Sucht das Gute, nicht das Böse!

Predigt über Amos 5,14‑15 zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Seid ihr gute Menschen? Na ja, denkt ihr jetzt vielleicht, natürlich nicht perfekt, aber im Großen und Ganzen doch ganz gut. Viele von euch sind ja von klein auf so erzogen worden, wie es hier beim Propheten Amos heißt: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Wer gut ist, der ist mit Gott im Reinen und lebt gut. So ist es zu allen Zeiten gepredigt worden: Die Guten sind Gottes Lieblinge und haben es daher gut im Leben. Das war so zu Luthers Zeit, das war so zu Paulus‘ Zeit, das war so zu Amos‘ Zeit. Als Amos lebte, meinten die Israeliten, dass bei ihnen alles im grünen Bereich ist. Sie hielten den Sabbat, sie feierten Gottes­dienste im Tempel, sie brachten Opfer dar und sie rühmten sich: Der Herr, der Gott Zebaoth, ist mit uns – er kann mit uns zufrieden sein.

Das war er aber nicht. Wer das Buch des Propheten Amos liest, der erschrickt über Gottes harte Anklagen. Es handelte sich also nicht um eine Routine-Floskel, als Amos predigte: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Das war keineswegs ein Weiter-so-Appell, sondern das war ein Aufruf zur radikalen Umkehr. Gott nahm den damaligen Israeliten übel, dass ihr Alltags­leben nicht mit ihrer frommen Fassade überein­stimmte. Vor allem klagte er sie wegen sozialer Un­gerechtig­keit an, auch wegen Bestechlich­keit und Rechts­beugung. Rechts­sachen wurden damals am Stadttor verhandelt, und so fordert Amos: „Richtet das Recht auf im Tor!“

Zur Zeit des Apostels Paulus war Gottes Urteil über Israel keineswegs milder; wir brauchen uns nur an­zuschauen, wie etwa Johannes der Täufer Buße gepredigt hat, oder auch Jesus selbst. Zu Martin Luthers Zeiten stand es auch nicht gerade gut um die christliche Kirche. Und wenn Gott uns heute einen Propheten wie Amos schicken würde, dann würde der uns ebenfalls ganz schön die Leviten lesen: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Vielen Ungeborenen wird in unserm Land das Recht auf Leben verweigert, Gottes Ordnungen für Ehe und Familie befinden sich in der Auflösung, und selbst der Anschein von Frömmigkeit und Kirchlich­keit ist von den meisten bereits abgelegt worden. Denkt aber nicht, dass wir hier als die letzten paar Guten in der Kirche zusammen­hocken! Schaut in eure eigenen Herzen, wie wenig Liebe und Gerechtig­keit da zu finden sind, wie wenig Opfer­bereit­schaft und Gottes­furcht! Gibt es da nicht Leute, die es endgültig mit euch verdorben haben und denen ihr nicht mehr vergeben könnt? Oder beansprucht ihr nicht einen bestimmten Lebens­standard und seid gleich­gültig gegenüber der Tatsache, dass es den meisten Menschen in der Welt viel schlechter geht? Auch bei jedem einzelnen von uns kann das kein Weiter-so-Appell sein, sondern es ist ein Aufruf zur radikalen Umkehr: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“

Alle, die sich ehrlich und gründlich an Gottes Erwartungen prüfen, sehen ein: Ich bin nicht gut. Jeder, der die Zehn Gebote und vor allem das Liebesgebot zum Maßstab seines Lebens macht, wird in der Beichte ehrlichen Herzens immer wieder bekennen müssen: „Ich armer, elender, sündiger Mensch!“ Als Martin Luther sich im Kloster nach Kräften abmühte, Gott zu gefallen, da stand am Ende die Erkenntnis: „Ich fiel auch immer tiefer drein, / es war kein Gut's am Leben mein, / die Sünd hatt' mich besessen.“ Und Paulus schrieb im Römerbrief: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich… Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem tod­verfallenen Leibe?“ (Römer 7,19.24).

