Immer wieder Freude

Predigt über Psalm 97,11‑12 zum 4. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich bewundere Menschen, die immer fröhlich sind. Sie machen offenbar etwas grundlegend richtig in ihrem Leben. Wenn sie in heikle Situationen geraten, dann finden sie stets noch irgendetwas Positives daran. Nichts scheint sie aus der Bahn zu werfen. Sie ärgern sich nicht; sie sind weise genug zu erkennen: Wenn ich mich ärgere, dann schade ich mir damit letztlich nur selbst; ich ärgere mich; aber wenn ich mich freue, dann erfreue ich mich letztlich selbst. Das hat dann positive Aus­wirkungen auf die Mit­menschen: Ein fröhlicher Mensch erfreut auch andere mehr als ein trauriger oder ein ärgerlicher Mensch. So kommen die fröhlichen Leute mit anderen gut klar, sogar mit schwierigen Charak­teren. Selten haben sie Feinde; bei den meisten sind sie beliebt. Ja, ich bewundere dieses Menschen, die immer fröhlich sind; offenbar machen sie etwas grundlegend richtig in ihrem Leben.

Wer solche fröhlichen Leute näher kennen­lernt, wird allerdings fest­stellen: Sie sind gar nicht immer fröhlich; sie haben auch ihre Durchhänger und ihre schlechten Tage. Nur tragen sie das nicht nach außen; sie lassen andere das nicht merken. Ich bin davon überzeugt, dass kein Mensch es schafft, sein ganzes Leben lang nur fröhlich zu sein. Die Freude ist in unserer von Sünde verseuchten Welt eine leicht verderb­liche An­gelegen­heit, und deshalb verdirbt sie auch oft genug, selbst bei Menschen mit einem sonnigen Gemüt. Aber, wie gesagt, das kriegen nur wenige mit, und schnell hat sich neue gute Laune ein­gestellt. Es ist so, wie unser Psalmwort sagt: „Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen.“

Wer sind sie denn, die „Ge­rechten“, und wer sind die „frommen Herzen“? Vom ursprüng­lichen Wortsinn her müssen wir antworten: Es sind Leute, die etwas richtig machen. Ich habe ja schon zu Anfang gesagt: Menschen, die immer fröhlich sind, machen offenbar etwas grundlegend richtig in ihrem Leben. Die Bibel verrät uns auch, wo solches richtige Verhalten ansetzt: bei einer guten Beziehung zum lebendigen Gott. Der 97. Psalm preist Gott als höchsten König, als mächtigen Herrn über die ganze Welt. Wer mit ihm im Einklang lebt, der lebt auch mit der ganzen Schöpfung in Harmonie. Anders­herum: Wer den Herrn verleugnet und Schein-Göttern nachläuft, der macht etwas grundlegend falsch. Darum heißt es in dem Psalm auch: „Schämen sollen sich alle, die den Bildern dienen und sich der Götzen rühmen.“ Wer jedoch nach dem lebendigen Gott fragt und nach seinem Willen für die Welt, der macht damit etwas grundlegend richtig; der findet Licht und Freude dort, wo ihre Quelle ist: „Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen.“ Wer beim lebendigen Gott die Quelle der Freude gefunden hat, der kann dort immer wieder auftanken, wenn er neue Freude braucht, und dem „muss das Licht immer wieder aufgehen“.

Zur har­monischen Gottes­beziehung gehören ganz wesentlich Dank und Lobpreis dazu. Wer also lernen will, es grundlegend richtig zu machen im Leben, der findet im letzten Psalmvers diesen guten Rat: „Ihr Gerechten, freut euch des Herrn und danket ihm und preiset seinen heiligen Namen!“ Damit ist nicht so sehr eine theore­tische Einstellung der Dankbarkeit gemeint, sondern ganz praktisch das Beten und das Singen von Lobliedern. Egal ob du sehr beschäftigt bist oder nicht, für Dankgebete ist jeden Tag Zeit; die brauchen nur wenige Minuten. Und egal ob du musikalisch bist oder nicht: Loblieder kann jeder singen; Gott hört dabei auch falsche Töne richtig. Dankgebete und Loblieder erfreuen aber nicht nur Gott, sondern sie helfen dir auch selbst: Sie helfen zu so einem grundlegend richtigen Verhältnis zu Gott, das dich fröhlich sein lässt und immer wieder neu fröhlich machen kann. Ich glaube, die Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Erfolg derjenigen Leute, die immer fröhlich sind. Weil sie Gott danken, erkennen sie stets viel Positives in ihrem Leben, sogar in schwierigen Zeiten. Wer dagegen mit Gott hadert und ihm Vorwürfe macht, wer sich enttäuscht von ihm abwendet oder überhaupt nicht mit seiner Existenz rechnet, der wird es schwer haben, immer wieder fröhlich zu werden, denn der macht etwas grundlegend falsch.

