Gottes ungewöhnliche Wege

Predigt über Matthäus 2,13‑23 zum 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Heutzutage scheint das Christsein ein ziemlich aus­getretener Weg zu sein. Wer an Gott glaubt und zur Kirche gehört, der gilt als kon­servativ. Er bleibt bei der Welt­anschauung, die schon seine Ur­groß­eltern hatten und die unsere Gesell­schaft jahr­hunderte­lang prägte. Dabei wird leicht vergessen, dass sich eigentlich auf Abenteuer einlässt, wer Ernst macht mit einem Leben in der Nachfolge Jesu. Er lässt sich nämlich auf Gottes un­gewöhn­liche Wege ein, die sein ganzes Leben bestimmen. Das Gotteswort, das wir in dieser Predigt betrachten, kann uns dafür die Augen öffnen.

Das zweite Kapitel des Matthäus­evangeliums handelt von Jesu Geburt, von den Weisen aus dem Morgenland, von der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten und von ihrer Rückkehr nach Nazareth. Alles dreht sich dabei um ein einziges Kind, um Jesus. Auch die anderen Kapitel des Matthäus­evangeliums drehen sich um ihn, auch die anderen Evangelien, auch der Rest der Bibel. Es kann nicht anders sein; die Weihnachts­zeit und die Epiphanias­zeit öffnen uns dafür besonders die Augen: Alles dreht sich um Jesus, denn mit ihm ist Gottes Herrlich­keit auf unserer armen Erde erschienen; Gott selbst ist Mensch geworden. So muss es auch im Leben eines jeden Christen sein: Alles dreht sich um Jesus. Er ist der Herr, ich bin sein Jünger. „Nichts soll mir werden / lieber auf Erden.“ Jesus ist mein König, mein Lebens­inhalt, meine Nummer Eins, mein Ein und Alles. Darum bejahe ich, dass sich auch bei Gottes Wegen in meinem Leben alles um Jesus dreht.

Nun ist aber die Frage: Wie weist mir Gott denn seine guten Wege in der Nachfolge von Jesus Christus? Lasst uns dieser Frage nachgehen anhand der Ereignisse, über die Matthäus berichtet hat!

Maria, Josef und das Jesuskind wohnten in einem Haus in Bethlehem. Ob es noch immer der Viehstall war, in dem Jesus geboren wurde, wissen wir nicht. Auf alle Fälle war es eine behelfs­mäßige Unterkunft. Allerdings gaben nun königliche Gegenstände dieser Hütte einen besonderen Glanz: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Die Weisen waren gerade wieder abgereist, und es wurde Nacht. Das Mondlicht spiegelte sich im Gold; Maria hatte Jesus gestillt; nun fiel die heilige Familie in friedlichen Schlaf. Da sah Josef im Traum einen über­irdischen Bekannten wieder: Gottes Engel trat zum zweiten Mal in sein Leben – wie damals in Nazareth, als er ihm geboten hatte, Maria trotz ihrer Schwanger­schaft nicht zu verlassen. Wieder war es eine göttliche Anweisung, die der Himmelsbote Josef brachte. Er sagte zu ihm: „Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir's sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es um­zubringen.“ Wir erinnern uns: Als Herodes der Große in Jerusalem von den Weisen erfuhr, dass in Israel ein neuer König geboren wurde, da zitterte er um seine Macht und schmiedete finstere Pläne, wie er diesen ver­meintlichen Konkur­renten möglichst schnell beseitigen kann.

Gott kann durchaus in Träumen Wege weisen und hat es oft genug getan. Allerdings müssen wir auch zur Kenntnis nehmen: Gott hat nur in ganz besonderen Situationen Träume und Engel als Kommu­nikations­mittel benutzt; der Normalfall ist das nicht. Es wäre fatal, wenn wir keine Ent­scheidungen mehr fällen würden, bevor uns nicht Gott im Traum einen Engel geschickt hat. Gott lenkt unsere Auf­merksam­keit im Zeitalter der Kirche auf ganz andere Kanäle: Durch seinen Sohn hat er geredet, und durch dessen Apostel hat der die gute Nachricht von seinem Sohn ausbreiten lassen, und im Neuen Testament finden wir zuverlässig das Zeugnis dieser Apostel, und in der Kirche hat Gott seine Hirten und Lehrer eingesetzt, die sein Wort genauso gehorsam und zuverlässig weitergeben sollen, wie es zu Josefs Zeit die Engel taten. Nicht im Traum, sondern durch Jesus und die Apostel und die Pastoren gibt Gott uns heute seine An­weisungen, zum Beispiel diese: „Kommt! Nehm! Esst! Trinkt! Tut soches!“ Wir tun gut daran, uns das nicht zweimal sagen zu lassen, sondern immer wieder gern zum Tisch des Herrn zu treten und das Heilige Abendmahl zu feiern.