Nun ja, wenn wir schon nicht gut sind, dann können wir doch gut werden. Es stimmt hoffnungs­voll, dass Gottes Wort nicht verstummt ist, sondern immer noch ruft: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Wenn Gott so mit uns Menschen redet, dann hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, sondern hält eine Besserung für möglich. Wenigstens einige Menschen werden sich seine Worte zu Herzen nehmen. Auch der Prophet Amos brachte damals die Hoffnung zum Ausdruck, dass ein Rest vom Volk Israel geläutert aus Gottes drohendem Straf­gericht hervorgehen werde. Er predigte: „Vielleicht wird der Herr, der Gott Zebaoth, doch gnädig sein denen, die von Josef übrig bleiben.“

Wir sind nicht gut, aber wir können gut werden! „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Also gut, packen wir es an! Geben wir uns einen Ruck! Mühen wir uns um Besserung! Überwinden wir den Schweine­hund in uns! Habt ihr das schon mal ernsthaft probiert? Und wie ist es euch dabei ergangen? Ich selbst habe es probiert, mehr als einmal, und ich muss sagen: Ich bin kläglich ge­scheitert. Ich habe schon oft die Erfahrung machen müssen, die auch Luther gemacht hat und ebenso Paulus: „Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht“ (Römer 7,18). Ich habe mich dabei ertappt, dass ich Dinge tue, von denen ich genau weiß, dass sie Gott nicht gefallen. Ich habe Dinge gesagt, von denen ich mir fest vorgenommen habe, dass ich sie nicht mehr sagen wollte. Ich habe Gedanken Raum gegeben, denen ich eigentlich schon Hausverbot erteilt hatte in meinem Kopf. Und so stelle ich beschämt fest: Ich bin nicht nur nicht gut, sondern ich kann nicht einmal gut werden – jedenfalls nicht aus eigener Kraft.

Ist damit alles aus? Ist damit die letzte Möglichkeit vertan, Frieden mit Gott und gutes Leben zu finden? Nein, keineswegs. Gott redet ja noch mit uns, Gott ruft weiter: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Und was ist nun, wenn ich das Gute zwar liebe, aber es nicht finde, es nicht schaffe? Da antwortet Gott: Du suchst das Gute an der falschen Stelle. Du suchst das Gute nämlich in dir selbst; du willst aus eigener Kraft gut sein. Das klappt aber nicht, denn „das Dichten und Trachten des mensch­lichen Herzens ist böse von Jugend auf“ (1. Mose 8,21). Suche das Gute woanders! Ich erwidere: Wo soll ich es denn suchen? Da redet Gott noch einmal durch den Propheten Amos zu mir und sagt: „Suchet den Herrn, so werdet ihr leben“ (Amos 5,6). Ja, genau da finden wir das Gute: bei unserm Herrn! Der ist gut und liebevoll, der ist barmherzig und gnädig. Darum will er nicht, dass wir an unserer Schlechtig­keit zugrunde gehen, und reißt uns deshalb heraus aus unserem Verderben. Amos predigte: „Vielleicht wird der Herr, der Gott Zebaoth, doch gnädig sein.“ Das Wörtchen „viel­leicht“ kann auch als Stoßseufzer übersetzt werden: „Ach wenn doch der Herr, der Gott Zebaoth, gnädig ist!“

Diesen Stoßseufzer erhört Gott und hat ihn schon erhört. Er hat den ver­sprochenen Erlöser gesandt, Jesus Christus, seinen ein­geborenen Sohn. Durch ihn ist aus dem „Viel­leicht“ ein „Bestimmt“ geworden: „Bestimmt wird der Herr, der Gott Zebaoth, doch gnädig sein.“ Jesus hat allen, die an ihn glauben, fest ver­sprochen, dass sie zu Gottes Reich gehören und das ewige Leben erben. Durch seinen Opfertod am Kreuz hat er böse Menschen gut gemacht – die Sünde ist vergeben. Wir sind nicht gut, wir können auch nicht aus eigener Kraft gut werden, aber wir werden gut gemacht durch Christi Blut. Als Paulus bange fragte: „Wer wird mich erlösen von diesem tod­verfallenen Leibe?“, da gab er sich selbst die richtige Antwort: „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!“ (Römer 7,24-25). Und als Luther in seinem Mönchsleben ver­zweifelte an seinem Bemühen, gut zu werden, da erleuchtete ihn Gott mit dem Evangelium, sodass er dichten konnte: „Er sprach zu mir: / Halt dich an mich, / es soll dir jetzt gelingen; / ich geb mich selber ganz für dich, / da will ich für dich ringen!“ Wenn wir beichten und sprechen: „Ich armer, elender, sündiger Mensch!“, dann kriegen wir nicht zu hören, dass wir uns künftig mehr Mühe geben sollen, sondern dann bekommen wir die Frucht von Christi Heilsmühen zu­gesprochen: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Wir sind nicht gut, wir können auch nicht aus eigener Kraft gut werden, aber Gott macht uns gut durch seinen ein­geborenen Sohn. Deshalb lasst uns vor allen Dingen und zuallererst Christus suchen und ihm im Glauben anhängen, dann reagieren wir richtig auf Gottes Auf­forderung: „Sucht das Gute, nicht das Böse! Hasst das Böse, liebt das Gute!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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