Gottes Zeichen nicht verachten

Predigt über Jesaja 7,10‑14 zum Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wie dumm von König Ahas, und wie schein­heilig! Da macht Gott ihm ein einmaliges Angebot, und er schlägt es aus. Gott forderte Ahas, den König von Juda, auf: Wünsch dir ein Wunder­zeichen von mir, damit du in schwieriger politischer Lage Gewissheit bekommst, dass ich mit dir bin! Wünsch dir ein Wunder­zeichen – egal was es ist, ich will es tun! Wenn Gott so zu uns sprechen würde, das würden wir uns doch nicht zweimal sagen lassen; diese Chance würden wir uns doch nicht entgehen lassen. Nun macht aber Gott normaler­weise nicht solche Angebote, er hat es damals nur ausnahms­weise für Ahas getan. Aber da sagt doch dieser Esel von einem König: „Nein, ich wills nicht fordern.“ Und er fügt schein­heilig hinzu: „… damit ich den HERRN nicht versuche.“ Uns allen ist klar: Das wäre überhaupt kein Gott-Versuchen gewesen, denn Gott hat das Wunder­zeichen ja selbst angeboten.

Der Prophet Jesaja nimmt kein Blatt vor den Mund und kritisiert die Schein­heilig­keit des Königs. Und dann kündigt er ein Wunder­zeichen an, das Gott von sich aus geben wird: „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.“ Wir wissen, dass Gott sein Versprechen wahr gemacht und dieses Zeichen gegeben hat – nicht dem König Ahas damals, aber später seinem Volk der Juden und darüber hinaus allen Menschen der Welt. Es ist das größte Wunder der Welt­geschichte: Gott lässt die Jungfrau Maria schwanger werden mit seinem ein­geborenen Sohn und erlöst die ganze Menschheit durch ihn.

Und wie gehen die Menschen mit diesem größten aller Wunder um? Leider machen viele es ebenso wie damals König Ahas: Sie lehnen es ab. Sie wollen kein Wunder­zeichen von Gott haben. Sie halten es entweder für ein Märchen, oder sie denken, es bringt ihnen nichts. Gott bewahre uns davor, dass wir dieses Zeichen derart gleich­gültig verachten!

Es gibt aber auch Ablehnung in frommen Kreisen – eine schein­heilige Ablehnung, wie damals bei Ahas. Diese Ablehnung des Wunders der Jungfrauen­geburt findet ihren Nieder­schlag in einem Kreuzchen in modernen Ausgaben der Luther­bibel. Wer die Stelle bei Jesaja 7 nach­schlägt, findet dieses Kreuzchen hinter dem Wort „Jungfrau“, und er kann dann am Fuß der Seite dazu lesen: „Andere Über­setzung: ‚junge Frau‘.“ Mit scheinbarer Treue zum Wortlaut der Bibel sagen viele Theologen: Das hebräische Wort kann auch „junge Frau“ heißen, sogar „junge ver­heiratete Frau“, und wenn man es so übersetzt, dann braucht man nicht das Unvorstell­bare zu glauben, dass eine Frau schwanger wird, die noch Jungfrau ist. Dabei haben wir doch eben in der Evan­geliums­lesung gehört, unter welchen Umständen Maria schwanger wurde; sie selbst hat den Engel gefragt: „Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“ (Luk. 1,34). Und der Evangelist Matthäus hat klar bezeugt: „Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: ‚Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären…‘“ (Matth. 1,23). Wenn der heilige Apostel und Evangelist Mathäus unter dem Einfluss des Heiligen Geistes das betreffende Wort im Neuen Testament mit „Jungfrau“ übersetzt, wie kämen wir dann dazu, es mit mit „junge Frau“ übersetzen zu wollen? Vergessen wir also das dumme schein­heilige Kreuzchen; das Wort kann nur „Jungfrau“ heißen – in dem eindeutigen Sinn, wie wir das Wort auch im Deutschen gebrauchen. Wenn Gott uns so ein großes Wunder­zeichen schickt, dann sollten wir es freudig annehmen, kindlich darüber staunen und nicht aufhören zu bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria.“ Got bewahre uns davor, das Wunder der Jungfrauen­geburt durch dumme Klugheit weg­zudisku­tieren.

