Wer Gott vertraut, bleibt am Leben

Predigt über Habakuk 1 und 2 zum Sonntag Invokavit

Verlesener Text: Habakuk 2,1‑4

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Name Habakuk begegnete mir erstmals, als ich noch klein war. Da hörte ich im Kinderfunk eine Geschichte vom Riesen Habakuk. Diese Geschichte hatte allerdings nichts mit dem biblischen Habakuk zu tun. Der Prophet Habakuk begegnete mir zum erstenmal im Kon­firmanden­unterricht, als ich mit viel Mühe die Namen der alt­testament­lichen Propheten­bücher auswendig lernte: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk… Mehr als den Namen habe ich da aber nicht über ihn gelernt. Auch vom Theologie­studium und von meinem privaten Bibel­studium her ist mir kaum etwas in Erinnerung geblieben vom Propheten Habakuk. Ich schätze mal, dass für die meisten von euch dieser Prophet ein un­beschriebe­nes Blatt ist. Dabei stellte Habakuk Fragen an Gott, wie sie heute von ganz vielen Christen gestellt werden. Und er bekam auch Antworten – freilich über­raschende Antworten, für manch einen vielleicht sogar un­befriedi­gende Antworten. Aber das Ent­scheidende ist: Es sind verlässlich Gottes Antworten, denn Habakuk war ein Prophet des einen lebendigen Gottes. Grund genug, dass ich mich jetzt endlich in der Vor­bereitung dieser Predigt näher mit Habakuk beschäftigt habe und euch heute sowie auch am kommenden Sonntag daran ein wenig Anteil gebe. Heute be­schäftigen wir uns mit dem Hauptteil des Buches Habakuk, mit den ersten beiden Kapiteln. Am nächsten Sonntag werde ich dann über Habakuks Psalm predigen, der im dritten Kapitel auf­geschrieben ist.

Die ersten beiden Kapitel des Buches Habakuk geben ein Gespräch wieder zwischen dem Propheten und Gott. Der Prophet eröffnet dieses Gespräch. Es ist ein Klagegebet, das er vor Gott bringt. Er seufzt: „Herr, wie lange soll ich schreien, und du willst nicht hören?… Warum lässt du mich Bosheit sehen und siehst dem Jammer (tatenlos) zu? Raub und Frevel sind vor mir; es geht Gewalt vor Recht… Der Gottlose über­vorteilt den Gerechten; darum ergehen verkehrte Urteile.“ Im Staat Juda, in Gottes heiligem Volk, war zu Habakuks Zeit viel Un­gerechtig­keit und Gottlosig­keit ein­gerissen. Gott schien sich das gefallen zu lassen, und das brachte den frommen Habakuk auf die Palme. Er konnte einfach nicht begreifen, wie Gott so ungerecht sein kann. Es ist die alte und doch stets aktuelle Frage nach Gottes Gerechtig­keit, die ihn er­schütterte, die sogenannte Theodizee-Frage. Ganz ähnlich fragen heute noch viele fromme Menschen: Gott, warum lässt du es zu, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden? Und warum belastest du gerade die Ärmsten der Erde mit immer neuen Plagen, mit Erdbeben, Hungers­nöten, grausamen Diktaturen und Bürger­kriegen? Warum sind Staats­gesetze oftmals nicht wirklich gerecht, sondern begünstigen oder be­nachteili­gen die Falschen?

Blicken wir nun auf Gottes Antwort an Habakuk. Es ist nicht nur eine Antwort an ihn, sondern eine Antwort durch ihn an alle, die so fragen. Als Prophet hat Habakuk den Auftrag, die göttliche Antwort dem Volk Juda weiter­zugeben. Gott kündigt an, dass seine scheinbare Tatenlosig­keit bald ein Ende haben wird. Er sagt: „Ich will etwas tun zu euren Zeiten, was ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird. Denn siehe, ich will die Chaldäer erwecken, ein grimmiges und schnelles Volk…“ Die Chaldäer, besser bekannt als Babylonier, hatten zu Habakuks Zeit eine im wahrsten Sinne des Wortes unheimliche Kriegsmacht aufgebaut. Ein so gut aus­gestattetes und organi­siertes Heer hatte es bis dahin noch nie gegeben. Mit un­vorstell­barer Grausamkeit schwärmten die Babylonier aus und schickten sich an, den gesamten vorderen Orient zu erobern. Wir lesen bei Habakuk: „Grausam und schrecklich ist es… Ihre Rosse sind schneller als die Panther und bissiger als die Wölfe am Abend. Ihre Reiter fliegen in großen Scharen von ferne daher, wie die Adler eilen zum Fraß.“ Wohl­bemerkt, das kündigt Gott selbst an, und er sagt, dass dieses grausame Heer ein Werkzeug in seiner Hand ist! Gott schickt sich an, durch die Babylonier auch all das Unrecht und all die Gottlosig­keit zu bestrafen, die Habakuk im Staate Juda beklagt. Das ist wirklich un­glaublich! Gott will sein Volk strafen durch ein fremdes Volk, dessen Gottlosig­keit eigentlich noch viel größer ist! Denn sie vertrauen nichts und niemandem so sehr wie sich selbst. Gott sagt: „Sie brausen dahin wie ein Sturm und jagen weiter; mit alledem machen sie ihre Kraft zu ihrem Gott.“

Genauso ist es dann gekommen. Es waren die Babylonier, die Jerusalm schließlich in Schutt und Asche legten. Es waren die Babylonier, die den Tempel zerstörten und dessen heilige Geräte als Beute mitnahmen. Es waren die Babylonier, die große Teile der jüdischen Bevölkerung zur Zwangs­arbeit ver­schleppten in die jahrzehnte­lange Babylo­nische Gefangen­schaft. Und es ist danach immer wieder so gekommen in der Welt­geschichte, bis in die Gegenwart hinein. Gott hat so manchen Denkzettel verteilt durch mächtige Völker, die andere besiegten und die dennoch nicht besser waren als die Unter­worfenen. Freilich waren diese Siege auch nie von Dauer. Die Babylonier besiegten Juda, wurden dann aber selbst von den Persern besiegt. Die Perser unterlagen Alexander dem Großen. Die Nachfolger des Alexander­reichs mussten den Römern weichen. Das römische Reich zerbrach in zwei Teile; das Machzentrum verlagerte sich nach Mittel­europa. Im 19. Jahr­hundert strotzte Mittel­europa vor Macht und Selbst­bewusstein, machte auch „seine Kraft zu seinem Gott“ und teilte Kolonial­gebiete unter sich auf. Im 20. Jahr­hundert zer­schmetterte dann Gott gründlich diese Über­heblich­keit durch zwei Weltkriege; da blieb dann auch von dem deutschen National­stolz nur noch ein Häufchen Elend übrig. Die Macht ballte sich danach lange Zeit an zwei politischen Polen, einem westlichen und einem östlichen, in Washington und in Moskau. Aber wir wissen: Auch das war nicht von Dauer. Kurz: Gott sorgt dafür, dass keine Menschen­macht sich für immer breit machen kann. Zwar benutzt Gott Menschen­macht, um immer wieder Denkzettel zu verteilen und um zu zeigen, dass er sich Ungerechtig­keit und Gottlosig­keit nicht gefallen lässt. Aber das heißt nicht, dass sein jeweiliges Werkzeug besser ist und nun dauerhaft Gerechtig­keit bringen würde. Im Gegenteil: Die Welt­geschichte zeigt, dass eine Ungerechtig­keit immer nur durch eine andere Ungerechtig­keit abgelöst wird. Oder anders aus­gedrückt: Die Welt­geschichte zeigt, dass der Mensch ein Sünder ist und bleibt. Ja, das ist das Un­glaubliche, was Gott tut und was er schon den Propheten Habakuk hat wissen lassen: „Ich werde etwas tun zu euren Zeiten, was ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird.“

