Gottes Liebling

Predigt über Sprüche 8,23‑32 zum Sonntag Jubilate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer redet hier eigentlich? Wer bezeichnet sich als Gottes „Liebling“? Es ist kein Geschöpf unserer Welt, denn es heißt ja: „Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.“ Ist es ein Engel? Ist es überhaupt eine Person? Ist es eine Sache? Ist es eine personifi­zierte Eigenschaft Gottes? Wirklich rätselhaft! Der König Salomo hat in der Tat Freude an Rätseln und Denkspielen gehabt. Viele seiner berühmten Sprich­wörter sind eigentlich Rätsel: Man muss erst eine Weile über sie nachdenken, ehe sich ihr Sinn erschließt. So ist das auch mit den Worten, die wir eben als Predigttext gehört haben.

Wenn man das tut und wenn man dabei nachschaut, in welchem Zusammen­hang diese Worte stehen, dann kann man darauf kommen, wer hier spricht. Es ist die Weisheit – Gottes Weisheit. Sie redet uns Menschen­kinder wie eine Person an und fordert uns auf: „So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege halten!“ Da merken wir: Wir haben es bei Salomos Sprüche­sammlung mit Gottes Wort zu tun, uns Menschen zum Segen offenbart. Salomo war in all seiner eigenen Weisheit zugleich ein Offenbarer göttlicher Weisheit. Lasst uns also darauf hören, was Salomo spricht, und durch Salomo Gottes personifi­zierte Weisheit, und durch Gottes Weisheit der Herr selbst. Und lasst uns darüber staunen, wie groß Gottes Weisheit ist.

Gottes Weisheit ist groß, wir können das an seinen Schöpfungs­werken erkennen. Unser Abschnitt aus den Sprüchen Salomos richtet unser Augenmerk vor allem auf den Wasser­kreislauf unseres Planeten. Die Weisheit berichtet: „Als Gott die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluten der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte…“ Gott hat es so ein­gerichtet, dass Wasser verdunsten kann. Der Wasserdampf steigt auf in den Himmel, kühlt sich in höheren Schichten dann ab und verdichtet sich zu Nebel und Eiswolken. Die Wolken streichen mit dem Wind übers Land und regnen ab. Wir ärgern uns vielleicht, weil dann die Grillparty ins Wasser fällt, aber auf diese Weise bekommt der Boden die nötige Feuchtig­keit, um Pflanzen hervor­zubringen; auf diese Weise finden Menschen und Tiere ihre Nahrung. Ein Teil des Regen­wassers sickert in tiefere Schichten. Unterwegs wird es gereinigt. So entsteht klares Quell­wasser. Gott hat den Erdboden nicht flach gemacht wie ein Brett, sondern er hat Berge und Hügel geschaffen. So bewirkt die Schwer­kraft, dass das Quellwasser an Berghängen austritt, sich zu Bächen sammelt und ins Tal fließt. Dort vereinigen sich die Bäche zu Flüssen und Strömen. Unterwegs dient das Wasser Menschen und Tieren zum Trinken und zum Waschen. Auch die Energie des strömenden Wassers ist dem Menschen nützlich; es ist eine saubere und erneuerbare Energie. Früher trieb Wasserkraft die Räder von Wasser­mühlen an; heute hält sie die Turbinen der Wasser­kraftwerke in Gang. Schließlich fließt das Wasser ins Meer und bildet dort den Lebensraum für un­vorstell­bar viele Organismen. Gott hat auch die Sonne gemacht, die Land und Meer erwärmt. Auf diese Weise lässt er das Wasser wieder verdunsten, aufsteigen und von neuem Wolken bilden. All das hat Gott in seiner großen Weisheit geschaffen, allen lebendigen Geschöpfen der Erde zum Nutzen. Gläubige Natur­wissen­schaftler kommen nicht heraus aus dem Staunen über die Genialität der ent­sprechenden bio­logischen, chemischen und physi­kalischen Zusammen­hänge. Sie nennen es ein „intelligent design“, also eine überaus kluge Struktur, die die Schöpfung aufweist. Man muss schon ganz schön ideologisch verblendet sein, um anzunehmen, dass sich das alles von selbst und durch Zufall zusammen­gefügt hat. Wir tun gut daran, im Staunen über die Schöpfung und über die Natur­gesetze den Schöpfer zu erkennen und zu preisen. Gottes Weisheit ruft uns zu: „So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten!“

