Opfern und hoffen

Predigt über Psalm 4,6‑7 zum 1. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Dezember ist der dunkelste Monat des Jahres. Im Kontrast dazu erscheinen uns die Lichter der Advents- und Weihnachts­zeit desto strah­lender: Advents­kranz­kerzen, Lichter­ketten und dann der hell glänzende Weihnachts­baum. Heute, am ersten Advents­sonntag, wird mit dem Anzünden der ersten Kerze ein neues Kirchenjahr in die Dunkelheit hinein geboren. Der Gegensatz von hell und dunkel ist dabei Sinnbild für Gottes Kommen in die dunkle Welt und damit für den Sieg des Lebens über den Tod. Dazu passt der diesjährige Monats­spruch für Dezember, der von Jesus bezeugt: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh. 1,4). Wir können auch sagen: Mit Gottes ein­geborenem Sohn ist ein großes Licht in die Welt gekommen, das viele kleine Glaubens­lichter bei den Menschen anzündet und ihnen damit ewiges Leben schenkt. So ist auch dies ein Gegensatz wie hell und dunkel: Viele Glaubens­lichter leuchten in der Dunkelheit von Sünde und Not. Das gilt nicht nur für die Welt außerhalb von uns, das gilt auch für die Welt in uns, für unser eigenes Herz: Der Heilige Geist zündet immer wieder Christi Licht bei uns an, damit die Finsternis der Sünde und des Zweifels vertrieben wird.

Was es bedeutet, mit solchem Glaubens­licht zu leben, das lässt sich mit zwei Wörtern zusammen­fassen: opfern und hoffen. Bereits das Alten Testament, nämlich unser Predigttext in Psalm 4, fordert uns auf: „Opfert, was recht ist, und hoffet auf den Herrn.“

Beim Stichwort „opfern“ sollten wir nicht so sehr an die Brandopfer und Rauchopfer denken, die beim Tempel dargebracht wurden, auch nicht allein an Kollekten und Kirchen­beiträge. Wir sollen vielmehr in dem Sinne opfern, wie der Apostel Paulus es den Christen in Rom und darüber hinaus allen Christen empfohlen hat, nämlich „dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohl­gefällig ist“ (Römer 12,1). Keine toten Tierleiber, sondern unsere eigenen lebendigen Menschen­leiber sollen wir Gott zum Geschenk machen. Unsere Lippen und Zungen sollen danken, loben und fröhlich von ihm Zeugnis geben. Unsere Augen sollen nicht wegschauen, wo Not herrscht oder Un­gerechtig­keit geschieht. Unsere Hände sollen sich regen für das, was Gott erfreut und den Mitmenschen dient. Unsere Füße sollen uns dahin tragen, wo Gott uns braucht. „Opfert, was recht ist“, sagt Gott, und er setzt auch die Maßstäbe dafür. So hat er uns die Zehn Gebote gegeben: Wenn wir seinen Namen und seinen Feiertag heiligen, wenn wir Eltern und Ehepartnern mit Liebe und Respekt begegnen, wenn wir unsere Mitmenschen weder an ihrem Körper noch an ihrem Besitz noch an ihrer Ehre schädigen, dann opfern wir, „was recht ist“.

Lasst uns an dieser Stelle den Einwurf hören, der mittendrin steht in unserm Predigt­text. Dieser Einwurf lautet: „Viele sagen: Wer wird uns Gutes sehen lassen?“ Wer lohnt es uns, wenn wir uns mit unserm Leben aufopfern? Was haben wir davon, was kriegen wir Gutes dafür? So können selbst frömmste Leute reden. Der Oberjünger Simon Petrus fragte Jesus einmal stell­vertretend für alle Jünger: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nach­gefolgt, was wird uns dafür gegeben?“ (Matth. 19,27) – „Wer wird uns Gutes sehen lassen?“ Gott der Herr, dem wir dienen? Oder Allah? Oder mächtige Politiker? Oder reiche Geschäfts­leute? Bei wem lohnt es sich, Opfer zu bringen, um gute Beziehungen aufzubauen und dann davon zu profi­tieren?

Wenn Christen so fragen, dann stecken meistens Ent­täuschungen dahinter. Es sind Er­fahrungen, die auch in der Bibel immer wieder anklingen. Da hat sich einer wacker aufgeopfert und dabei gehofft, dass Gott ihn dafür belohnen werde. Er hat gehofft, dass er reich wird wie Abraham, stark wie Simson, weise wie Salomo und alt wie Simeon. Aber solche Hoffnungen werden immer wieder enttäuscht: Oft genug erlebt sich ein Gotteskind arm, krank und angefochten wie Hiob. Es ist dunkel um ihn geworden, und er weiß nicht, warum. Gott scheint ihn verlassen zu haben, Gottes strahlendes Angesicht versteckt sich vor ihm wie die Dezember­sonne hinter dicken dunklen Winter­wolken. Die Finsternis des Leides und der Anfechtung ist uns dabei meistens viel bewusster als die Finsternis unserer Sünde und Schuld.