Wie gesagt, Gottes Anwort mag über­raschend und für viele un­befriedi­gend sein – die Antwort, die er Habakuk gab und die er durch ihn allen gibt, die nach seiner Gerechtig­keit fragen. Zusammen­gefasst lautet diese Antwort so: Gott schweigt nicht tatenlos zu allem Unrecht, sondern er straft es – zu seiner Zeit und auf seine Weise. Dabei rottet er die Sünde jedoch nicht gänzlich aus in dieser Welt, sondern lässt zu, dass neues Unrecht geschieht. Er tut es, um uns immer wieder bewusst zu machen, wie schlimm es um uns und um die ganze Welt steht wegen der Sünde. Da fragen wir er­schrocken: Und das soll immer so weitergehen bis ans Ende, sodass schließlich alle Menschen um ihrer Sünde willen zugrunde gehen? Auch Habakuk fragte so. Und nach Gottes Straf­ankündigung durch die Babylonier fleht er: „Aber du, HERR, mein Gott, mein Heiliger, der du von Ewigkeit her bist, lass uns nicht sterben; sondern lass sie uns, o HERR, nur eine Strafe sein, und lass sie, o unser Fels, uns nur züchtigen.“ Sehnsüchtig hält der Prophet Ausschau nach einem Hoffnungs­schimmer am Horizont. Er fühlt sich wie ein Wächter auf dem Turm einer bedrohten Stadt, der nur zu gern ausrufen möchte, dass da am Horizont Hilfe auftaucht. Habakuk sagt: „Hier stehe ich auf meiner Warte und stelle mich auf meinen Turm und schaue und sehe zu, was er mir sagen und antworten werde auf das, was ich ihm vorgehalten habe.“

Habakuk wird nicht enttäuscht. Wir werden nicht enttäuscht, liebe Gemeinde. Über seine über­raschende und un­befriedi­gende Antwort hinaus hat Gott noch etwas anderes zu sagen, etwas ganz Wichtiges. Es ist so wichtig, dass Habakuk es auf eine große Tafel schreiben soll, auf ein Plakat, das alle Vorbei­gehenden lesen können. Auf diesem Plakat steht der Satz: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“ Gott sagt damit: Auch wenn du mein Handeln jetzt nicht verstehst, auch wenn duch mich für ungerecht hältst, auch wenn meine bisherige Antwort un­befriedi­gend für dich ist – vertrau mir nur, glaube nur. Wenn du solches Vertrauen hast, dann wirst du nicht mitgerissen im Strudel des Untergangs, sondern dann wirst du heraus­gerissen werden, heraus­gerettet werden. Wenn du solches Vertrauen hast, dann wirst du leben – ewig leben! „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“

Habakuk und die anderen Propheten haben das Kommen und Gehen von Weltmächten geweissagt: Eine Schreckensherrschaft löst die andere ab, und es kehrt kein Friede ein. Aber Gott hat die Propheten auch wissen lassen, dass inmitten dieser Weltmächte ein anderes Reich entstehen wird, das nicht von dieser Welt ist. Es ist das Gottesreich des Davids­sohnes, des Messias'. Ewig wird es währen, Frieden wird es bringen, den unseligen Kreislauf von Sünde und Leid wird es aufbrechen. Auf dieses Reich bezieht sich die wichtigste Botschaft, die Gott durch den Propheten Habakuk geschickt hat: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“ Gemeint ist der Glaube an den Gottessohn Jesus Christus. Wer an den glaubt, der wird nicht verloren gehen in Sünde, sondern der wird das ewige Leben haben – so hat es Jesus selbst ver­sprochen.

Dreimal wird dieser wichtige Satz des Propheten Habakuk im Neuen Testament wiederholt. An allen drei Stellen wird er auf Jesus Christus bezogen und auf die Gerechtig­keit, die aus dem Glauben an ihn kommt. Der Apostel Paulus hat diesen Satz an einer ganz wichtigen Stelle zitiert, nämlich als Leitwort für seinen Brief an die Römer. Durch diese Bibelstelle sind auch Martin Luther die Augen geöffnet worden für das herrliche Evangelium von der Freiheit der Gottes­kinder, die durch Jesus dem Fluch von Sünde und Tod entronnen sind. Paulus hat im ersten Kapitel des Römer­briefes ge­schrieben: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben… Denn darin wird offenbart die Gerechtig­keit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Römer 1,16‑17). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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