Der Chef der Engel im Dienst des Evangeliums

Predigt über Apostelgesch. 5,17‑29 zum Michaelisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Man kann mit Gewinn einen Computer benutzen, ohne dass man weiß, was in dem Kasten eigentlich vorgeht. Man kann mit einer Behörde sinnvoll verkehren, ohne dass einem bekannt ist, wie diese Behörde struktu­riert ist. Man kann fröhlich als Kind Gottes und Jünger Jesu leben, ohne dass man versteht, welche Arten von Engeln es gibt und wie sie zusammen­arbeiten. Und man kann selig werden, ohne das Fest des Erzengels Michael und aller Engel zu feiern. Wir tun es heute trotzdem, denn die Bibel offenbart ja nicht ohne Grund so manches von den „Zebaoth“, den himmlischen Heer­scharen, die, straff geordnet wie eine gute Armee, Gottes Willen erfüllen helfen. Auch die Geschichte von der Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis offenbart uns Beachtens­wertes vom Erzengel Michael und von den Engeln allgemein.

Es war kurz nach Pfingsten. Die Jerusalemer Urgemeinde, die erste Christen­gemeinde der Welt, wuchs und gedieh prächtig. Die zwölf Apostel waren die Pastoren dieser Gemeinde. Wie es bei guten Pastoren der Fall ist, weideten sie nicht nur die Herde der bereits Getauften, sondern ver­kündigten auch öffentlich das Evangelium von Christus allen Menschen. Meistens taten sie es im Tempel, denn da strömten Leute zusammen, die Sehnsucht nach Gott hatten. Hausherr des Tempels war der jüdische Hohe­priester, ein aus­gesprochener Feind der Christen. Wie viele andere einfluss­reiche Juden war er davon überzeugt, dass Jesus nicht der Messias ist und dass die Apostel demzufolge eine gottes­lästerliche Irrlehre verbreiten. Zähne­knirschend mussten die führenden Juden mit ansehen, wie das Evangelium immer mehr Menschen in seinen Bann zog. Der Hohe Rat der Juden hatte die Apostel schon einmal streng vermahnt, nicht mehr von Jesus zu predigen. Als sie dieses Verbot miss­achteten, wusste sich der Hohe­priester keinen anderen Rat mehr, als die Apostel im Tempel festnehmen zu lassen und ins Gefängnis zu werfen. Am nächsten Tag sollte der Hohe Rat abermals zusammen­treten und ent­scheiden, was mit ihnen geschehen soll. In der Nacht vor der Gerichts­verhandlung erschien ein Engel auf der Bildfläche. Gewaltlos und geräuschlos öffnete er die Türen des Verließes, befreite die Apostel, führte sie unbemerkt an den Wachen vorbei und schloss dann wieder alles sorgfältig ab. Die Apostel waren frei.

Da erkennen wir ganz deutlich: Gott schickt seine Engel aus, um uns zu helfen. Gott befreit aus Gefäng­nissen – nicht nur aus ver­gitterten Gemäuern, sondern auch aus dem Gefängnis der Furcht, aus dem Gefängnis der Traurig­keit, aus dem Gefängnis der Krankheit und aus dem Gefängnis fest­gefahrener Lebens­situationen. Jeder von uns ist sicher schon mehrfach aus solchen Gefäng­nissen befreit worden. Wir dürfen wissen: Da hatte jedesmal Gott seine Hand im Spiel; da hat Gott seinen Schutzengel geschickt, um uns zu helfen. Gewaltlos und geräuschlos geschieht das meistens, ohne dass wir den Engel zu Gesicht kriegen. Gott meint es gut mit uns, darum setzt er uns zugut die Engel ein. Allerdings befreit Gottes Engel nicht immer sofort. Manchmal mutet Gott uns eine ziemlich lange und harte „Gefangen­schaft“ zu, ehe er uns befreit. Das war auch schon in der Zeit der Urkirche so, etwa beim Apostel Paulus. Mehrmals hat er jahrelang im Gefängnis gesessen, und kein Engel kam und befreite ihn. Lebenslang war er der Gefangene einer un­angenehmen Krankheit gewesen. Gott ließ ihn nur wissen: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor. 12,9). Da stellt sich die Frage: Warum greift Gott das eine Mal ein, das andere Mal aber nicht?

Der Bericht aus der Apostel­geschichte hilft uns, eine Antwort zu finden. Wir erfahren da nämlich, dass der Engel die Apostel nicht nur aus dem Kerker befreite, sondern dass er ihnen auch einen Auftrag gab. Er sagte zu ihnen: „Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens.“ Da merken wir: Gott ließ die Apostel deswegen befreien, damit das Evangelium weiter zu den Menschen kommt. Bei Gott hat alles seinen Sinn und seinen Plan, und wir tun gut daran, uns in diesen Plan zu fügen. Wenn Gott Menschen aus einem Gefängnis befreit, dann deshalb, damit sie ihm in Freiheit dienen sollen – den anderen Menschen zum Zeugnis. Lasst uns in einem freien Land diese Freiheit auch nutzen, lasst uns mit anderen Menschen über den Glauben sprechen und sie zu Jesus einladen – wir haben dabei nichts zu befürchten! Wenn Gott anderer­seits Menschen im Gefängnis lässt oder in anderen Un­freiheiten, dann hat auch das seinen Sinn, selbst wenn das nicht immer gleich offen­sichtlich ist. Viele der herrlichen Paulus­briefe des Neuen Testaments zum Beispiel sind in der Ruhe eines Gefäng­nisses entstanden – was für ein Segen für die ganze Christen­heit! Kurz: Ob Gott befreit oder nicht, stets ist es sein guter gnädiger Wille.

