Die Könige und der König

Predigt über Psalm 72,11‑12 zum Epiphaniasfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Lasst uns heute mal wieder ganz kindlich werden, so wie Grund­schüler, die über ihren Fibeln brüten! Lasst uns die beiden eben gehörten Psalmverse Wort für Wort durch­buchstabie­ren – aber nicht, um lesen zu lernen, sondern um Gottes Botschaft besser verstehen zu lernen!

Am Anfang steht: „Alle Könige“. Da dürfen wir nicht zuerst an Royals und Aristo­kraten denken, die den Klatsch­zeitschrif­ten Gesprächs­stoff liefern. „Alle Könige“ meint vielmehr ganz allgemein alle Leute, die Macht über andere ausüben: Prä­sidenten, Kanzle­rinnen, Häupt­linge, Chefs, Direk­toren, Diktatoren oder Bosse. All diese „Könige“ geben An­weisungen, und andere führen sie aus. Andere gehorchen ihnen – oder tun wenigstens so, als ob sie ihnen ge­horchten. Andere fürchten sie oder himmeln sie an, verbeugen sich vor ihnen und fallen sogar vor ihnen nieder. Die Weisen aus dem Morgenland waren solche Könige. Wir können sicher sein: Sie reisten nicht ohne große Diener­schaft, die auf jeden Wink ihrer Finger reagierte.

Wir buchsta­bieren weiter: „Alle Könige sollen vor ihm nieder­fallen.“ Sie „sollen“, heißt es. Merk­würdig: Sonst wollen Könige immer etwas, und die Unter­gebenen sollen dann. Wenn hier die Könige etwas sollen, dann kann das nur bedeuten: Es gibt einen höheren König. Dieser über­geordnete König will etwas, und alle anderen Könige müssen sich ihm beugen.

Dieser über­geordnete König erscheint hier nur in dem un­scheinbaren Fürwort „ihm“. „Vor ihm“, heißt es. Wer sich hinter dem Wort „ihm“ verbirgt, das erfahren wir am Anfang des Psalms. Da betet Salomo (auch ein König): „Gott, gib dein Gericht dem König und deine Gerechtig­keit dem Königs­sohn.“ Hier merken wir, wer dieser über­geordnete König und Königssohn ist: Es ist derjenige, dem Gott selbst alle Macht gegeben hat im Himmel und auf Erden. Es ist der König, dem die Einwohner­schaft von Zion freudig „Ho­sianna!“ zujubelt. Es ist der Welten­richter, der einst kommen wird, zu richten die Lebendgen und die Toten. Dieser Königssohn ist der ein­geborene Gottes­sohn; dieser oberste König ist Gott selbst in Jesus Christus. Gott will etwas, und alle anderen Könige müssen sich vor ihm beugen.

Ja, beugen müssen sie sich – im wahrsten Sinne des Wortes. Hören wir den Satz noch einmal im Zusammen­hang: „Alle Könige sollen vor ihm nieder­fallen.“ An den Weisen aus dem Morgenland können wir das gut erkennen: Sie waren nicht deshalb nach Bethlehem gekommen, weil sie Lust auf Urlaub hatten, sondern Gott selbst hatte ihnen den Weg gewiesen mit seinem Stern. Gott selbst hatte ihnen in Jerusalem aus der Bibel den Tipp gegeben, dass der Messias in Bethlehem zur Welt kommt. Und Gottes Heiliger Geist hatte ihnen dann schließ­lich die Idee ins Herz gelegt, vor dem Kind in der Krippe nieder­zufallem und es anzubeten. Sie sollten, sie mussten das tun. Das ist bis heute so geblieben: Gott erwartet von allen Königen und allen Mächtigen der Welt, dass sie vor Jesus nieder­fallen und ihn als Herrn anerkennen – also als den einen über­geordneten König. Wer es nicht tut, der muss wissen: Er widersetzt sich Gottes Willen, er ist un­gehorsam. Ja, noch heute gilt das göttliche „Sollen“. Weh dem Menschen, der es trotzig ignoriert!

Wir buchsta­bieren weiter: „… und alle Völker ihm dienen.“ Wenn „alle Könige“ für alle Herrschen­den der Welt stehen, dann stehen „alle Völker“ für alle Be­herrschten. „Alle Völker“, das sind alle normalen Menschen, ein­gebunden in die herrschen­den Strukturen dieser Welt, also in das soziale Gefüge von Familien, Nachbar­schaften, Gesell­schaften und Staaten. „Alle Völker“, das sind du und ich.

