Der Sinn des Lebens

Predigt über Galater 5,25‑26 zum 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vor genau vierzig Jahren habe ich mit meinem damaligen Jugendkreis in Berlin eine Umfrage durch­geführt. Wir stellten zufällig vorbei­kommenden Leuten auf der Straße ein paar Fragen, unter anderem auch diese: Haben Sie schon mal über den Sinn Ihres Lebens nach­gedacht? Fast 85 Prozent bejahten diese Frage. Ich glaube, heute würden noch genauso­viele mit ja antworten. Ich bin mir auch sicher, dass die meisten von euch schon mal über den Sinn des Lebens nachgedacht haben. Fragt sich nur, zu welchem Ergebnis man da kommt. Wenn man die zufällig Vorbei­kommenden weiter­fragen würde: Was ist denn nun aber der Sinn des Lebens?, dann würden einige wohl sagen: Spaß haben; andere: Geld verdienen; andere: eine sinnvolle Tätigkeit ausüben; andere: für die Familie da sein; und wieder andere: keine Ahnung! Es ist nun zwar ziemlich interes­sant, sich über die Meinungen der Leute zum Lebenssinn Gedanken zu machen, aber eigentlich hilft es nicht weiter, denn Menschen irren sich und haben sich geirrt und werden sich auch in Zukunft irren. Wirklich verläss­liche Auskunft über den Lebenssinn kann nur der geben, der das Leben erfunden hat: Gott. Fragen wir also den all­mächtigen Schöpfer, was der Sinn des Lebens ist, und suchen wir die Antwort in seinem Wort!

Auch wenn der Begriff „Sinn des Lebens“ so nicht in der Bibel steht, gibt doch Gott in der Heiligen Schrift eine klare Antwort. Er tut es an mehreren Stellen und in ver­schiedener Weise. Der erste der beiden Verse aus dem Galater­brief, die wir eben gehört haben, enthält so eine göttliche Antwort auf die Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Diese Antwort gilt Menschen, die durch Taufe und Glaube zu Jesus Christus gehören. Sie lautet: „Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln.“ Wir können auch sagen: „Wenn wir durch Gottes Geist unser Leben haben, dann lasst uns auch durch Gottes Geist unser Leben führen.“ In zweierlei Hinsicht können wir hier unsern Lebenssinn erkennen, wie er Gottes Willen entspricht: einerseits, dass wir unser Leben von Gott haben, und anderer­seits, dass wir es im Sinne Gottes führen. Oder kurz gesagt: Das Leben ist Gottes Gabe und Gottes Aufgabe an uns. Ja, genau das ist der Sinn unseres Lebens. Wenn wir die Gabe des Lebens verachten oder wenn wir uns vor der Aufgabe drücken, dann verfehlen wir den Sinn unseres Lebens.

Nun tragen wir Menschen leider diese unselige Neigung in uns, genau das zu tun: den Sinn unseres Lebens zu verfehlen. Statt Gott für die Gabe des Lebens täglich zu danken, nehmen wir sie als selbst­verständ­lich hin und stellen obendrein noch Ansprüche, wie uns Gott denn für dieses Leben ausstatten soll. Und statt uns der Aufgabe des Lebens so zu stellen, wie Gott es in den Zehn Geboten umrissen hat, entwickeln wir lieber unsere eigenen Vor­stellungen davon, wie wir unser Leben führen wollen. Diese unselige Neigung aller Menschen nennt die Bibel Sünde, und sie würde uns geradewegs aus dem Leben heraus in den Tod führen. Ich sage bewusst: sie würde, denn Gott hat dafür gesorgt, dass sie es nicht tut. Er hat uns durch seinen Sohn Jesus Christus heraus­gerettet aus dem Verhängnis der Sünde und hat uns mit der heiligen Taufe neues Leben geschenkt. Die Taufe, sagt die Bibel, ist ein „Bad der Wieder­geburt“ (Titus 3,5): Mit der Taufe lässt Gott uns noch einmal neu geboren werden zu einem Leben, wo nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern wo wir die Erfüllung unseres Lebenssinns finden. In der Taufe wäscht nämlich Gott selbst unsere Sünde ab – so wie ein total verdreckter Fußball­spieler unter der Dusche wieder sauber wird. Und mit der Taufe legt uns der Heilige Geist den Glauben ins Herz, sodass wir den Sinn unseres Lebens klar erkennen: Ja, mein Leben ist Gottes Gabe, und es soll nach dem leiblichen Tod in Ewigkeit weitergehen – danke, Gott! Ja, mein Leben ist Gottes Aufgabe, und der Heilige Geist zeigt mir, wie ich dieser Aufgabe gerecht werden kann – bitte hilf mir, dass ich es auch tue, Gott!

