Gott ist da, schützt und führt

Predigt über Josua 3 und 4 zum 1. Sonntag nach Epiphanias

Verlesener Predigt­text: Josua 3,5.10a

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Jordan ist zwar nur ein kleiner Fluss, trotzdem gehört er zu den berühm­testen Gewässern der Welt. Im Jordan ist unser Herr Jesus Christus getauft worden. Im Jordan hat der Syrer Naeman die Heilung vom Aussatz erlebt. Und den Jordan durch­querten die Israeliten, als sie in das verheißene Land Kanaan einzogen. Dieses Ereignis wollen wir jetzt bedenken und daran lernen, wie Gott auch bei uns gegenwärtig ist.

Die Israeliten lagerten am Ostufer des Jordans, gegenüber der Stadt Jericho, und damit etwa in derselben Gegend, in der mehr als tausend Jahre später Johannes der Täufer taufte. Gott hatte die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei befreit und sie dann vierzig Jahre lang in der Wüste als Nomaden umherziehen lassen. Der große Prophet Mose hatte sie in all diesen Jahren geführt. Nun war Mose tot, und Josua war an seine Stelle getreten. Josua musste sich erst noch das Vertrauen des Volkes erwerben; ent­sprechend beklommen wird ihm zumute gewesen sein in dieser Situation. Da munterte Gott ihn auf und versprach ihm: „Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein.“

Das war für die Israeliten ganz wichtig zu wissen: Gott ist da, Gott ist mitten unter uns, und er ist auch mit dem Mann, den er uns zum Anführer gesetzt hat. Gott hatte ihnen seine Gegenwart vesprochen, und mehr noch: Er hatte ihnen dafür ein sichtbares Zeichen gegeben. Wir Menschen brauchen das: sichtbare Zeichen, die uns daran erinnern, dass der unsichtbare Gott bei uns ist. Bei den Israeliten war dieses Zeichen ein vergoldeter Holzkasten gewesen mit zwei Engelsfiguren auf dem Deckel. „Bundes­lade“ wurde dieser Kasten genannt, und er galt als Gottes Thron mitten in seinem aus­erwählten Volk. Wenn die Israeliten unterwegs waren, dann trugen Priester die Bundeslade vor den Menschen her. Sie erinnerte stets daran: Gott ist bei euch; er ist euer wahrer König. Mit Jesus hat Gott sich dann später ein lebendiges Abbild gegeben für sein Volk und für alle Menschen der Welt. Als Jesus im Jordan getauft wurde, da hat er über ihn gesagt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohl­gefallen habe.“ Immer wenn wir einen Menschen taufen und ihn damit in Gottes Volk aufnehmen, dann machen das Wasser und die Tauf­handlung sichtbar: Gott ist jetzt da, Gott selbst handelt als König – wie damals bei den Israeliten mit der Bundeslade, und wie damals, als Jesus auf Erden lebte.

Zurück zu den Israeliten in Josuas Tagen! Zwischen ihnen und dem verheißenen Land Kanaan lag also nur noch der Jordan. Wir erfahren, dass es gerade Frühjahr war und der Fluss vom Ende der Regenzeit viel Wasser führte. Er war sogar über seine Ufer getreten. Wie sollte das große Volk da heil ans andere Ufer kommen mit all seinen Habseligkeiten? Wie sollte es sich vor den Wasser­massen schützen? Brücken gab es damals noch nicht. Aber Gott wusste bereits, wie er sein Volk in dieser Situation beschützen wollte. Er wollte es durch ein Wunder tun – ein ähnlich Aufsehen erregendes Wunder, wie er es damals zu Beginn der Wüsten­wanderung getan hatte, als er das Schilfmeer teilte und die Israeliten mitten hindurch zogen. Solch ein Wunder bereitete Gott nun erneut vor und gab Josua sowie dem ganzen Volk ent­sprechende An­weisungen. Um zu zeigen, dass er mit Josua ist, ließ Gott Josua das Wunder aus­drücklich ankündigen. Josua sagte: „Morgen wird der Herr Wunder unter euch tun… Wenn dann die Fußsohlen der Priester, die die Lade des Herrn, des Herrschers über alle Welt, tragen, in dem Wasser des Jordans still­stehen, so wird das Wasser des Jordans, das von oben herab­fließt, nicht weiter­laufen, sondern stehen­bleiben wie ein einziger Wall.“ So geschah es denn auch am nächsten Tag. Die Priester trugen die Bundeslade voraus, und die Israeliten folgten – allerdings nach Gottes Anweisung im Abstand von mehreren hundert Metern. Gott wollte zwar unter dem Zeichen der Bundeslade bei seinem Volk gegenwärtig sein, aber er wollte auch, dass sie ihm den nötigen Respekt erweisen. Im Jordan blieben die Priester dann mit der Bundeslade stehen, und alle erlebten das Wunder: Die Bundeslade hielt den Wasserstrom auf wie eine Staumauer! Alles Wasser, das von Norden her, vom See Genezerath, herab­strömte, staute sich an der Stelle, wo die Priester mit der Bundeslade standen. Das übrige Wasser aber floss nach Süden ab ins Tote Meer, sodass eine Furt entstand – ein bequemer Übergang für das ganze Volk Israel. So schützte Gott sein Volk vor den Fluten des Jordans.