Allerdings dürfen wir nicht beim Wunder der Jungfrauen­geburt stehen­bleiben. Das ist nämlich nur die erste Hälfte von dem Zeichen, das Gott durch Jesaja angekündigt und durch Jesus geschenkt hat. Weiter heißt es in dem Propheten­wort: „Sie wird ihn Immanuel nennen.“ Wir merken sofort, dass es dabei gar nicht um die eigentliche Namengebung geht. Maria hat ihren Sohn nicht wirklich Immanuel genannt, sondern Jesus – eben so, wie der Engel es ihr aufgetragen hatte. Beim Namen „Immanuel“ kommt es vielmehr auf die Bedeutung an: Er bedeutet „Gott ist mit uns“. Dieser Name bezeichnet den Höhepunkt des göttlichen Wunder­zeichens: Gott wendet sich nicht angewidert von uns ab, Gott lässt uns nicht als hoffnungs­lose Fälle im Stich, Gott straft uns nicht mit glühendem Zorn, sondern Gott ist „mit uns“, kommt zu uns, wendet sich uns freundlich zu in Jesus Christus. Für dieses Wunder gibt es kein Motiv und keine Erklärung; wir können es nur Gottes Liebe nennen und darüber staunen: Gott ist mit uns – und will mit uns bleiben in alle Ewigkeit!

Dieses eine große Wunder der Mensch­werdung Gottes zieht weitere Wunder­zeichen nach sich. Da haben wir das Zeichen der Taufe, mit der Gott zeigt: „Ich bin mit dir und mache dich zu meinem geliebten Kind und Himmels­erben.“ Da haben wir das Wunder der Sünden­vergebung in der Beichte, wo Gott zeigt: „Nichts trennt mich von dir, und sei deine Sünde auch noch so groß.“ Da haben wir das Wunder des Altar­sakraments, wo Gott zeigt: „Ich bin bei euch so unglaublich nah und intensiv, dass ihr es überhaupt nicht fassen könnt mit euren Verstand; ihr könnt den Leib Jesu essen und sein Blut trinken!“ Ja, Gott schenkt uns diese wunderbaren Zeichen – aber auch sie werden von vielen aus­geschlagen durch Dummheit und Schein­heilig­keit. Da sind viele Christen zu bequem geworden, um zur Beichte und zum Heiligen Abendmahl zu kommen. Sie meinen, es reiche aus, wenn sie sich zu Hause mit einer Gottes­dienst­übertragung im Fernsehen berieseln lassen. Oder da meinen viele Christen, die Taufe sei gar nicht Gottes wunderbares Zeichen für den Menschen, sondern vielmehr ein Zeichen des Menschen für Gott, mit dem er ihm seine Ent­schlossen­heit zur Nachfolge beweisen muss.

Gott bewahre uns davor, dass wir auf die eine oder andere Weise seine Wunder­zeichen aus­schlagen! Gott behüte uns auch davor, gleich­gültig zu werden und zu meinen, es sei letztlich egal, was die ver­schiedenen Kirchen über die Sakramente lehren. Es ist nicht egal – ebenso­wenig, wie es egal ist, ob man „Jungfrau“ oder „junge Frau“ übersetzt. Denn von der Sakraments­lehre hängt es ab, ob wir sagen, Jesus ist ein „Immanuel“, ein „Gott-mit-uns“, der zu uns vom Himmel herab­gekommen ist, ober ob wir sagen: Wir müssen uns mit eigener Glaubens­kraft und Frömmigkeit zu Gott empor­schwingen. Nur aus diesem Grund hat die lutherische Kirche eine Daseins­berechti­gung: weil sie dies gegen alte und neue Irrtümer hochhält und verteidigt. Und aus diesem Grund lohnt es sich auch, den schwierigen Weg einer kleinen und schwachen Minderheit zu gehen, einer Bekenntnis­kirche eben: Nicht, weil wir etwas Besseres sein wollen als andere Christen, sondern nur deshalb, damit das gott­gegebene Wunder­zeichen un­verfälscht hoch­gehalten und auch weiterhin verkündigt wird: Siehe eine Jungfrau wurde schwanger und hat einen Sohn geboren, den wahren Gott und Menschen Jesus Christus; und sein Name ist Immanuel, denn durch ihn kommt Gott uns auch heute noch ganz nah in seinem Wort und Sakrament. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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