Das dauerhafte Fundament

Predigt über Matthäus 7,24‑27 zum 9. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In afri­kanischen Dörfern kann man manchmal halbe Häuser sehen. Nicht halb fertig, sondern mitten durch­gebrochen. Das kommt so: Die Häuser werden meistens auf Streifen­fundamenten errichtet, die mitunter ziemlich schwach ausgelegt sind. Wenn die Regenzeit kommt, schießen Wasserbäche über Straßen und Grund­stücke. Überall reißen sie Sand und lose Steine mit sich, überall kommt es zu Aus­spülungen und tiefen Furchen – auch unter den Streifen­fundamenten mancher Häuser. Die Fundamente knicken über den Hohlräumen ein, die Wände kriegen Risse, und dann kann es passieren, dass das halbe Haus mit großem Gepolter wegbricht. Das Dach sitzt danach auch nicht mehr fest und wird von der nächsten Windböe weg­getragen. Wäre das Haus auf einer großen Felsplatte gebaut worden, dann wäre das nicht passiert. Immer mehr Afrikaner sind daher so klug und wählen sich einen Felsen als Fundament – und sei es auch nur ein künstlicher „Felsen“, nämlich eine Stahlbeton­platte nach euro­päischem Vorbild. Es ist so wie in Jesu Gleichnis: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.“

Jesu Berg­predigt, die mit diesen Wort abschließt, ist natürlich kein Grundkurs für Bau­ingenieure. Darum müssen wir jetzt gemeinsam ein paar Schritte des Verstehens tun, um von der Haus­geschichte zur eigent­lichen Botschaft unsers Herrn zu gelangen.

Erster Schritt: Mit den Hausbauern meint Jesus die Hörer seiner Worte, mit dem Fundament die Bergpredigt selbst. Zwei Arten von Hörern unter­scheidet er: kluge und törichte. Alle haben sie die Bergpredigt gehört, aber sie reagieren verschieden darauf. Die klugen Hörer richten sich in ihrem Verhalten nach Jesu Worten. Jesus sagte: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann.“ Die törichten Hörer dagegen leben weiter wie bisher und nehmen sich Jesu Worte nicht zu Herzen. Jesus sagte: „Wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann.“ Das Tun macht den Unterschied zwischen klug und töricht! Der Apostel Jakobus hat daher in seinem Brief gemahnt: „Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst“ (Jak. 1,22). An dieser Mahnung sollen wir uns prüfen. Sind wir so klug, unsern Lebens­wandel ernsthaft nach Jesu Worten aus­zurichten? Oder sind wir so töricht, seine Worte nur zu hören, aber weiter­zuleben wie bisher? Oder befinden wir uns gar in einem vor-törichten Zustand, in dem wir noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen, was Jesus in der Bergpredigt gesagt hat, geschweige denn danach leben? Lasst uns von diesem ersten Verstehens­schritt als Botschaft des Herrn mitnehmen: Hört seine Worte und handelt ent­sprechend!

Zweiter Schritt: Wir machen uns klar, was es heißt, nach den Worten der Bergpredigt zu leben. Im Hauptteil der Bergpredigt hat Jesus Gottes Gebote für seine Jünger ausgelegt. Er hat es in so neuartiger und radikaler Weise getan, wie es nie zuvor ein Rabbi oder Prophet gewagt hatte. Wer sich nach dieser Lehre richtet, der lässt sich zum Beispiel nicht vom Zorn hinreißen. Vielmehr übt er Nächsten­liebe nicht nur an seinen Angehörigen und Freunden, sondern auch an seinen Feinden. Er wehrt sich nicht, er schlägt nicht zurück, sondern er vergilt seinen Feinden Böses mit Gutem. Wer sich nach Jesu Worten richtet, der geht mit seiner Sexualität diszipli­niert um und nimmt ernst, dass Gott sie für den geschützten Bereich der Ehe vorbehalten hat. Wer sich nach Jesu Worten richtet, der ist auch stets aufrichtig. Seine Frömmigkeit lebt er ohne Heuchelei – also ohne dabei nach Anerkennung oder Bewunderung von den Mitmenschen zu schielen. Wer sich nach Jesu Worten richtet, macht schließlich beim gierigen Wettrennen um Geld und Macht nicht mit, sondern vertraut gelassen darauf, dass Gott ihm jeden Tag alles Nötige zum Leben geben wird. Wer so lebt, der stellt sein Lebenshaus auf ein tragfähiges Fundament; die Stürme des Lebens können es nicht zum Einsturz bringen. Aus solchem Verhalten fließt vielmehr Segen für den Be­treffenden selbst und für seine Mit­menschen. Gutes Handeln bringt gutes Ergehen mit sich – das ist Gottes Botschaft schon von alters her; das Alte Testament ist voll von ent­sprechenden Beispielen und Mahnungen. Wir nehmen vom zweiten Verstehens­schritt mit, dass Jesus diese alte Botschaft für seine Jünger bestätigt.

