Gottes Führung

Predigt über Jeremia 1,1-8 zum 9. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Bei den Olympischen Spielen in London gewann eine erst 15-jährige Litauerin die Gold­medaille im 100-Meter-Brust­schwimmen: Ruta Meilutyte. Mancher fragt: Ist sie nicht eigentlich zu jung, um Hoch­leistungs­sport zu betreiben? Und ist sie nicht überfordert von dem großen Medien­rummel? Im Interview nach dem ent­scheidenden Rennen stammelte sie: „Das ist alles zuviel für mich.“ Gibt sie damit nicht auch selbst zu: Ich bin zu jung? Die Tatsachen sprechen dagegen: Sie hat ja die Besten aus aller Welt geschlagen. Und mit dem Medien­rummel wird sie schon fertig werden.

2638 Jahre vor Ruta Meilutytes Sieg sagte ein junger Mann angesichts einer großen Heraus­forderung ebenfalls: „Ich bin zu jung.“ Er hieß Jeremia. Seine große Heraus­forderung war Gottes Ruf: Du sollst mein Prophet sein! Nur wenige Menschen haben jemals direkt Gottes Stimme gehört. Jeremia gehört zu ihnen. Er war damals sicher schon älter als 15. Aber er fühlte sich dennoch zu jung für so ein großes Amt. Er wollte noch kein Prophet werden. Er hielt sich für ungeeignet. Das war übrigens auch bei anderen Propheten so. Als Gott Mose berief, da sagte Mose: Nein, ich kann nicht gut reden! Und als Gott Jona berief, da lief Jona einfach weg. Trotzdem sorgte Gott dafür, dass alle drei Propheten wurden: Jona, Mose und eben auch Jeremia. Gott betreibt in seinem Reich eine alternativ­lose Personal­politik; er lässt sich da nicht hinein­reden. Dem Jeremia hat er sogar Einblick in seine Personal­politik gegeben. Er hat ihn berufen mit den Worten: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.“ Noch bevor Jeremia gezeugt wurde und bevor er als Embryo im Bauch seiner Mutter heranwuchs, kannte Gott bereits seinen gesamten Lebenslauf. Und er kannte diesen Lebenslauf nicht nur, sondern er gestaltete ihn aktiv nach seinem heiligen Willen: Ein Prophet sollte Jeremia werden – ein Mann, der dem Volk Israel und anderen Völkern Gottes Botschaft bringt.

Liebe Brüder und Schwestern, wir alle haben unsern Platz in Gottes Personal­politik. Zwar hat noch niemand von uns direkt Gottes Stimme gehört. Die meisten sind auch nicht berufen, Gottesboten zu werden. Und doch kennt Gott jeden Lebensweg von uns. Und er kennt ihn nicht nur, sondern er will ihn auch gestalten. Oft tut er es nicht durch so klare Vorgaben wie bei Jeremia. Trotzdem sollten wir Gott bitten: „Weise mir, Herr, deinen Weg“ (Psalm 86,11). Gott hat nämlich bestimmte Vor­stellun­gen davon, wie wir leben sollst – im Beruf, in der Familie und in der Kirchen­gemeinde. Wenn wir etwas davon erkennen, dann sollten wir nicht sagen: Ich bin zu jung! Oder: Ich bin zu alt! Oder: Das kann ich nicht! Oder gar: Das will ich nicht! Gott macht keine Fehler in seiner Personal­politik. Wir tun gut daran, uns seinem Willen unter­zuordnen. Zum Beispiel in der Kirchen­gemeinde. Da ist es Gottes Aufgabe für uns, sonntags in der Kirche zusammen mit den anderen Christen Gott zu loben, ihn anzubeten und sein Wort zu hören.

