Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Von Gutsherren, Verwaltern und Sklaven wissen die meisten heute nicht mehr viel. Darum ist es schwierig, die Alltagserfahrung nachzuvollziehen, die Jesus in seinem Gleichnis voraussetzt. Es ist übrigens ein Doppelgleichnis, eine Geschichte mit doppeltem Ausgang: Zuerst spricht Jesus vom treuen und klugen Verwalter, danach vom untreuen Verwalter. Dieses Doppelgleichnis ist, wie gesagt, in unserer Zeit schwer nachzuvollziehen. Darum möchte ich die Geschichte jetzt noch einmal etwas anders erzählen – in einer Weise, die wir heute besser verstehen können.
Wir stellen uns zwei Orte vor: Schwarzenberg und Weißenbach. In jedem dieser beiden Orte gibt es einen mittelständischen Betrieb. (Was die Betriebe produzieren, ist für unser Gleichnis uninteressant.) Beide Betriebe sind groß genug, dass sie eine Kantine besitzen; dort können die Angestellten preisgünstig zu Mittag essen. Für jede Kantine ist ein Koch verantwortlich, der zusammen mit dem übrigen Küchenpersonal das Essen zubereitet. Den beiden Firmeninhabern liegen die Kantinen am Herzen. Sie sagen sich: Wenn die Angestellten gut essen, dann arbeiten sie auch gut. Darum lassen es sich die Chefs nicht nehmen, ihre Kantinen hin und wieder persönlich zu kontrollieren.
Beide Betriebe schließen über Weihnachten und Neujahr. Der letzte Arbeitstag vor den Feiertagen ist der 23. Dezember. Beide Firmenchefs haben die Kantinenköche angewiesen, an diesem Tag etwas besonders Gutes zu kochen. Beide Köche haben sich für dasselbe Essen entschieden: Ente mit Rotkohl und Kartoffelklöße. Als die Angestellten das Gericht auf dem wöchentlichen Speiseplan erblicken, läuft ihnen das Wasser im Mund zusammen, und voller Vorfreude arbeiten sie desto eifriger. Diese Vorfreude steigert sich noch, als am 23. Dezember ein herrlicher Duft von Ente und Rotkohl die Betriebsräume durchzieht. Hm, lecker! Alle freuen sich auf die Mittagspause.
An dieser Stelle steige ich kurz aus unserer Geschichte aus. Wir schließen die Augen und stellen uns einfach mal diesen Duft vor: Entenbraten! Rotkohl, fein mit Weißwein abgeschmeckt! Kartoffelklöße! Dazu eine herrliche dunkle Bratensoße! Könnt ihr es im Geist riechen? Spürt ihr die Vorfreude auf ein gutes Essen? So ähnlich ist das mit der Vorfreude auf den Himmel, auf die ewige Seligkeit. Jeder Gottesdienst, den wir feiern, ist ein Fest solcher Vorfreude. Die Musik, Gottes Wort und vor allem das Heilige Abendmahl ist sozusagen der Bratenduft aus der Himmelsküche. Diese Vorfreude wollen wir uns ganz besonders heute bewusst machen, am Ewigkeitssonntag.
Wir öffnen die Augen wieder und gehen weiter in unserer Geschichte. Bis hierher ist sie in den beiden Orten Schwarzenberg und Weißenbach parallel verlaufen. In beiden mittelständischen Betriebe und ihren Kantinen ist genau das Gleiche geschehen. Nun aber gabelt sich der Weg: Die Geschichte geht in Schwarzenberg anders weiter als in Weißenbach.
In Weißenbach geht sie so weiter: Die Mittagspause bricht an und die Belegschaft versammelt sich in der Kantine. Der Koch hat sein Bestes gegeben und sich selbst übertroffen: Das Entenessen ist einfach traumhaft! Auch der Chef ist begeistert. Er ist persönlich erschienen und vergewissert sich, dass es allen schmeckt. Allen Angestellten wünscht er schöne Feiertage. Seinem Kantinenkoch aber gewährt er eine Sonderprämie und verspricht ihm eine Gehaltserhöhung.
In Schwarzenberg dagegen erlebt die Belegschaft in der Mittagspause eine Überraschung: Zwar duftet es nach Entenbraten, aber auf den Tellern liegt nur ein Kartoffelkloß und ein Würstchen aus der Dose. Keine Ente, kein Rotkohl mit Weißwein! Einige der enttäuschten Angestellten suchen den Koch in der Küche auf. Sie stellen fest: Der Koch ist gerade dabei, den Entenbraten selbst zu verzehren. Dem Weißwein, mit dem er den Rotkohl abschmecken sollte, hat er bereits reichlich zugesprochen. Auf die Beschwerde der enttäuschten Angestellten reagiert er grob: Sie sollen sich mal nicht so anstellen und froh sein, dass sie überhaupt was zu essen kriegen. In der Küche haben sie nichts zu suchen, deshalb sollen sie verschwinden. Als sie dennoch bleiben und weiter auf ihn einreden, wird der Koch handgreiflich. Gerade in diesem Augenblick erscheint der Firmeninhaber auf der Bildfläche. Damit hat der Koch nicht gerechnet. Er hat gedacht: So kurz vor den Betriebsferien wird es bestimmt keine Kantinenkontrolle geben. Aber er hat sich geirrt. Der Firmeninhaber hat alles mitbekommen und ist empört. Er sagt zu dem Koch: „Sie sind fristlos entlassen!“
Soweit Jesu Gleichnis, für die heutige Zeit aufbereitet. Die Deutung ist nicht schwer: Der Firmenchef ist Gott, der Betrieb ist die Welt und die Kantinenkontrolle ist das Jüngste Gericht. Die ewige Seligkeit im Himmel entspricht der Prämie und der Gehaltserhöhung für den Koch in Weißenbach. Die ewige Verdammnis in der Hölle entspricht der Entlassung des Schwarzenberger Kochs. Bleibt nur noch die Frage: Wer sind die Köche?
Man kann es so deuten: Die Angestellten sind alle Menschen, und die Köche sind die Pastoren. Wir Pastoren sind ja von Gott dazu beauftragt, den Menschen gute geistliche Nahrung vorzusetzen. Ohne Bild: Wir sollen das herrliche göttliche Evangelium von Jesus Christus predigen, und zwar genau so, wie Gott es uns in der Bibel zeigt, ohne Zusätze und Abstriche. Und wir sollen genau nach Jesu Anweisungen taufen, Sünden vergeben und das Heilige Abendmahl verwalten. Wir sollen es tun in dem Bewusstsein, dass der Herr jederzeit wiederkommen und uns zur Rechenschaft ziehen kann. Wir sollen uns Mühe geben, es so zu tun, dass Jesus dann zufrieden mit unserem Dienst ist.
Aber natürlich lässt sich die Bedeutung des Gleichnisses weiter ausdehnen. Vom Gesamtzeugnis der Bibel her wissen wir ja, dass sich einmal jeder Mensch im Jüngsten Gericht verantworten muss. Wir alle sind sozusagen Köche, die in der Küche des Lebens etwas Gescheites anrichten sollen – jeder an dem Platz und mit den Gaben, die ihm Gott dafür gegeben hat. Alle Lebensköche sollen dabei wissen, dass der Chef jederzeit erscheinen und Rechenschaft fordern kann.
Daraus ergibt sich eine wichtige Frage – wohl die wichtigste Frage überhaupt: Wie kann ich dann vor Gott bestehen? Ist mir in meiner Lebensküche das Menü gut gelungen? Hat es meinen Mitmenschen geschmeckt? Und ist auch der Firmenchef damit zufrieden? Wenn wir nach dem Gelingen fragen, ein jeder im Blick auf sich selbst, dann werden wir vermutlich zu dem Ergebnis kommen: So einfach wie in Schwarzenberg und Weißenbach liegen die Dinge bei uns nicht. Schwarz-weiß-Malerei ist selten realistisch; realistischer sind die Zwischentöne. Auch ich selbst muss sagen, als Pastor ebenso wie als allgemeiner Lebenskoch: Manches gelingt mir und manches nicht. Ob Jesus damit zufrieden ist? Ich weiß es nicht. Eins aber weiß ich: Dass er schon einmal gekommen ist, bevor er zum Gericht wiederkommt. Dass er gekommen ist, um mir meine Schuld abzunehmen. Dass er gekommen ist, um für mich den Himmel zu erwerben. Dass er gekommen ist, um mir ein großes und heiliges Versprechen zu geben: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ (Markus 16,16). Da merke ich: Es geht letztlich gar nicht darum, wie dunkelgrau oder hellgrau mein Lebenswerk ausfällt. Es geht einzig darum, zu glauben. Es geht einzig darum, diesem herrlichen göttlichen Versprechen Vetrauen zu schenken. Es geht einzig darum, in solchem Glauben zu bleiben und stets bereit zu sein für den Herrn, der da kommt. Genau das hat Jesus auch mit seinem Gleichnis ausgedrückt. Das eigentliche Problem des Schwarzenberger Kochs (oder eigentlich: des untreuen Verwalters) war seine Einstellung zum Herrn. Er sagte bei sich: „Mein Herr kommt noch lange nicht!“ Das wurde ihm zum Verhängnis.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, ich habe mir überlegt, ob ich die letzten beiden Verse unseres Predigttextes unausgelegt unter den Tisch fallen lassen soll. Die beiden schwierigen Verse nämlich, in denen es heißt: „Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vorbereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viel Schläge erleiden müssen. Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“ Dieser Gedanke ist vielen Christen fremd, aber doch müssen wir ihn wahrhaben, wenn wir Gottes Wort nicht verkürzen wollen: Es wird bei Gottes Verdammungsurteil im Jüngsten Gericht Abstufungen geben. Für diejenigen, die unwissend Gottes Willen verachtet haben, wird die Strafe milder ausfallen als für die, die im Konfirmandenunterricht alles gründlich gelernt haben und dann doch abgefallen sind. Ich lasse diese Ausage einfach so stehen und weise nur darauf hin, dass wir es hier mit einem Zeugnis für Gottes Strafgerechtigkeit zu tun haben.
Wie dem auch sei: Im Jüngsten Gericht verurteilt zu werden ist schrecklich – so oder so. Darum lasst uns im Glauben treu bleiben und stets mit dem Wiederkommen unseres Herrn Jesus Christus rechnen. Er möchte uns ja so gern bei sich im Himmel haben, und wir möchten auch so gern dahin kommen! Riecht ihr schon den herrlichen Duft des himmlischen Festessens? Amen.
PREDIGTKASTEN |