Rucksackreise zu zweit

Predigt über Galater 6,2 zu einer Trauung

Liebe Gemeinde, besonders liebes Brautpaar!

Hochzeit ist hohe Zeit, Zeit der Hoch­stimmung, Zeit der Freude. Darum würde ich eigentlich viel lieber über die Lust predigen als über die Last. Ihr, liebes Brautpaar, habt Lust, auf eurem weiteren Lebensweg gemeinsam zu reisen, und wir freuen uns mit euch über diesen Entschluss. Besonders freuen wir uns darüber, dass ihr keine halben Sachen macht. Auch wenn einige vielleicht meinen, dass ihr noch ziemlich jung zum Heiraten seid, traut ihr euch doch, euch trauen zu lassen. Das ist gut und vernünftig, und das gefällt Gott. Man kann nämlich nicht probeweise verreisen; entweder man tritt eine Reise wirklich an, oder man bleibt zu Hause. Zu dieser gemeinsamen Lebensreise wünsche ich euch viel Lust und wenig Last – eben eine lustige Ehe!

Aber nun soll hier auch die Last zur Sprache kommen; das möchtet ihr so. Ihr habt euch ja diesen Trauspruch selbst ausgesucht: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Auch das war vernünftig, denn so viel Lebens­erfahrung habt ihr schon gesammelt, dass ihr wisst: Selbst wenn wir gern hätten, dass unsere Ehe immer lustig ist, müssen wir doch damit rechnen, dass Lasten nicht ausbleiben werden. Da ist es gut, wenn man sich aus Gottes Wort bewusst macht, wie man mit Lasten am besten umgeht. Lasst uns das jetzt gemeinsam bedenken!

Liebes Brautpaar, ihr wollt eure gemeinsame Lebensreise gleich mit einer richtigen großen Reise beginnen. Ihr habt euch dabei vor­genommen, alles Notwendige im Rucksack immer bei euch zu haben. Mit anderen Worten: In den nächsten paar Monaten werdet ihr euren jungen Haushalt auf dem Rücken mit euch herum­tragen. Was kann es da bedeuten: „Einer trage des anderen Last“? Wenn wir es ganz wörtlich nehmen, dann müsste der junge Ehemann den Rucksack seiner Frau tragen, und die Frau den Rucksack des Mannes. Wäre das sinnvoll? Möglicher­weise ja: Wenn der Rucksack der Frau schwerer ist als der Rucksack des Mannes, dann empfiehlt es sich wirklich, dass der Mann als der Größere und Stärkere ihren Rucksack trägt und sie ihm dafür seinen abnimmt. „Einer trage des anderen Last“ könnte dann aber auch heißen, dass die junge Frau beim Packen ihres Rucksacks auf die eine oder andre schwere Sache verzichtet, um es ihrem Mann nicht zu schwer zu machen – vielleicht auf ein Paar Schuhe oder ein dickes Buch. Einander die Lasten tragen heißt dann ver­allgemei­nert: Rücksicht aufeinander nehmen und darauf achten, dass der andere möglichst leicht und unbeschwert reisen kann.

Nun gibt es auf der Lebensreise aber noch andere Lasten als die, die man sich selbst freiwillig ins Gepäck tut. Manche Lasten werden euch andere Leute aufbürden und nicht danach fragen, ob euch das gefällt. Auch Gott wird euch die eine oder andere Last zumuten auf eurer Lebens­reise. Seit alters wird so eine Gotteslast ein Kreuz genannt: Gott gibt jedem sein Kreuz zu tragen. Wie gut, wenn dann einer dem andern tragen helfen kann! Wie gut, wenn man dann jemanden hat, dem man darüber sein Herz ausschütten kann! Wie gut, wenn dann einer da ist, der einen tröstet. „Einer trage des andern Last.“

Es gibt ein Sprichwort, das gern auf die Ehe gedeutet wird: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Allerdings muss ich ehrlich sagen, dass ich diesem Sprichwort nicht recht traue. Auch wenn man sich Lasten in der Ehe gegenseitig tragen hilft, drücken sie doch oftmals immer noch recht schwer. Das Gotteswort, das ihr euch für euren gemeinsamen Weg ausgesucht habt, heißt ja auch nicht: „Einer trage des andern Last, so wird sie nur noch halb so schwer sein.“ Nein, es heißt viel mehr: „… so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Das gegen­seitige Lasten­tragen hat also etwas mit Christus zu tun und mit seinem Kreuz. „Gesetz Christi“ meint hier nicht nur „Gebot“ des Herrn, sondern es meint ein Lebens­prinzip, das in Christi Kreuzestod seine Grundlage hat. Dieses Lebens­prinzip zeigt sich an den Kreuzen, die Gott seinen Kindern zu tragen auflegt und die nach seinem Willen gemeinsam getragen werden sollen. Das „Gesetz Christi“ ist also eigentlich die Kreuzes­theologie, die unsere Augen öffnet für die Erkenntnis: Gottes Heil hat nicht nur mit Lust zu tun, sondern auch sehr viel mit Last.

Liebe Gemeinde, wir tun gut daran, dass wir alle uns das klar machen, und zwar immer wieder. Am Kreuz hat Jesus uns die schwerste Last abgenommen, die es gibt: den Fluch der Sünde. Wenn er uns nun auf dem Weg zum Himmel noch die eine oder andere Last zumutet, so will er uns damit liebevoll daran erinnern, dass unser Heil durch Leiden erworben ist. Unser Kreuz zeigt, dass wir zu Christus gehören, der für uns gekreuzigt und auf­erstanden ist. Und wenn wir uns gegenseitig unsere Kreuze tragen helfen, dann zeigen wir uns damit, wie Christus uns geholfen hat: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Besonders auch im liebevollen Miteinander christ­licher Eheleute bildet sich Christi Liebe ab, und ebenso seine Treue. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, trotz aller Lasten und Probleme zusammen­zubleiben und den gemeinsam begonnenen Weg auch gemeinsam bis ans Ende zu gehen. Wir haben es heute in der Evangeliums­lesung gehört, wie Jesus selbst die Eheordnung seines himmlischen Vaters deutet: „Was Gott zusammen­gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“

Das gilt auch dann, wenn es nicht nur um auferlegte Lasten geht, sondern wenn die Eheleute selbst sich gegenseitig zur Last werden. Dies geschieht häufiger, als man denken könnte. Ich wage sogar die Behauptung: Eine Ehe, in der sich die Eheleute niemals gegenseitig zur Last fallen, ist ein äußerst seltenes Exemplar. Weder Männer noch Frauen sind vollkommen, sondern sie sind Sünder, und das fällt in einer so engen Lebens­gemeinschaft wie der Ehe natürlich besonders unangenehm auf. Da heißt es dann, die Macken des andern ertragen und die Ver­fehlungen des andern vergeben – nötigen­falls mit viel Geduld, nötigen­falls siebenmal siebzigmal. Wenn wir den Trauspruch so verstehen, dann erst begreifen wir ihn ganz so, wie der Apostel Paulus ihn im Zusammen­hang des Galater­briefs gemeint hat. Ich lese ihn darum jetzt noch einmal zusammen mit dem voraus­gehenden Satz: „Wenn ein Mensch von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanft­mütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“

Ja, das ist das Gesetz Christi, das ist das Prinzip seines Kreuzes: Dem andern seine Sünden verzeihen und ihm helfen, mit der Last fertig zu werden, die er selbst in seiner sündhaften Un­vollkommen­heit darstellt. Dies Prinzip gelte auch für uns Menschen unter­einander, besonders in der christ­lichen Kirche, und ganz besonders in der christ­lichen Ehe. Dieser Anspruch unsers Herrn an uns ist hoch, und er wäre nichts anderes als eine zusätzliche Last, wenn wir vergessen würden, welch schwere Last Christus uns abnimmt. Liebe Gemeinde, besonders liebes Brautpaar: Lasst uns allezeit und vor allem dies vor Augen haben, dass Christus uns am Kreuz unsere Hauptlast abgenommen hat, die Sündenlast – dann kann sogar das gegen­seitige Lasten-Tragen zur Lust werden. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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