Gott ist ein gütiger Gott. Er verlangt nichts Un­mensch­liches von uns. Und wenn wir Bedenken haben, dann geht er liebevoll darauf ein und zerstreut sie. So war das auch bei Jeremia. Als Jeremia sagte: „Ich bin zu jung“, erwiderte Gott: „Sage nicht: Ich bin zu jung, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten.“

Liebe Brüder und Schwestern, in diesen Worten finden wir zwei typische Auf­forderun­gen: „Du sollst!“ und „Fürchte dich nicht!“. Beide Auf­forderungen finden sich viele Male in der Bibel. Das ist Gottes Art, mit uns Menschen zu reden. Wenn wir Einwände und Bedenken gegen seinen Willen haben, dann sagt er diese beiden Dinge: „Du sollst!“ und „Fürchte dich nicht!“ Das „Du sollst!“ ist typisch für Gottes Gesetz. So fangen alle Gebote an: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“, „Du sollst den Namen des Herrn nicht miss­brauchen!“, „Du sollst den Feiertag heiligen!“, und wie sie alle heißen. Ausreden lässt Gott nicht gelten; wir sollen so leben, wie er es von uns erwartet. Sein Wille ist gut und richtig. Und wenn er einen besonderen per­sönlichen Auftrag hat, dann gilt ebenfalls das „Du sollst!“. Es gilt ohne Wenn und Aber. Der junge Mann Jeremia musste ein Prophet werden, er konnte nicht anders, denn Gott wollte es so. Aber zugleich redete Gott freundlich mit ihm und sagte: „Fürchte dich nicht!“ Er machte ihm Mut. Er gab ihm zu verstehen: Lass das nur meine Sorge sein, wie du diesem großen Auftrag gerecht werden kannst. Genauso gut meint Gott es mit uns allen. Das „Fürchte dich nicht!“ ist typisch für Gottes Evangelium. Wenn uns sein Wille für unser Leben zu schwer erscheint, dann sagt er: „Fürchte dich nicht!“ Er sagt es vor allem durch seinen Sohn Jesus Christus. Bei Jesu Geburt und bei Jesu Auf­erstehung haben Engel wiederholt so gesprochen: „Fürchtet euch nicht!“ Und Jesus selbst hat seine Jünger auch so angeredet. Warum brauchen wir uns nicht zu fürchten? Aus demselben Grund, warum sich Jeremia damals nicht zu fürchten brauchte. Gott sagte ihm: „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“ Erstens: Gott ist immer bei uns. Wir sind nicht allein; er lässt uns niemals im Stich. Und zweitens: Er errettet uns. Er erlöst uns von allem Übel. Ja, eigentlich hat er uns bereits vor dem Schlimmsten errettet: vor der Macht der Sünde und des Todes. Er hat es getan durch seinen Retter Jesus Christus. Den hat er wie Jeremia schon lange vorher ausersehen zu diesem Amt. Gottes Personal­politik hat immer einen langen Atem. An den Retter Jesus Christus hat Gott sogar schon gedacht, als die Welt überhaupt noch nicht geschaffen war. Der Apostel Paulus schrieb den Ephesern: „In ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war“ (Eph. 1,4).

Nach diesem „Du sollst!“ und diesem „Fürchte dich nicht!“ war Jeremia bereit, Gottes Bote zu werden. Nun war er gut vorbereitet darauf. Und er hat diesen Dienst viele Jahre lang ausgeübt, bis an sein Lebensende. In den ein­leitenden Versen seines Buches erfahren wir, dass er zur Zeit des Judenkönigs Josia angefangen und dann bis in die Zeit des Judenkönigs Zedekia hinein gewirkt hat – etwa 50 Jahre lang! Die 52 Kapitel des Jeremia­buchs geben Zeugnis davon, dass es harte Jahre waren. Gott hat Jeremia auch im Privatleben sehr viele Leiden und Ent­behrungen zugemutet. Jeremia hatte es zeitweise so schwer, dass er fast zerbrochen wäre. Aber immer wieder richtete Gott ihn auf und tröstete ihn.

Liebe Brüder und Schwestern, diese Zuversicht dürfen auch wir haben: Gott geht mit auf unserem Lebensweg und hilft uns hindurch, wenn es schwer wird. Darum dürfen wir stets fröhlich alles anpacken, was er von uns erwartet. Dass wir uns nur nicht vor seinem Auftrag drücken! Noch einmal: Gottes Personal­politik ist gut und segens­reich. Das galt damals für Jeremia und das Volk Israel; das gilt auch noch heute für dich und für mich und für die ganze Christen­heit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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