Liebe Trauergemeinde!
Wenn wir heute Abschied nehmen von einem Menschen, der uns etwas bedeutete, dann bedenken wir sein Leben vom Ende her. Das ist manchmal gut und hilfreich: etwas vom Ende her bedenken. Lasst es uns ebenso machen mit dem Gotteswort aus dem Buch des Propheten Jesaja, das ich eben verlesen habe: Lasst es uns vom Ende her bedenken!
„Du bist mein“, lautet der letzte Satz dieses Gotteswortes. Gott sagt: „Zu mir gehörst du.“ Gott sagte es vor 87 Jahren, als er die Verstorbene erschuf. Sie ist sein Geschöpf und gehört darum von Anfang an zu ihm. Der Prophet Jesaja hat das übrigens bereits in der Einleitung des Gotteswortes deutlich gemacht, wo es heißt: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat.“ Die Verstorbene hat dieses Geschenk des Lebens stets fröhlich gebraucht: Mit beiden Beinen stand sie im Leben, hielt ihren Körper in Bewegung und war ihren Mitmenschen als Mitgeschöpf zugewandt.
Aber sie wusste auch um die Entfremdung, die zwischen einem Menschengeschöpf und seinem Schöpfer steht. Wir haben es vorhin in der Psalmlesung gehört: Die Sünde wirkt sich von Anfang an als dunkle Macht im Leben aus und bewirkt, dass es in dieser Welt endlich ist. Würde diese dunkle Macht an ihr Ziel kommen, dann hätte der Tod das letzte Wort über jeden Menschen, und dann wäre das Grab tatsächlich die letzte Ruhe.
Gott will das nicht. Gott will nicht den Tod des von ihm entfremdeten Menschen, das hat er ausdrücklich gesagt. Gott will auch nicht, dass unsere Verstorbene endgültig tot bleibt, sondern er will, dass sie zum ewigen Leben aufersteht. Darum hat er sie persönlich ins Himmelreich gerufen. Das ist der zweite Satz unseres Prophetenworts: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Nicht lange nach ihrer Geburt ist das geschehen, und zwar genau am Tag ihrer Taufe. Da ist sie aufgenommen worden in Gottes Reich. Zu der Zeit war es noch üblich, dass bei der Taufe der Name eines Kindes zum ersten Mal öffentlich genannt wurde (darum nennt man bis heute eine Namensgebungszeremonie auch „Taufe“). Da ist sie „wiedergeboren worden aus Wasser und Geist“, wie es in der Bibel heißt (Joh. 3,5). Da hat Gott selbst die Entfremdung der Sünde überwunden. Wir können auch sagen: Da hat er unsere Verstorbene erlöst.
Damit sind wir beim drittletzten Satz unseres Prophetenworts: „Ich habe dich erlöst.“ Eigentlich hat Gott das getan lange bevor unsere Verstorbene überhaupt geboren war. Er erlöste sie und alle Menschen, indem er selbst ein Mensch wurde in Jesus Christus. Er erlöste sie und alle Menschen, indem er sich selbst der Sterblichkeit unterwarf. Er erlöste sie und alle Menschen, indem Jesus am Kreuz von Golgatha die bittere Gottesferne durchlitt, die die Sünde mit sich bringt. Was für ein unvorstellbares Erlösungswerk! Menschen hätten sich das niemals augedacht: Der Gottessohn erlebt und erleidet den Fluch, von Gott verlassen zu sein, und erlöst so die ganze Menschheit! Die Frucht dieser Erlösung wird jedem Menschen persönlich übereignet, wenn er getauft wird. So ist die Taufe das Siegel auch über dem Leben, dessen irdisches Ende wir hier bedenken.
Die Verstorbene hat das Geschenk der Taufe im Glauben angenommen und ihr Leben lang wert geschätzt. Sie bekannte sich dazu in der Konfirmation, sie hielt sich zur christlichen Gemeinde, sie empfing immer wieder das Sakrament des Altars. Damit besaß sie etwas, das alle Furcht vertreiben kann. Folgerichtig lautet der erste Satz des Prophetenworts: „Fürchte dich nicht!“ Wer glaubt, dass Gott ihn geschaffen und durch Jesus erlöst hat, der braucht keine Angst zu haben. Er braucht sich nicht zu fürchten – weder vor den Wechselfällen des Lebens noch vor dem Tod noch vor Gottes Gericht. Zwar wird Gott einmal jeden Menschen zur Rechenschaft ziehen – unsere Verstorbene ebenso wie jeden einzelnen von uns, die wir hier versammelt sind. Wer aber auf Jesus vertraut und auf seine Erlösung, der kann gewiss sein: Gottes Gnade wird in diesem Gericht triumphieren, und ich darf in die ewige Seligkeit eingehen.
In dieser Hoffnung nehmen wir nun auch Abschied von unserer Verstorbenen. Wir vertrauen darauf, dass sie mit einem neuen gesunden Leib auferstehen wird und dass sie dann im Himmel mit Christus und vielen lieben Mitchristen wiedervereinigt sein wird. Tränen, Krankheit, Leid und Sünde wird es da nicht mehr geben, sondern nur noch Freude und Gotteslob. Ja, darauf vertrauen wir, denn Gott hat es versprochen. Amen.
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