Für uns und alle anderen normalen Menschen gilt nun dasselbe, was auch für alle Könige gilt – also dasselbe „Sollen“. Wir merken: Bei Gott gibt es keinen Unter­schied zwischen Herrschen­den und Be­herrschten. Auch wir sollen etwas, und zwar „ihm dienen“. Das hängt ganz eng mit dem „Nieder­fallen“ zusammen: Wer seine Knie vor Jesus beugt und ihn anbetet, der zeigt damit ja, dass er sich dem Willen dieses Herrn unter­ordnet. Er ist bereit, ent­sprechend seinen Gaben und Kräften etwas für ihn zu tun. Auch das wird bei den Weisen aus dem Morgenland an­schaulich: Nachdem sie das Jesuskind angebetet hatten, öffneten sie ihre Schatz­truhen und machten ihm königliche Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Auch wer kein Gold hat, sondern nur Schulden, kann die Schatz­truhe seines Herzens auftun und dem Herrn dienen. Lob, Dank und Anbetung kann er ihm schenken. Oder Trost, Zuwendung und Hilfe – die er dann stell­vertretend für Jesus den Armen und Not­leidenden erweist. Oder Rat, Hoffnung und Glaubens­zeugnis für Menschen, die Jesus noch nicht kennen. Ja, auch diesen Dienst will König Jesus: dass wir anderen Menschen den Weg zu ihm weisen, so wie der Stern einst den heid­nischen Weisen den Weg zur Krippe wies.

„Alle Könige sollen vor ihm nieder­fallen und alle Völker ihm dienen.“ Ich gebe zu: Die Wörter „sollen“ und „dienen“ tun mir weh. Sie machen mir nämlich bewusst, dass ich oft genug nicht das tue, was ich soll; ich habe mein Soll bei Gott nicht erf¨llt. Sie machen mir bewusst, dass ich oft genug meinem König nicht so diene, wie er es von mir erwartet. Ich bin ein schlechter Bürger seines Volks und muss mit seiner Strafe rechnen. Aber ich finde Trost im nächsten Satz und will darum schnell weiter­buchsta­bieren: „Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit.“ Das Wörtchen „denn“ stelle ich erst einmal zurück. Der „Arme“ bin ich selbst. Ich habe nicht Gold, Weihrauch oder Myrrhe, die ich dem obersten König schenken könnte. Und mit Schrecken erkenne ich: Auch an Lob, Dank und Anbetung bin ich arm; auch an Trost, Zuwendung und Hilfe für meine Mit­menschen; auch an Rat, Hoffnung und Glaubens­zeugnis für verirrte Menschen. Weil ich das erkenne, schreie ich um Hilfe: Herr, erbarme dich! Christe, erbarme dich! Herr, erbarme dich! Ich weiß, Herr, eigentlich soll ich dir dienen, aber nun brauche ich deinen Dienst und deine Hilfe, damit ich nicht verloren bin.

Da antwortet mir mein Herr. Er hat mir schon längst ge­antwortet, schon in dem Psalm des Königs Salomo, der tausend Jahre vor Jesu Geburt entstand. Da lese ich vom Mensch gewordenen Gottes­sohn: „Er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit.“ Und ich will gleich weiter buchsta­bieren: „… und den Elenden, der keinen Helfer hat.“ Das Wort „Elender“ bedeutete ur­sprünglich „Aus­länder“ oder „Fremder“. Ja, so einer bin ich: Meine Armut entfremdet mich von Gott. Und wenn ich mich mit dieser Armut und diesem Elend nach Hilfe umsehe, dann finde ich sie nirgendwo bei anderen Menschen. Da ist kein Reicher weit und breit, der meinen Mangel ausfüllen könnte. Da gibt es keinen Mächtigen und keinen Politiker weit und breit, der meinem geist­lichen Elend abhelfen könnte; sie erfahren ja oft genug nur selbst die Last drückender Schulden und Schuld.

Aber da ist mein König, der meinen Hilfe­schrei hört und mich Armen erettet. Er ist nicht von dieser Welt, aber er wurde in diese Welt hinein­geboren. Er kam, um mich zu retten. „Christ, der Retter, ist da.“ Ja, der Heiland ist uns geboren! Sein Name lautet Jesus, „der Herr rettet.“ Er ist in die Welt gekommen, um mir zu dienen, weil ich selbst unfähig bin, ihm so zu dienen, wie ich ihm dienen sollte. Er ist in die Welt gekommen, um mich mit Gott zu versöhnen und ins Vaterhaus zurück­zuführen, weil ich mich mit meiner Sünde selbst von Gott entfremdet und ins Elend manövriert habe. Ja, „er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat.“

Bleibt noch das Wörtchen „denn“, das den ersten und den zweiten Satz mit­einander verknüpft. Der erste Satz sagt, dass wir dem obersten König dienen sollen. Der zweite Satz sagt, dass der oberste König uns dient und uns rettet. Das Wörtchen „denn“ sagt: Weil der König uns dient, dienen wir ihm. Wer zum König um Hilfe ruft und seiner Rettung vertraut, der wird fähig, ihn richtig anzubeten. Wir erfahren Rettung durch unsern Herrn und lernen daraufhin, ihm zu dienen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir feiern heute das Epiphanias­fest. Epiphanias heißt „Er­scheinung“. Es geht um die Er­scheinung von Gottes Herrlich­keit in seinem Sohn Jesus Christus. Genau davon handeln unsere beiden Psalmverse – von der Herrlich­keit unsers Königs und Herrn: „Alle Könige sollen vor ihm nieder­fallen und alle Völker ihm dienen. Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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