Da kommt nun unser zweites Stichwort ins Spiel, das „Hoffen“. Es heißt ja nicht nur: „Opfert, was recht ist“, sonder es heißt auch: „Hoffet auf den Herrn“. Wer im Finstern sitzt, der hofft, dass es irgendwann wieder hell wird. Ich kann mich gut daran erinnern, wie meine Familie und ich in Afrika oftmals bei Strom­ausfall im Dunkeln saßen und sehnsüchtig hofften, dass es bald wieder hell wird; und es ist dann auch in absehbarer Zeit immer wieder hell geworden. Genauso können wird jede Nacht hoffen, dass am nächsten Morgen wieder die Sonne aufgeht.

Nun heißt es: „Hoffet auf den Herrn.“ Der Herr ist also das Licht, nach dem wir uns in unserer Finsternis sehnen – sowohl in der Finsternis der Sünde als auch in der Finsternis des Leides. Diese Hoffnung ist nun weder unsicher noch untätig. Sie hat vielmehr die Gewissheit von Gottes Zusage, dass er uns nicht im Stich lassen wird. Mit Jesus haben wir sogar die Zusage, dass Gott den Sünder nicht im Stich lassen wird, wenn ihm seine Sünde leid tut und er bei dem Herrn Hilfe sucht. Unsere christliche Hoffnung ist daher nicht unsicher. Eine rein menschliche Hoffnung wäre nichts weiter als Optimismus – so wie man heute oft sagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber wenn wir den Herrn Jesus Christus hoffen, dann können wir sagen: Die Hoffnung lebt zuletzt. Diese Hoffnung stützt sich nämlich mit fröhlicher Zuversicht auf Gottes Wort: „Ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jes. 43,1), und auf Christi Zusage: „Mein Leib, mein Blut, für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden.“

Mit diesen göttlichen Zusagen haben wir das Licht, das in unserer Finsternis leuchtet –in der Finsternis der Sünde und in der Finsternis des Leides. So hoffen wir auf den Herrn, weil wir durch sein Evangelium schon etwas von seiner Herrlich­keit sehen – wenn auch noch nicht den vollen Glanz seines Angesichts. Weil das so ist, ist unsere Hoffnung auch nicht untätig. Vielmehr wird sie tätig im Gebet. Das Gebet ist die in Worte gekleidete Sehnsucht nach Gottes Licht, Gegenwart und Hilfe. Der letzte Satz unseres Predigt­textes gibt ein Beispiel dafür: „Herr, lass leuchten über uns dein Antlitz!“ Immer, wenn die Bibel von Gottes „Antlitz“ oder „Angesicht“ redet, meint sie damit, dass Gott für uns erfahrbar wird. Wenn wir beten: „Herr, lass leuchten über uns dein Antlitz!“, so ist das eine Hoffnung, die sich sogar auf eine ganz bestimmte göttliche Zusage beruft. Es ist die Zusage des Segens, der im Gottes­dienst auf die Gemeinde gelegt wird. Das war nach Gottes Anweisung schon im Alten Israel so, und das ist noch heute bei uns so. In dem göttlichen Segenswort heißt es unter anderen: „Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig“ (4. Mose 6,25). Mit diesem Zuspruch kommt Gott ganz nah; mit diesem Zuspruch geht sein Licht auf, auch wenn das Leben noch so dunkel ist.

Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um Gottes Licht in unserer Dunkelheit anzuzünden. Wenn wir mit diesem Glaubens­licht leben, dann tun wir zwei Dinge: Wir opfern und wir hoffen. Man kann auch sagen: Wir arbeiten und wir beten. Und man kann auch sagen: Wir bemühen uns um einen Lebens­wandel nach Gottes Gesetz, aber wir glauben und hoffen nach seinem Evangelium. Beides tun wir fröhlich und getrost, denn beides hat die Gewissheit und den Segen von Gottes Wort. Wir brauchen dabei nicht zu fragen: „Wer wird uns Gutes sehen lassen?“; was haben wir davon? Wir wissen ja: Noch leben wir in der Dunkelheit einer sünden­verseuchten Welt; noch gehört das Kreuz zum Christsein mit dazu. Aber Gottes Wort leuchtet schon in dieser Dunkelheit und gibt genug Orientie­rung – das Fleisch gewordene Wort Jesus Christus und die frohe Botschaft seines Evan­geliums. Wir haben dabei die gewisse Hoffnung und die großartige Vorfreude darauf, dass dann eines Tages auch der unverhüllte Glanz von Gottes Antlitz über uns aufstrahlen wird – so wie nach der Nacht die Sonne aufgeht, die Adventszeit in das Weihnachts­fest mündet und auf den Winter der Sommer folgt. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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