Dritter Schritt: Wir hören auf, uns etwas vor­zumachen. Wir hören auf, uns vor­zumachen, dass wir weise genug sind, um die Bergpredigt in unserem Lebens­wandel umzusetzen. Wir versuchen es vielleicht, wir geben uns Mühe, wir schaffen es vielleicht ansatz­weise, aber eigentlich schaffen wir es doch nicht. Machen wir uns noch einmal klar: Jesus hat Gottes Gesetz hier in radikaler Weise ausgelegt! Die Bergpredigt gipfelt in dem Satz, der auch ungefähr in ihrer Mitte steht: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matth. 5,48). Wer ist weise genug, diesen Satz nicht nur zu hören, sondern auch danach zu leben? Ich bin es nicht, und ihr seid es auch nicht, und überhaupt niemand. Nur Jesus selbst war so weise und hat es geschafft. Das bringt uns in eine Klemme: Was fangen wir jetzt mit dem Gleichnis an, wo wir feststellen müssen, dass wir eher dem Toren gleichen, der sein Haus auf Sand gebaut hat? Die Folge wäre ja, dass am Ende unser ganzes Lebenshaus zusammen­kracht! Richtig: Das wäre nicht nur die Folge, sondern das ist tatsächlich die Folge. Unsere Bemühungen, nach der Bergpredigt zu leben, mögen zwar manchen segens­reichen Effekt haben in unserem Leben, aber vor dem Sterben schützen sie uns nicht. „Der Sünde Sold ist der Tod“, heißt es kurz und klar in der Bibel (Römer 6,23). Un­ausweich­lich wird also der Tag kommen, an dem unser Lebenshaus zusammen­kracht; dann müssen wir uns vor Gott für unser Leben ver­antworten. Wer wollte dann wagen zu sagen: Herr, ich war so weise und habe mich ganz nach deinen Geboten und nach Jesu Lehren gerichtet; mein Lebenshaus steht fest gegründet auf dieser Felsen­platte? Nein, spätestens dann wird uns deutlich werden, dass unser ganzer Lebens­wandel nur lauter Sand war, der im Sturm von Gottes letztem Gericht weggerissen wird.

Was nun? Jesus sagte: „Wer diese meine Rede hört und tut sie…“ Er sagte es am Schluss der Berg­predigt. Wohl dem, der sich da noch an den Anfang der Bergpredigt erinnert! Am Anfang der Bergpredigt hat Jesus nämlich noch nicht das Gesetz ausgelegt, sondern da hat er das Evangelium gepredigt. Da hat er unter anderem gesagt: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmel­reich.“ Und: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ Und: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtig­keit; denn sie sollen satt werden.“ (Matth. 5,3.4.6). Selig sind also all diejenigen, die, arm an guten Werken, über ihre Sünden trauern und sich nach einem gnädigen Gott sehnen. Ja, die haben es gut, denn Gott wird ihre Sehnsucht stillen, sie trösten und ihnen das Himmelreich schenken. Jesus selbst, der diese Worte gepredigt hat, hat sein Leben dafür hingegeben, damit sie in Erfüllung gehen. Weise ist vor allen Dingen derjenige, der sein Lebenshaus auf das Fundament dieser Evangeliums­worte am Anfang der Bergpredigt stellt und damit auf denjenigen selbst, der sie wahr gemacht hat. Jesus selbst ist nämlich der Stein, den die Bauleute der Gesetzes­gerechtig­keit verworfen haben, der dann aber zum Grund- und Eckstein für jeden Bürger im Gottesreich des neuen Bundes geworden ist. Was heißt es nun aber, diese Evangeliums­worte am Anfang der Bergpredigt zu tun? Jesus wurde einmal von seinen Zuhörern gefragt: „Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken?“ Da hat Jesus ge­antwortet: „Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat“ (Joh. 6,28‑29). Das ist die Antwort: Der Glaube ist das Werk des Evan­geliums. Das bedeutet es, den Anfang der Bergpredigt nicht nur zu hören, sondern auch zu tun: auf Jesus vertrauen und durch ihn die Vergebung der Sünden erlangen. So – und nur so! – kann das Lebenshaus eines Menschen dann doch im Sturm des letzten Gerichts bestehen. Dies ist die Botschaft vom dritten Verstehens­schritt – dem ent­scheidenden Verstehens­schritt.

In seiner Auslegung der Bergpredigt vom Jahr 1532 deutete Martin Luther das Gleichnis vom Hausbau ganz im Sinne dieses dritten Verstehens­schritts. Unter anderem führte er das Beispiel des berühmten Mönchs Berhard von Clairvaux an. Luther schrieb: „St. Bernhard hat ein überaus strenges Leben geführt mit Beten, Fasten und Selbst­quälerei; darin war er heraus­ragend und vorbildlich unter allen Mönchen. Aber als er in Todesnot kam, musste er doch folgendes Urteil über sein ganzes heiliges Leben sprechen: O, ich habe verdammlich gelebt, und mein Leben schändlich zugebracht! Ja, wieso denn, lieber St. Bernhard? Du bist doch dein Leben lang ein frommer Mönch gewesen! Sind denn deine Enthaltsam­keit, dein Gehorsam, dein Predigen und dein Fasten nicht ganz köstliche Werke? Nein, sagt er, das ist alles vergeblich; zum Teufel damit! Da kommt der Regen und der Wind und reißt Grund und Boden und Bauwerk über den Haufen. So hätte er ewig verloren sein müssen durch sein eigenes Urteil, wenn er sich nicht besonnen hätte und aus seinem Schaden klug geworden wäre. So hat er das Vertrauen in die Möncherei fahren lassen und ein anderes Fundament ergriffen. Er hat sich an Christus gehängt und einen kindlichen Glauben erlangt, der spricht: Ich selbst zwar bin des ewigen Lebens nicht wert und kann es durch eigene Verdienste auch nicht erlangen, aber meinem Herrn Christus gehört es mit doppeltem Recht. Erstens ist er von Ewigkeit her dessen Herr und Erbe, und zweitens hat er es durch sein Leiden und Sterben erworben. Das erste behält er für sich, das zweite schenkt er mir.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum