Die Bibel: göttlich, kräftig, ehrwürdig und un­vergänglich

Predigt über Jeremia 36 zum Sonntag Sexagesimä

Verlesener Text: Jer. 36,1

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Heilige Schrift ist göttlich, kräftig, ehrwürdig und un­vergäng­lich. Das ist das Thema des Sonntags Sexa­gesimä, und das können wir beispiel­haft an einer Begeben­heit aus dem Leben des Propheten Jeremia lernen. Jeremia ist ja ein bekannter Prophet des Alten Testa­ments. Weniger bekannt sind sein Schreiber Baruch und die Sache mit der ver­brannten Schrift­rolle. Diese Geschichte möchte ich euch jetzt erzählen.

Jeremia war zu dieser Zeit schon gut zwanzig Jahre lang Gottes Prophet. Gott ließ ihn Bot­schaften für die Juden wissen, die er dann öffentlich predigte. Es waren harte Bot­schaften, Bußrufe. Gott forderte durch Jeremia sein Volk zur Umkehr auf. Da muss es uns nicht wundern, dass Jeremia oft angeeckt ist. Einmal hatte er sich im Tempel hin­gestellt und gesagt: Wenn ihr so weiter­macht, wird es diese Stätte, wo ihr Gott begegnen könnt, bald nicht mehr geben. Das rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Vor allem König Jojakim und die Priester waren wütend auf Jeremia und begannen, ihn zu verfolgen. Er konnte sich seitdem nicht mehr im Tempel blicken lassen. Gott aber wollte, dass die Tempel­gemeinde trotzdem weiterhin die Predigten des Jeremia hört. Darum be­auftragte er ihn, seine Ver­kündi­gung aufzu­schreiben. Jeremia stellte Baruch als Schreiber ein, denn das Be­schreiben von Schrift­rollen war damals eine Fach­arbeit, die man besonders aus­gebildeten Personen übertrug. Dann diktierte er dem Baruch die Bot­schaften, die Gott ihm in den beiden zurück­liegenden Jahr­zehnten auf­getragen hatte, und Baruch schrieb sie nieder. Als sie fertig waren, schickte Jeremia Baruch mit der Schrift in den Tempel und ließ ihn dort Gottes Bußrufe öffentlich vorlesen.

Diese Bot­schaften beginnen mit den Worten: „Des Herrn Wort geschah zu Jeremia.“ Gottes Wort in Menschenmund – das war so bei Jeremia, das war so bei allen Propheten und auch bei den Aposteln des Neuen Testa­ments. Wir können uns darauf verlassen, dass die Worte der Propheten und Apostel Gottes Worte sind. Dabei ist es letztlich egal, ob sie mündlich oder schrift­lich vorliegen. Das pro­phetisch-aposto­lische Wort der Heiligen Schrift ist in jedem Fall göttlich.

Nicht immer bewirkt Gottes Bußruf Umkehr, aber immer bewirkt Gottes Wort etwas; es verhallt nie wirkungs­los in unserer Welt. So war es auch damals mit Jeremias Botschaft, auf­geschrie­ben und im Tempel vor­getragen durch Baruch. Ein gewisser Michaja war so betroffen von der Botschaft, dass er sogleich die Berater des Königs in­formierte. Die ließen Baruch zu sich kommen und die göttlichen Worte vorlesen. Sie bewirkten auch bei ihnen Betroffen­heit und Umkehr. Natürlich waren die Berater ebenso wie König Jojakim selbst eigentlich sehr skeptisch gegenüber Jeremia, aber unter der Kraft der Worte merkten sie: Hier spricht der Herr selbst zu uns; diesen Worten müssen wir uns beugen; wir müssen uns ändern! Und so be­schlossen sie: Auch der König muss diese Worte hören; auch er soll unter der Kraft dieser Worte in sich gehen und sich neu nach Gott aus­richten. Aber die Berater kannten ihren König gut genug, um zu wissen, dass diese Propheten­worte auch die Wut des Königs auf Jeremia neu entfachen konnten. So gaben sie Baruch umsichtig den Rat, sich mit Jeremia versteckt zu halten, um möglichen Ver­folgungen zu entgehen. Die Schrift­rolle aber nahm der königliche Schreiber in Ver­wahrung. König Jojakim wurde in­formiert, und er gab Anweisung, ihm den Text vorzulesen. Auch bei ihm blieb er nicht ohne Wirkung – freilich hatten die Worte bei ihm eine ganz andere Wirkung als bei seinen Beratern: Sie ver­härteten ihn in seiner Haltung, dass er sich von Gott und von dessen Propheten Jeremia nichts sagen lassen wollte.

Ja, immer bewirkt Gottes Wort etwas, auch bei uns. Immer wenn wir Gottes Wort hören oder lesen, dann klopft Gott damit bei uns an die Herzens­tür. Er möchte, dass sich bei uns etwas ändert. Er möchte, dass wir uns auf ihn ein­stellen, ihm be­dingungs­los vertrauen und Liebe von ihm lernen. Es ist gut zu wissen, dass Gottes Wort auch heute noch damit zum Ziel kommt bei dem einen oder anderen Menschen, selbst wenn es bei vielen das bewirkt, was es damals bei König Jojakim bewirkte: Verhärtung in einem Zustand der Sünde und feind­selige Ablehnung. Auch das ist eine Wirkung von Gottes Wort, die die Bibel selbst aus­drücklich nennt. So ist das Wort der Heiligen Schrift nicht nur göttlich, sondern auch kräftig.

Es geschah im November oder Dezember, als König Jojakim sich die Schrift­rolle des Baruch mit den göttlichen Propheten­worten Jeremias vorlesen ließ. In diesen kältesten Wochen des Jahres residierte der König in besonderen Winter­gemächern seines Palastes. Es ist so ähnlich, wie wenn heute manche Gemeinden ihre Gottes­dienste in den Winter­monaten nicht in großen kalten Kirchen feiern, sondern in kleineren, besser beheiz­baren Räumen, den so­genannten Winter­kirchen. Im Winterhaus des Königs­palasts befand sich eine offene Schale mit glühenden Kohlen vor dem Thron, die den Raum und vor allem den König selbst wärmten. In dieser Umgebung ließ Jojakim sich die Worte des Propheten vorlesen. Wir müssen es uns so vor­stellen, das der Pergament­streifen aufgerollt war, und immer, wenn der Vorleser ein Stück abrollte, kam eine neue Spalte Text zum Vorschein. Nach einer Weile hingen mehrere Spalten bereits gelesenen Textes an einem Ende der Rolle herunter. Irgendwann reichte es dem König; er nahm ein Messer, schnitt das bereits gelesene Ende ab und verbrannte es im Kohlen­becken. So ging das ständig weiter: Der Vorleser las Gottes Bußruf, der König ärgerte sich darüber, schnitt das be­treffende Stück Schrift­rolle ab und verbrannte es. So meinte er, mit den unbequemen Worten des Jeremia fertig­zuwerden und jede mögliche Unruhe, die davon für sein Volk ausgehen könnte, im Keim zu ersticken.

Wenn wir das hören, müssen wir er­schrecken. Wie kann nur einer so mit Gottes Wort umgehen! Es einfach ver­brennen, ver­nichten! Das machen doch nur die schlimms­ten Feinde Gottes: de­monstra­tiv die Bibel ver­brennen! Aber wenn wir uns über andere entrüsten, müssen wir natürlich zugleich selbst­kritisch sein: Erweisen wir denn dem göttlichen Wort immer die nötige Achtung? Natürlich, wir zer­schneiden es nicht und verbrennen es auch nicht, aber halten wir unsere Bibeln und unsere Gottes­häuser, wo wir das Wort hören, in Ehren? Sind wir aufmerksam und ehrfüchtig beim Lesen und Hören? Nehmen wir zu Herzen, was Martin Luther im Kleinen Katechis­mus in der Erklärung zum 3. Gebot geschrieben hat: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen“? Die Heilige Schrift ist nicht nur göttlich und kräftig, sondern auch ehrwürdig.

Einige von Jojakims Beratern wollten den König davon abbringen, die Propheten­schrift zu ver­brennen, aber er hörte nicht auf sie, er ver­nichtete die gesamte Rolle bis hin zur letzten Spalte. Außerdem erließ er einen Haftbefehl gegen Jeremia und Baruch. Die aber waren längst im sicheren Versteck. Und dort geschah es erneut, dass Gott mit seinem Propheten redete. Gott sagte zu Jeremia: Mach dich zusammen mit Baruch noch einmal an die Arbeit; schreibt noch einmal all die Worte auf, die ich dir gesagt habe! Und füge ein weiteres Gerichts­wort an speziell für König Jojakim! So geschah es dann auch.

Und so ist es gekommen, dass Jeremias Pro­phezei­ungen bis zum heutigen Tag erhalten geblieben sind. Wir können sie in unseren Bibeln nachlesen – ein­schließ­lich der wunder­baren Ver­heißungen des Erlösers, die dann in Jesus wahr geworden sind. Es geht ja in Gottes Wort nicht nur um Gericht, Strafe, Mahnungen und Bußrufe, sondern vor allem um die gute Nachricht, dass Gott sich vergebend und liebevoll all denen zuwendet, die bei ihm Hilfe suchen. Das ist Gottes ewig gültige Botschaft, die wir im Alten wie im Neuen Testament finden in Verheißung und Erfüllung. Gottes Feinde können zwar die Schriften verbrennen und die Boten töten, und sie haben es auch oft genug getan, aber das Wort an sich bleibt un­vergäng­lich. Die Worte der Heiligen Schrift werden mit ihren wun­derbaren Ver­heißungen auch den letzten und end­gültigen Feuersturm über­stehen, der einmal über unsere Welt kommen wird. Denn die Heilige Schrift ist nicht nur göttlich, kräftig und ehrwürdig, sondern auch un­vergäng­lich. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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