Vielleicht denkt jetzt mancher: Ich würde ja gern immer wieder fröhlich werden und ich möchte ja auch danken und Gott loben, aber es fehlt mit die Kraft dazu. Ich komme nicht heraus aus meiner Traurig­keit; es gibt einfach zu viele Dinge, die mich herunter­ziehen. Das ist eine Erfahrung, die auch viele Christen haben, obwohl sie sich immer wieder um ein gutes Verhältnis zu Gott bemühen. Darüber brauchen wir uns nicht zu wundern, denn auch davon weiß die Bibel zu berichten. Die Bibel weiß, dass die sünden­verseuchte Welt einem dunklen Sumpf gleicht, in dem Menschen versinken können vor lauter Leid und Traurig­keit. Und die Bibel weiß ebenso wie jeder vernünftige Mensch, dass sich niemand an den eigenen Haaren aus einem Sumpf heraus­ziehen kann. Die Auf­forderung: „Freut euch des Herrn!“ wäre also Unsinn, wenn wir Menschen mit dieser Auf­forderung allein gelassen würden. Man kann einem traurigen Menschen mit dem Zuruf: Sei fröhlich! nicht aus seiner Traurigkeit heraus­helfen; ebensowenig kann man einem Menschen mit Zahn­schmerzen helfen, wenn man ihn auffordert: Nun hab mal keine Schmerzen mehr! Jetzt müssen wir aber darauf achten, wer uns da zuruft: „Freut euch des Herrn!“ Es ist Gott selbst, der uns das in seinem Wort sagt. Da geht es nicht einfach um eine Auf­forderung, sondern da geht es um göttliches Schöpfer­handeln. Es ist Gottes Art, durch Worte und Auf­forderungen zu schaffen, was er schaffen will. Als es noch dunkel war auf Erden, da sagte er: „Es werde Licht!“, und schon war das Licht da (1. Mose 1,3). Als Jesus von einen Blinden um Heilung gebeten wurde, das forderte er ihn auf: „Sei sehend!“, und schon konnte der Blinde sehen (Lukas 18,42). Als Jesus einem männlichen Leichnam begegnete, der gerade zum Friedhof getragen wurde, da redete er den Toten an mit den Worten: „Jüngling, ich sage dir, steh auf!“, und sogleich wurde der Mann wieder lebendig (Lukas 7,14). Wie gesagt, Gottes Wort ist Schöpfungs­wort. Wenn Gott uns also anredet: „Freut euch des Herrn!“, dann knipst er damit die Freude in unseren dunklen Herzen an. Ebenso müssen wir die Auf­forderung in der heutigen Epistel­lesung verstehen, wo es heißt: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ (Phil. 4,4). „Evan­gelium“ bedeutet „frohe Botschaft“ – da merken wir, wie Gott mit einer Botschaft Licht und Freude schafft in unseren dunklen und traurigen Herzen. Das Evangelium ist nicht bloß eine Information mit erfreu­lichem Inhalt, sondern es ist „eine Kraft Gottes“, wie der Apostel Paulus bezeugt hat: „eine Kraft Gottes, die selig (also dauerhaft fröhlich) macht alle, die daran glauben“ (Römer 1,16). „Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen.“

Wer sich immer wieder aufs Neue freuen kann, der ist ein Gerechter, der macht etwas grund­sätzlich richtig in seinem Leben: Er sucht eine gute Beziehung zum lebendigen Gott. Ein Gerechter, so hatten wir ja grund­sätzlich gesagt, ist jemand, der etwas richtig macht. Aber wir müssen von dieser Grund­bedeutung aus noch einen Schritt weiter gehen. Wir haben erkannt, dass niemand sich aus eigener Kraft fröhlich machen kann, es bedarf vielmehr des göttlichen Schöpfer­wortes, des göttlichen „Freut euch!“ im Zusammen­hang mit Gottes froher Botschaft, dem Evangelium. Das Herzstück des Evangeliums ist der Gottessohn Jesus Christus, als Mensch geboren, um das Licht seines himmlischen Vaters in die Welt zu tragen und uns zu erlösen. Durch ihn kommt Leben und Seligkeit zu allen, die ihm vertrauen. Er ist es, der unheilige Menschen heilig und gerecht macht, der sie also richtig macht in Gottes Augen. Da merken wir: Letztlich geht es nicht darum, wieviel wir von uns aus grundlegend richtig machen (es ist auch, ehrlich gesagt, ziemlich wenig). Es geht vielmehr darum, dass Christus uns seine Gerechtig­keit schenkt. Er tut es, indem er sie uns per Evangelium, per göttlichem Schöpfer­wort, zuspricht. So paradox es klingt, aber das ist die Kern­botschaft der Bibel: Wir Menschen machen dann etwas grundlegend richtig, wenn wir aktiv von uns aus gar nichts machen und in Ordnung bringen wollen bei Gott, sondern wenn wir uns passiv einfach heraus­helfen lassen durch Jesus Christus. Er ist es, der auf dem festen Boden göttlicher Gerechtig­keit steht und uns aus dem dunklen Sumpf von Leid und Sünde heraus­zieht.

„Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen.“ Jeder kann so ein Gerechter sein oder werden durch Jesus Christus und dessen frohe Botschaft. Wer aber durch ihn gerecht geworden ist, dem wird immer wieder das Licht der Freude aufgehen. Nicht, dass er dann immer durchgehend gute Laune hat; das gibt es gar nicht. Aber wer im Glauben erkennt, wie sehr ihn Gott liebt durch seinen Mensch gewordenen Sohn, der wird zu allen Zeiten viel Grund zum Danken und Loben finden, und auf diese Weise kann er immer wieder fröhlich werden. Diese Christus­freude ist nicht zuletzt eine riesengroße Vorfreude – eine Vorfreude auf das Fest seiner Geburt in ein paar Tagen, eine Vorfreude auf neu geschenkte Freuden­zeiten in Tagen der Trübsal, schließlich eine Vorfreude auf sein herrliches Wieder­kommen und auf die ewige Seligkeit im Himmel. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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