Der andere Vers in unserem Predigttext führt nun noch ein bisschen ausführ­licher aus, was es bedeutet, sich der Aufgabe des Lebens zu stellen.

Da lesen wir: „Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten.“ Das ist schwieriges Luther­deutsch. In der guten Nachricht heißt es: „Wir wollen nicht nach ver­gänglicher Ehre streben.“ Und die Volxbibel übersetzt: „Dass wir uns auf unsere tollen Taten sonst was einbilden, das haben wir doch echt nicht mehr nötig!“ Es geht also darum, dass wir selbst in den Hintergrund treten und Gott in den Vordergrund stellen. Oder man kann auch so sagen: Es geht darum, dass wir Menschen uns nicht übermäßig wichtig nehmen, sondern dass wir Gott am wichtigsten finden. Genau das entspricht unserm Lebenssin. Unser Leben ist ja Gottes Gabe – da brauchen wir uns nicht selbst neu zu erfinden oder selbst zu ver­wirklichen. Und unser Leben ist ja Gottes Aufgabe – da brauchen wir nicht von uns aus nach irgend­welchen ehrenvollen Taten zu streben; Gott wird uns schon zeigen, was wir tun sollen. Man muss nicht die Welt retten und auch keine Oratorien kompo­nieren, um Gott zu ehren, man braucht einfach nur zu schauen, was er in seinen Geboten sagt und welchen Nächsten er uns vor die Füße legt, um an ihm Liebe zu üben.

Der letzte Gedanke führt uns dahin, dass Gottes Aufgabe für unser Leben sehr viel mit unsern Mitmenschen zu tun hat. Ja, das ist ein wesent­licher Gesichts­punkt unseres Lebens­sinns: dass wir danach streben, das Leben für die anderen Menschen ein bisschen schöner zu machen. Oder umgekehrt: dass wir uns hüten, unsern Mitmenschen zu schaden oder ihnen das Leben zu verekeln. Darauf zielen besonders die Worte am Ende unsers Predigt­textes ab: „Lasst uns nicht einander heraus­fordern und beneiden.“ Damit ist ein ganz wesent­liches zwischen­mensch­liches Problemfeld an­gesprochen: Es geht ums Ver­gleichen. Das geht schon im Kindesalter los und zeigt sich zum Beispiel bei den Schul­zensuren. Da sagt der eine überheblich zum andern: Ätsch, ich habe eine Eins in Mathe und du nicht! Und da wird der andere, der nur eine Vier hat, gelb vor Neid. Dem Lebenssinn entspricht es eher, wenn beide trotz des Zensuren­unter­schieds gute Freunde sein können und wenn der Bessere dem Schlech­teren hilft. Auch der sportliche Wettkampf birgt die Gefahr in sich, den Lebenssin zu verfehlen – nämlich dann, wenn es nur noch ums Gewinnen geht; wenn der Gewinner dann überheblich triumphiert und der Verlierer den Gewinner glühend beneidet. Oder nehmen wir unter­schiedlich reiche Menschen: Der Reiche ist versucht, seinen Lebenssinn darin zu finden, dass er mit seinem Reichtum herrlich und in Freuden lebt; dabei schaut er dann oft gering­schätzig auf den Armen herab und meint, der könnte sich ja ein bisschen mehr anstrengen, dann würde er auch reich werden. Der Arme dagegen findet es unfair, dass der andere reicher ist als er, und meint, der Reiche müsse ihm einen gehörigen Teil von seinem Reichtum abgeben. Besser wäre es, wenn der Arme dem Reichen seinen Reichtum von Herzen gönnt, der Reiche aber dem Armen freiwillig davon abgibt.

Das sind nur ein paar Beispiel dafür, wie es aussehen könnte, das Leben als göttliche Aufgabe zu meistern. Stellen wir uns dieser Aufgabe – aber seien wir zugleich realistisch genug um einzusehen, dass wir da noch viel üben müssen. Das macht aber nichts. Den Sinn des Lebens haben wir dennoch schon längst gefunden – nämlich darin, dass Gott uns das Leben als Gabe geschenkt hat, und auch das geistliche Leben als ewige Gnadengabe mit unserer Taufe. Dafür wollen wir ihm immer danken und ihn ehren. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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