Gott will sein Volk immer schützen, auch heute. Freilich erwartet er dabei von uns, dass wir ihm und den Zeichen seiner Gegenwart mit dem nötigen Respekt begegnen – so wie einst die Israeliten Abstand zur Bundeslade halten sollten. Auch Johannes der Täufer hat solchen Respekt erwiesen. Als Jesus ihn um die Taufe bat, da hat er erst ganz bescheiden und demütig gefragt: „Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?“ (Matth. 3,14). Und schon vorher hatte er an­gekündigt: „Es kommt einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse“ (Lukas 3,16). Auch wir tun gut daran, mit Gottes Gegenwart und den Zeichen, die sie uns vor Augen stellen, respektvoll umzugehen. Unsere Taufe, das Heilige Abendmahl, der Gottes­dienst, die Kirche und ihre Ein­richtung, das sind alles Dinge, durch die wir dem lebendigen Gott begegnen, und darum sollten wir sehr demütig und ehrfürchtig damit umgehen. Man benimmt sich in der Kirche eben nicht so wie in der Kneipe, und man kommt nicht zum Abendmahl gelatscht, wie man die Zeitung vom Briefkasten holt. Wir sollen uns vielmehr bewusst machen: Hier ist der lebendige Gott gegenwärtig – zu unserem eigenen Heil und Schutz. Wie er damals die Israeliten vor den Fluten des Jordans geschützt hat, so schützt er uns heute davor, dass wir in der Flut unserer Sünde untergehen und in der Flut von Gottlosig­keit, die sich über die ganze Welt ergießt. Das ist ja die Botschaft in jedem Gottes­dienst, und das ist auch die Botschaft von Taufe, Beichte und Abendmahl: Christi Blut schützt uns vor dem Verderben, das wir selbst verschuldet haben, und macht, dass wir unter Gottes Gegenwart getrost weiter­ziehen können.

Damals schützte Gott die Israeliten nicht nur, sondern er zeigte ihnen auch den richtigen Weg. Er führte sie in das Land hinein, das zu geben er ihnen schon lange versprochen hatte. Schon zu Abraham hatte er gesagt: „Deinen Nachkommen will ich dies Land geben“ (1. Mose 12,7). Und nun war es so weit: Das große Volk der Abrahams­nachkommen durchquerte den Jordan und zog in das herrliche Land ein, das Gott ihnen schenkte. „Ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war“, so heißt es.

Von dieser Geschichte kommt die Redensart her: „über den Jordan gehen.“ Damit wird heute eigentlich das Sterben um­schrieben. Aber nun sehen wir an der Geschichte: Gestorben wird da gerade nicht, sondern die Israeliten werden beschützt und in ein Land geleitet, wo sie sesshaft werden und gut leben können. Genauso ist nun das Sterben eines Christen­menschen: Es ist eigentlich kein Sterben im Sinne von Untergang und Tod, sondern es ist ein Übergang zu neuem Leben. Nach der nomaden­haften Reise durch ein bewegtes Leben darf der Christ dann sesshaft werden in Gottes wunderbarer neuer Welt, im himmlischen Kanaan, im gelobten Land der Ewigkeit. Oft ist es so beschrieben und besungen worden, nicht zuletzt in schönen Gospel­liedern, in denen immer wieder vom Fluss Jordan die Rede ist. Wenn wir darauf vertrauen, dass Christus gegenwärtig ist, dass er schützt und dass er führt, dann verliert der „Jordan“ des Todes seinen Schrecken für uns, und wir können zu­versicht­lich seine Durchquerung ins Auge fassen, die am Ende der Erdentage auf uns wartet.

Gott ist da, Gott schützt und Gott führt. Er hat es damals bei den Israeliten getan, und er tut es heute bei uns und beim ganzen Volk der Christen­heit durch seinen Mensch gewordenen Sohn. Wichtig ist, dass wir das nicht vergessen, sondern dass wir uns immer wieder daran erinnern. Dabei hilft uns diese Jordan-Geschichte in der Bibel, im Buch Josua. Wir können Gott dankbar sein, dass sie nicht in Vergessen­heit geraten ist, sondern dass sie überliefert und auf­geschrieben wurde. Bei der Erinnerung half unter anderem ein Denkmal, dessen Errichtung Gott selbst angeordnet hat. Als die Israeliten durch den Jordan zogen, sollte je ein aus­gewählter Mann aus jedem der zwölf Stämme Israels je einen Stein aus dem Flussbett des Jordans mitnehmen. Als alle Israeliten hindurch­gezogen waren, als auch die Priester mit der Bundeslade weiterzogen und das aufgestaute Wasser wieder floss, da wurde mit diesen zwölf Steinen ein Denkmal am Westufer des Jordans errichtet. Josua erklärte den Israeliten die Bedeutung dieses Denkmals. Er sagte ihnen: „Wenn eure Kinder später einmal ihre Väter fragen: Was bedeuten diese Steine?, so sollt ihr ihnen kundtun und sagen: Israel ging auf trockenem Boden durch den Jordan, als der Herr, euer Gott, den Jordan vor euch aus­trocknete, bis ihr hinüber­gegangen wart, wie der Herr, euer Gott, am Schilfmeer getan hatte, das er vor uns aus­trocknete, bis wir hindurch­gegangen waren, damit alle Völker auf Erden die Hand des Herrn erkennen, wie mächtig sie ist, und den Herrn, euren Gott, fürchten allezeit.“ Da merken wir: Der Durchzug durch den Jordan ist ebenso wie der Durchzug durch das Schilfmeer nicht nur ein denk­würdiges Ereignis für das Volk Israel in seiner Geschichte, sondern er ist ein denk­würdiges Ereignis für alle Völker zu allen Zeiten – also auch für uns heute. So haben wir in dieser Predigt nichts anderes getan, als uns in einer Weise an Gottes Tun erinnert, wie Gott selbst sie haben will. Und wir wollen nicht aufhören, uns daran zu erinnern, was Christus für alle Völker aller Zeiten offenbar gemacht hat: Gott ist da, Gott schützt und Gott führt – führt letztlich in das Land seiner ewigen Ver­heißungen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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