Gottes Weisheit ist aber noch größer. Sie übersteigt die von uns erkennbaren sinnvollen Zusammen­hänge der Schöpfung. Sie hat darüber hinaus etwas Künstle­risches, etwas Musisches, etwas Spiele­risches. Gottes Weisheit bezeugt: „Als Gott die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschen­kindern.“ Das Wort für „spielen“ können wir auch mit „tanzen“ übersetzen. In der Tat ist Gott ein großer Künstler: ein Bildhauer, Maler, Musiker und Choreograf in einem. Denken wir noch einmal an die Wolken: Sie fügen sich zu immer neuen wundersamen Gebilden zusammen. Mal sehen die Wolken aus wie zarte Schleier, mal stehen sie dunkel und bedrohlich wie Türme am Himmel, mal donnern sie im Gewitter, mal tanzen sie im Wind. Oder denken wir noch einmal an die Bäche: Wie anmutig springt und tanzt das Wasser in ihnen zu Tal. Und denken wir an Wiesen­blumen am Rand der Bäche: Wie wunderschön sind sie geformt und gefärbt; die Kreationen sämtlicher Mode-Designer müssen dahinter verblassen. Es ist so, als ob Gottes Weisheit uns sagen wollte: Achtet nicht immer nur auf Nützlich­keit und Produk­tivität; spielt und tanzt auch mal und freut euch am Leben! Auch in dieser Hinsicht ruft Gottes Weisheit uns zu: „So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten!“

Gottes Weisheit ist am größten, wo wir den Bereich der ver­gänglichen Schöpfung verlassen und uns den ewigen Wahrheiten nähern. Da ist sie so groß, dass wir Menschen nicht mehr mitkommen. Wir verstehen sie nicht, und manchmal kommt sie dem mensch­lichen Verstand sogar wie Torheit vor. Der Apostel Paulus schrieb: „Die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind“ (1. Kor. 1,25). Das hat Paulus im Zusammen­hang mit dem Kreuz Christi gesagt. Dies ist ja der Kern von Gottes ewigen Wahrheiten: Christus ist am Kreuz für die Sünden der Welt gestorben und am dritten Tag wieder auf­erstanden von den Toten. Wer dieser frohen Botschaft vertraut, hat ewiges Leben über den Tod hinaus. Ja, das ist Gottes Haupt­botschaft für uns Menschen und der Gipfel seiner Weisheit. Darum hat Paulus auch bekannt: „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol. 2,3). Aus diesem Grund ist es nicht verkehrt, wenn man die Stimme von Gottes Weisheit mit der Stimme Christi gleich­setzt. Ausleger des Alten Testaments haben immer wieder fest­gestellt: Wenn man in alt­testament­lichen Weisheits­texten Gottes ein­geborenen Sohn an die Stelle von Gottes Weisheit setzt, dann kommen neu­testament­liche Evangeliums­aussagen heraus. Das funktio­niert auch mit unserem Abschnitt aus den Sprüchen Salomos. Ich erinnere noch einmal an den Satz: „Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.“ So kann Christus sprechen, der un­geschaffene Gottessohn, der aus Liebe zu uns Leib und Seele eines Menschen­geschöpfs angenommen hat. Und auch die Mahnung und Selig­preisung der göttlichen Weisheit kann aus seinem Mund kommen: „So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten.“ Tatsächlich hat Jesus ja gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6).

Ich frage noch einmal wie am Anfang der Predigt: Wer redet hier eigentlich? Wer bezeichnet sich als Gottes „Liebling“? Ist es ein Engel? Ist es überhaupt eine Person? Ist es eine Sache? Ist es eine personifi­zierte Eigenschaft Gottes? Jetzt wissen wir: Es ist Gottes geliebter Sohn Jesus Christus, der hier spricht, verkleidet als Gottes personifi­zierte Weisheit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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