Kantinenköche

Predigt über Lukas 12,42‑48 zum Ewigkeitssonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Von Guts­herren, Verwaltern und Sklaven wissen die meisten heute nicht mehr viel. Darum ist es schwierig, die Alltags­erfahrung nach­zuvoll­ziehen, die Jesus in seinem Gleichnis voraus­setzt. Es ist übrigens ein Doppel­gleichnis, eine Geschichte mit doppeltem Ausgang: Zuerst spricht Jesus vom treuen und klugen Verwalter, danach vom untreuen Verwalter. Dieses Doppel­gleichnis ist, wie gesagt, in unserer Zeit schwer nach­zuvoll­ziehen. Darum möchte ich die Geschichte jetzt noch einmal etwas anders erzählen – in einer Weise, die wir heute besser verstehen können.

Wir stellen uns zwei Orte vor: Schwarzen­berg und Weißen­bach. In jedem dieser beiden Orte gibt es einen mittel­ständischen Betrieb. (Was die Betriebe produ­zieren, ist für unser Gleichnis un­interes­sant.) Beide Betriebe sind groß genug, dass sie eine Kantine besitzen; dort können die An­gestellten preis­günstig zu Mittag essen. Für jede Kantine ist ein Koch ver­antwort­lich, der zusammen mit dem übrigen Küchen­personal das Essen zu­bereitet. Den beiden Firmen­inhabern liegen die Kantinen am Herzen. Sie sagen sich: Wenn die An­gestellten gut essen, dann arbeiten sie auch gut. Darum lassen es sich die Chefs nicht nehmen, ihre Kantinen hin und wieder persönlich zu kontrol­lieren.

Beide Betriebe schließen über Weih­nachten und Neujahr. Der letzte Arbeitstag vor den Feiertagen ist der 23. Dezember. Beide Firmen­chefs haben die Kantinen­köche an­gewiesen, an diesem Tag etwas besonders Gutes zu kochen. Beide Köche haben sich für dasselbe Essen ent­schieden: Ente mit Rotkohl und Kartoffel­klöße. Als die An­gestellten das Gericht auf dem wöchent­lichen Speiseplan erblicken, läuft ihnen das Wasser im Mund zusammen, und voller Vorfreude arbeiten sie desto eifriger. Diese Vorfreude steigert sich noch, als am 23. Dezember ein herrlicher Duft von Ente und Rotkohl die Betriebs­räume durch­zieht. Hm, lecker! Alle freuen sich auf die Mittags­pause.

An dieser Stelle steige ich kurz aus unserer Geschichte aus. Wir schließen die Augen und stellen uns einfach mal diesen Duft vor: Enten­braten! Rotkohl, fein mit Weißwein ab­geschmeckt! Kartoffel­klöße! Dazu eine herrliche dunkle Braten­soße! Könnt ihr es im Geist riechen? Spürt ihr die Vorfreude auf ein gutes Essen? So ähnlich ist das mit der Vorfreude auf den Himmel, auf die ewige Seligkeit. Jeder Gottes­dienst, den wir feiern, ist ein Fest solcher Vorfreude. Die Musik, Gottes Wort und vor allem das Heilige Abendmahl ist sozusagen der Bratenduft aus der Himmels­küche. Diese Vorfreude wollen wir uns ganz besonders heute bewusst machen, am Ewigkeits­sonntag.

Wir öffnen die Augen wieder und gehen weiter in unserer Ge­schichte. Bis hierher ist sie in den beiden Orten Schwarzen­berg und Weißenbach parallel verlaufen. In beiden mittel­ständischen Betriebe und ihren Kantinen ist genau das Gleiche geschehen. Nun aber gabelt sich der Weg: Die Geschichte geht in Schwarzen­berg anders weiter als in Weißen­bach.

In Weißenbach geht sie so weiter: Die Mittags­pause bricht an und die Beleg­schaft versammelt sich in der Kantine. Der Koch hat sein Bestes gegeben und sich selbst über­troffen: Das Entenessen ist einfach traumhaft! Auch der Chef ist be­geistert. Er ist persönlich erschienen und ver­gewissert sich, dass es allen schmeckt. Allen An­gestellten wünscht er schöne Feiertage. Seinem Kantinen­koch aber gewährt er eine Sonder­prämie und verspricht ihm eine Gehalts­erhöhung.

In Schwarzen­berg dagegen erlebt die Beleg­schaft in der Mittags­pause eine Über­raschung: Zwar duftet es nach Enten­braten, aber auf den Tellern liegt nur ein Kartoffel­kloß und ein Würstchen aus der Dose. Keine Ente, kein Rotkohl mit Weißwein! Einige der ent­täuschten An­gestellten suchen den Koch in der Küche auf. Sie stellen fest: Der Koch ist gerade dabei, den Enten­braten selbst zu verzehren. Dem Weißwein, mit dem er den Rotkohl ab­schmecken sollte, hat er bereits reichlich zu­gesprochen. Auf die Beschwerde der ent­täuschten An­gestellten reagiert er grob: Sie sollen sich mal nicht so anstellen und froh sein, dass sie überhaupt was zu essen kriegen. In der Küche haben sie nichts zu suchen, deshalb sollen sie ver­schwinden. Als sie dennoch bleiben und weiter auf ihn einreden, wird der Koch hand­greiflich. Gerade in diesem Augenblick erscheint der Firmen­inhaber auf der Bild­fläche. Damit hat der Koch nicht gerechnet. Er hat gedacht: So kurz vor den Betriebs­ferien wird es bestimmt keine Kantinen­kontrolle geben. Aber er hat sich geirrt. Der Firmen­inhaber hat alles mit­bekommen und ist empört. Er sagt zu dem Koch: „Sie sind fristlos ent­lassen!“

Soweit Jesu Gleichnis, für die heutige Zeit auf­bereitet. Die Deutung ist nicht schwer: Der Firmenchef ist Gott, der Betrieb ist die Welt und die Kantinen­kontrolle ist das Jüngste Gericht. Die ewige Seligkeit im Himmel entspricht der Prämie und der Gehalts­erhöhung für den Koch in Weißen­bach. Die ewige Verdammnis in der Hölle entspricht der Entlassung des Schwarzen­berger Kochs. Bleibt nur noch die Frage: Wer sind die Köche?