Josef vertraute Gott und gehorchte seinem Wort. Er tat es un­verzüg­lich; er wartete nicht bis zum nächsten Morgen. Er weckte Maria, packte seine Sachen und machte sich mit Frau und Kind auf die Flucht. Ob ihm dabei wirklich ein Esel zur Verfügung stand, wie manche alten Bilder es glauben machen, ist nicht über­liefert. Mehrere Tage waren sie unterwegs, bis sie das Hoheits­gebiet Herodes des Großen verlassen hatten. Und dann lebten sie mehrere Jahre lang in Ägypten als Asylanten, als politisch Verfolgte. Auch mit diesem frühen Ereignis in der Biografie unseres Herrn erfüllte sich eine pro­phetische Weissagung. Gott sprach einst durch den Propheten Hosea: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ Herodes aber war außer sich vor Wut, als er merkte, dass die Weisen nicht wieder bei ihm vorbeikamen und ihm mitteilten, wie der neu geborene König hieß. Es folgte diese ekelhaft grausame Tat, dass er hunderte von Säuglingen in Bethlehem und Umgebung den Müttern aus den Armen reißen und töten ließ. Da war das Weinen und Wehklagen groß; auch das ist bereits von Propheten voraus­gesagt worden.

Auch heute sind Gottes Wege oft harte Wege – manchmal so hart, dass Menschen weinen und wehklagen müssen. Die Alten unter uns haben teilweise am eigenen Leib erfahren, was es heißt, aufgrund der Willkür böser Machthaber fliehen zu müssen. Gott ließ das damals zu, und er lässt noch heute manche grausame Tat zu. Gott ist allmächtig: Er könnte es verhindern, aber er tut es nicht. Warum? Wir Menschen sollen niemals aus dem Blick verlieren, wie schlimm die Sünde ist und wie entsetzlich das Böse. Es ist in Gottes un­erforsch­lichem Rat be­schlossen, dass auch wir immer wieder darauf gestoßen werden und unser Teil an Leiden abbekommen. Wie gut, wenn wir ihm dann bedingungs­los vertrauen – so wie Josef. Wie gut, wenn wir bereit sind, unsere Bequem­lich­keit zu opfern – wie die heilige Familie, die mitten in der Nacht aufstand, um eine lange und unbequeme Reise anzutreten. Oftmals ist es in unserem Leben ja nicht das Problem, dass wir Gottes Willen nicht erkennen würden; oftmals ist es vielmehr das Problem, dass wir uns nicht danach richten, weil uns Gottes Wille zu unbequem erscheint. Ebenso ist es ein Problem, dass wir nicht einsehen wollen, was Gott mit dem Leiden be­absichtigt. Aber das, was Jesus schon als Säugling erlebte, zeigt uns: Gott hält sich da nicht heraus, er leidet mit uns mit, ja, er geht uns voran im Leiden. Jesus nachfolgen heißt also, auch zum Leiden bereit zu sein, wenn Gott es so über uns beschlossen hat.

Einige Jahre lebte die heilige Familie im Asyl, dann wurde alles besser. Wieder begann es damit, dass Gottes Engel dem Josef im Traum erschien; zum dritten Mal tat er es. Und wieder hatte Gott eine Anweisung für Josef, den Verantwortlichen für diese kleine Familie. Er trug ihm auf: „Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.“ Herodes der Große war gestorben und sein Reich zerteilt worden. Was für ein Freudentag für Josef und Maria! Endlich durften sie nach Hause! Ja, wirklich dahin, wo sie das letzte Mal richtig zu Hause gewesen waren: nach Galiläa, nach Nazareth. Weil in Bethlehem und in ganz Judäa Archelaus herrschte, der Sohn Herodes des Großen, wies Gott ihnen an, dieses Gebiet zu meiden und nach Nazareth zu ziehen. Wieder erinnert der Evangelist Matthäus an ein Propheten­wort: „Er soll Nazarener genannt werden.“ Und so wurde er ja dann später auch wirklich genannt, sodass viele gar nicht wussten, dass er in Bethlehem geboren worden war – der Jesus aus Nazareth.

Gott hat mit seiner erneuten Wegweisung Rücksicht genommen auf Josefs Be­fürchtun­gen: Er wollte ihm nicht zumuten, im gefähr­lichen Judäa zu bleiben, und schickte ihn deswegen wieder nach Galiläa. Gott hatte Gutes mit ihm und seiner Familie im Sinn. Und auch mit uns hat Gott Gutes im Sinn; darauf können wir uns verlassen. Gott weiß, was uns ängstet und Not macht, und er passt seine Wegweisung ent­sprechend an. Das Beste aber ist: Er führt uns auf seinen manchmal notvollen und auch seltsamen Wegen zum Ziel. Wie er Maria und Josef mit Jesus nach Hause führte, so will er auch uns letztlich nach Hause führen, selbst wenn der Weg dorthin noch so ver­schlungen ist. Einmal werden wir am Ziel sein bei unserem himmlischen Vater; da ist dann unser Nazareth.

Letztlich hat Gott seinen Mensch gewordenen Sohn nur deshalb auf so einen schweren Weg geschickt, damit wir unser Ziel nicht verfehlen. „Heilsweg“ wird Gottes Weg mit seinem Sohn genannt – der Weg Jesu, der von Bethlehem über Ägypten nach Nazareth führte, und der dann später weiter führte nach Jerusalem und nach Golgatha und zum Ölberg und in den Himmel. Diesen Heilsweg hat der himmlische Vater schon lange zuvor bekannt gemacht durch die Weissagungen der Propheten. Es ist ein Weg, der noch lange danach seine Aus­wirkungen hat – bis hin zum Lebensweg jedes Einzelnen von uns, und bis hin zu unserem herrlichen Ziel. Dafür sei Gott gelobt und gepriesen in Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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