starb, auferstand und gen Himmel fuhr. Dort befand sich der Tempel, von dem Gott versichert hatte: Hier könnt ihr zu mir beten, hier werdet ihr mich finden mit meiner Gnade und Güte, mit meiner Liebe und Treue. Der König kommt also von daher, wohin der Stern die Weisen geleitet hatte: aus Israel, aus Judäa, aus der Davidsstadt Bethlehem. Zugleich kommt er vom Himmel herab, von Gott dem Vater. Er ist nicht nur ein Menschen­sohn, nämlich ein Davidssohn und Mariensohn, sondern zugleich auch Gottes Sohn. Er kommt vom Himmel herab wie ein fruchtbarer Regen. Wo das Land diesen Regen aufnimmt, da beginnt es zu blühen. Salomo verhieß: „Zu seiner Zeit soll blühen die Gerechtig­keit und großer Friede sein.“

Zweitens: Der König hilft. Wie gesagt: Er bringt von oben herab Frieden und Gerechtig­keit. Er sorg dafür, dass die Elenden und Bedrängten zu ihrem Recht kommen. Er befreit die Unter­drückten. Dabei hilft er nicht nur einem bestimmten Volk, nicht nur den Juden und nicht nur den Nachfahren Israels. Nein, er hilft allen, die ihn um Hilfe bitten. Alle Menschen sind ihm gleich wertvoll. So bringt er Frieden und Gerechtig­keit für die ganze Welt. Er hilft allen ohne Ansehen der Person. Salomo verheißt am Ende seines pro­phetischen Psalms: „Durch ihn sollen gesegnet werden alle Völker, und sie werden ihn preisen.“ Indem Salomo dies sagt, geht er in Gedanken noch einmal tausend Jahre zurück. Er denk an Israels Stammväter Abraham, Isaak und Jakob. Allen dreien hat Gott nach­einander verheißen: „In dir sollen gesegnet werden alle Ge­schlechter auf Erden“ (1. Mose 12,3). Der Davidssohn ist der Segens­bringer aus Abrahams, Jakobs und Davids Geschlecht: der König Jesus Christus. Und sein Segen besteht aus Frieden und Gerechtig­keit, wonach sich alle Menschen sehnen.

Drittens: Der König herrscht. Seine Gerechtig­keit und sein Friede bringen Frucht an allen Orten. Dafür preisen ihn Menschen aus allen Völkern und beten ihn an. Auch unterwerfen sich Menschen aller Gesell­schafts­schichten seiner Herrschaft. Nicht nur die Elenden und Bedrängten preisen ihn, sondern auch Reiche, Weise und Könige. Das hat sich schon bei seiner Geburt gezeigt: Die Hirten kamen stell­vertretend für alle Elenden und Bedrängten der Welt zur Krippe, die Weisen aus dem Morgenland stell­vertretend für alle Reichen, Weisen und Mächtigen der Welt. Alle beugen sie ihre Knie vor dem göttlichen Könige, alle unterwerfen sich ihm, alle bringen Geschenke – so wie es damals Könige zu tun pflegten, wenn sie sich der Macht eines höheren Königs unter­warfen. Und Christus ist ohne Zeifel der höchste Herrscher: Nicht nur, dass sich seine Herrschaft über alle Völker erstreckt, sondern sie währt auch für immer. Salomo prophe­zeite, dass er herrschen wird, solange Sonne und Mond scheinen, solange Himmel und Erde stehen. Wir wissen: Auch wenn Sonne und Mond einmal nicht mehr scheinen, auch wenn Himmel und Erde vergangen sein werden, wird die Herrschaft dieses Königs immer noch Bestand haben. Er ist der Starke, der in Ewigkeit Frieden und Gerechtig­keit durchsetzen wird gegen allen Widerstand und gegen jede feindliche Macht.

So weit die Botschaft von Salomos pro­phetischem Psalm: Der König kommt, hilft und herrscht. Wir wissen: Er ist der Messias, Jesus Christus, unser Herr. Der weise König Salomo hat den an­gekündigt, vor dem die weisen Könige aus dem Morgenland ihre Knie beugten und ihre Schätze öffneten. Den größten Schatz aber bringt der höchste König selbst: Frieden und Gerechtig­keit. Er ist gekommen, um allen Menschen zu helfen und Frieden zu schaffen zwischen ihnen und dem Vater im Himmel. Jesus ist Gottes aus­gestreckte Hand zu allen Menschen, die sich von Gott abgewendet oder gar gegen ihn aufgelehnt haben. Gott ist uns nicht mehr böse, sondern bereit zu friedlicher Gemein­schaft. Weil aber wahrer Friede nicht ohne Gerechtig­keit zu haben ist, hat der höchste König auch Gerechtig­keit gebracht zwischen Gott und den Menschen: Er hat selbst alle Gerechtig­keit erfüllt, die der himmlische Vater von Menschen erwartet. Und er hat alle verdiente Strafe abgebüßt, die zwischen Gott und den Menschen stand wie ein riesiger Schulden­berg. Ja, der verheißene König, der Gottessohn und Davidssohn, hat teuer bezahlt für die Gerechtig­keit, deren Früchte alle genießen dürfen, die ihm vertrauen. Glaubens­gerechtig­keit wird diese Gerechtig­keit deshalb auch genannt.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir haben einen wunderbaren Herrn und König, einen Helfer und Heilbringer: Jesus Christus. Täglich dürfen wir uns an seinem Frieden erfreuen und an der Gerechtig­keit, die er gebracht hat. Und wo immer Menschen ihm vertrauen und sich von ihm beschenken lassen, da kehren Frieden und Gerechtig­keit ein. Dass heute bei den Völkern Europas ein hohes Maß an Frieden und Gerechtig­keit herrscht, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass unsere Grundwerte auf christ­lichen Werten beruhen. Dennoch müssen wir realistisch bleiben: Viele Menschen verweigern sich dem Frieden und der Gerechtig­keit, die Christus gebracht hat. Viele erkennen ihn nicht als Herrn an, oder nur zum Schein. Vielen ist der persönliche Vorteil wichtiger als das Prinzip der Liebe, das Jesus uns ans Herz gelegt hat. Und so kommt es, dass sich Christi Frieden und Gerechtig­keit in der Welt noch so wenig auswirken. Christliche Politiker müssen nüchtern sehen, was Martin Luther erkannt und gelehrt hat: Die Reiche dieser Welt lassen sich nicht mit den Methoden des Himmel­reichs regieren. Wir brauchen immer noch Polizei und Militär, Gefängnisse und Waffen­gewalt, um das Böse in seine Schranken zu weisen, sonst nimmt es überhand. Wir dürfen nicht vergessen, was Jesus selbst von seiner Herrschaft gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh. 18,36). Erst wenn Sonne und Mond ihren Schein verlieren werden und Gott die Welt neu schaffen wird, wird die Herrschaft des höchsten Königs die Macht des Bösen endgültig brechen. Dann aber werden wir uns vollkommen an dem Frieden und an der Gerechtig­keit erfreuen können, die uns der Gottessohn gebracht hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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