Man kann es so deuten: Die An­gestellten sind alle Menschen, und die Köche sind die Pastoren. Wir Pastoren sind ja von Gott dazu be­auftragt, den Menschen gute geistliche Nahrung vor­zusetzen. Ohne Bild: Wir sollen das herrliche göttliche Evangelium von Jesus Christus predigen, und zwar genau so, wie Gott es uns in der Bibel zeigt, ohne Zusätze und Abstriche. Und wir sollen genau nach Jesu An­weisungen taufen, Sünden vergeben und das Heilige Abendmahl verwalten. Wir sollen es tun in dem Bewusst­sein, dass der Herr jederzeit wieder­kommen und uns zur Rechen­schaft ziehen kann. Wir sollen uns Mühe geben, es so zu tun, dass Jesus dann zufrieden mit unserem Dienst ist.

Aber natürlich lässt sich die Bedeutung des Gleich­nisses weiter ausdehnen. Vom Gesamt­zeugnis der Bibel her wissen wir ja, dass sich einmal jeder Mensch im Jüngsten Gericht ver­antworten muss. Wir alle sind sozusagen Köche, die in der Küche des Lebens etwas Gescheites anrichten sollen – jeder an dem Platz und mit den Gaben, die ihm Gott dafür gegeben hat. Alle Lebens­köche sollen dabei wissen, dass der Chef jederzeit erscheinen und Rechen­schaft fordern kann.

Daraus ergibt sich eine wichtige Frage – wohl die wichtigste Frage überhaupt: Wie kann ich dann vor Gott bestehen? Ist mir in meiner Lebens­küche das Menü gut gelungen? Hat es meinen Mit­menschen ge­schmeckt? Und ist auch der Firmenchef damit zufrieden? Wenn wir nach dem Gelingen fragen, ein jeder im Blick auf sich selbst, dann werden wir vermutlich zu dem Ergebnis kommen: So einfach wie in Schwarzen­berg und Weißenbach liegen die Dinge bei uns nicht. Schwarz-weiß-Malerei ist selten realis­tisch; realis­tischer sind die Zwischen­töne. Auch ich selbst muss sagen, als Pastor ebenso wie als all­gemeiner Lebens­koch: Manches gelingt mir und manches nicht. Ob Jesus damit zufrieden ist? Ich weiß es nicht. Eins aber weiß ich: Dass er schon einmal gekommen ist, bevor er zum Gericht wieder­kommt. Dass er gekommen ist, um mir meine Schuld ab­zunehmen. Dass er gekommen ist, um für mich den Himmel zu erwerben. Dass er gekommen ist, um mir ein großes und heiliges Ver­sprechen zu geben: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ (Markus 16,16). Da merke ich: Es geht letztlich gar nicht darum, wie dunkel­grau oder hellgrau mein Lebenswerk ausfällt. Es geht einzig darum, zu glauben. Es geht einzig darum, diesem herrlichen göttlichen Ver­sprechen Vetrauen zu schenken. Es geht einzig darum, in solchem Glauben zu bleiben und stets bereit zu sein für den Herrn, der da kommt. Genau das hat Jesus auch mit seinem Gleichnis aus­gedrückt. Das eigent­liche Problem des Schwarzen­berger Kochs (oder eigent­lich: des untreuen Ver­walters) war seine Ein­stellung zum Herrn. Er sagte bei sich: „Mein Herr kommt noch lange nicht!“ Das wurde ihm zum Ver­hängnis.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, ich habe mir überlegt, ob ich die letzten beiden Verse unseres Predigt­textes un­ausgelegt unter den Tisch fallen lassen soll. Die beiden schwie­rigen Verse nämlich, in denen es heißt: „Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vor­bereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viel Schläge erleiden müssen. Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“ Dieser Gedanke ist vielen Christen fremd, aber doch müssen wir ihn wahrhaben, wenn wir Gottes Wort nicht verkürzen wollen: Es wird bei Gottes Ver­dammungs­urteil im Jüngsten Gericht Ab­stufungen geben. Für die­jenigen, die unwissend Gottes Willen verachtet haben, wird die Strafe milder ausfallen als für die, die im Konfir­manden­unterricht alles gründlich gelernt haben und dann doch abgefallen sind. Ich lasse diese Ausage einfach so stehen und weise nur darauf hin, dass wir es hier mit einem Zeugnis für Gottes Straf­gerechtig­keit zu tun haben.

Wie dem auch sei: Im Jüngsten Gericht verurteilt zu werden ist schreck­lich – so oder so. Darum lasst uns im Glauben treu bleiben und stets mit dem Wieder­kommen unseres Herrn Jesus Christus rechnen. Er möchte uns ja so gern bei sich im Himmel haben, und wir möchten auch so gern dahin kommen! Riecht ihr schon den herrlichen Duft des himm­lischen Fest­essens? Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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