Die Apostel wurden damals also befreit, damit sie das Evangelium weiter ausbreiten können. Das ist ganz wichtig, das ist überhaupt die wichtigste Aufgabe, die es in der Welt gibt. Weil das so ist, schickte Gott damals nicht irgendjemanden aus der großen Zebaoth-Schar, sondern er schickte den Obersten, den Chef, den Engel­fürsten. Lukas berichtete: „Der Engel des Herrn tat in der Nacht die Türen des Gefäng­nisses auf…“ Nicht ein Engel, sondern der Engel! Schon im Alten Testament ist häufig von ihm die Rede, „dem Engel des Herrn“. Es gibt unzählige Engel, aber es gibt nur einen Engel, der den Titel trägt „der Engel“. Ebenso gibt es unzählige Bücher, aber es gibt nur ein Buch, das den Titel trägt „das Buch“ – nämlich die Bibel. Dieser eine oberste Chef der himmlischen Armee, dieser eine besondere Engel ist niemand anders als der Erzengel Michael, dessen Fest wir heute feiern. Gott schickte zur Befreiung der Apostel keinen Geringeren als ihn. Da erkennen wir: Gott machte die Apostel­befreiung zur Chefsache – so wichtig war es ihm, dass das Evangelium von Jesus unter die Leute kommt! Und so wichtig ist es ihm auch noch heute. Ja, das ist das Wichtigste, was Gottes Boten uns zu bringen und zu verkündigen haben: die gute Nachricht von der Erlösung, die durch Christus geschehen ist!

Bleibt noch zu berichten, dass am Tag nach der Befreiungs­nacht der Hohe Rat zusammen­trat. Der Hohe­priester und die siebzig würdigsten Ältesten der Juden waren in einem Saal versammelt, um Gericht zu halten. Die Gerichts­diener waren angewiesen worden, die gefangenen Apostel zur Vernehmung aus der Zelle zu holen. Was muss das für eine Aufregung gegeben haben, als die Gerichts­diener ohne die Apostel zurück­kehrten und bestürzt be­richteten: „Das Gefängnis fanden wir fest ver­schlossen und die Wächter vor den Türen stehen; aber als wir öffneten, fanden wir niemanden darin.“ Der Hohe­priester wird gedacht haben: Du meine Güte, die sind alle geflohen, die sind sicher schon über alle Berge! Aber die Sache wurde noch verrückter: Jemand kam und teilte dem Hohen Rat mit, dass die gesuchten Apostel seelenruhig mitten im Tempel stehen und da öffentlich predigen! Jetzt wurde es dem Hohen­priester richtig unheimlich. Er merkte: Das waren keine normalen Leute; bei denen musste er vorsichtig sein. Auch musste er aufpassen, dass er das Volk nicht gegen sich aufbrachte, denn die Christen waren bei den meisten hoch geachtet. So schickte er den Hauptmann der Tempelwache zu den Aposteln und ließ sie höflich bitten, doch vor dem Hohen Rat zu erscheinen. Das taten die Apostel auch; ohne Widerstand ließen sie sich dorthin bringen. Der Hohe­priester verhörte sie und wollte vor allem wissen, warum sie denn sein Gebot übertreten und wieder von Jesus gepredigt hatten. Da antwortete Petrus für alle Apostel mit dem berühmten Satz: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Das können wir heute gut verstehen. Es gibt Si­tuatio­nen, da braucht man den Mächtigen und ihren Gesetzen nicht zu gehorchen, da darf man es nicht einmal. Gerade in der jüngeren deutschen Geschichte gibt es Beispiele dafür: Die Staats­diener des Dritten Reiches hätten den Gehorsam verweigern müssen, als sie massenweise Juden ermorden sollten, und die Grenz­soldaten an der Mauer hätten nicht auf Flüchtende schießen sollen. In den späten 60er Jahren kam in der Bundes­republik sogar die Meinung auf, man müsse Kinder zum Ungehorsam erziehen, damit sie nicht wieder in dieselben Fallen tappen wie ihre Vorfahren. Aber von Ungehorsam sagt Gottes Wort hier nichts, nur vom größeren Gehorsam Gott gegenüber: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Die Apostel haben das Predigt­verbot des Hohen Rates nicht deshalb gebrochen, weil sie dessen Autorität nicht achten und ungehorsam sein wollten, sondern weil sie die höhere Autorität Gottes achteten und ihm gehorsam blieben. Sie wussten: Die Predigt des Evangeliums ist von äußerster Wichtig­keit, denn davon hängt die Seligkeit der Menschen ab, das ewige Leben! Die Predigt des Evangeliums ist Chefsache; kein Geringerer als der Engelchef Michael hatte die Apostel aus dem Gefängnis geholt, damit sie weiter­predigen konnten. Er selbst, der Erzengel, und alle Engel bis hinunter zum untersten Unterengel sind uns Vorbilder im Gehorsam. Sie sind Gottes dienstbare Geister: Sie tun, was er ihnen sagt, und ver­kündigen, was er ihnen aufträgt. Wir können Gott nicht genug dankbar dafür sein, denn so hat sich die gute Nachricht von Jesus bis zu uns aus­gebreitet. Und wir wollen von den Engeln Gehorsam lernen – unbedingten Gehorsam Gott gegenüber, der immer und um jeden Preis Vorfahrt hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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