Gottes automatisches Reich

Predigt über Markus 4,26‑29 zum Sonntag Sexagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer sich früher eine leckere Tasse Kaffee brühen wollte, der musste viel dafür tun. Er musste die Kaffebohnen mahlen und das Pulver in eine Kanne schütten. Er musste Feuer im Herd machen und einen Wasser­kessel aufsetzen. Wenn der Kessel pfiff, musste er ihn vom Herd nehmen und das heiße Wasser in die Kanne gießen. Dann musste er warten, bis der Kaffee sich gesetzt hatte. Danach musste er ihn in eine Tasse gießen und nach Bedarf Milch oder Zucker hinzufügen; erst dann konnte er seinen Kaffee genießen. Heute geht das Kaffee­kochen voll­automa­tisch. Man kann Kaffee­automaten kaufen, die alles von selbst machen: Kaffee­bohnen mahlen, Wasser kochen, heißen Dampf durch das Pulver pressen, Zucker und Milch hinzufügen (nach Bedarf sogar auf­geschäumt), alles appetitlich in einer Tasse servieren. Der Mensch braucht nur noch zu Anfang die Bohnen einfüllen und abwarten, dann kann er am Ende den Kaffee genießen.

Was hat der Kaffee­automat des 21. Jahr­hunderts mit der Land­wirtschaft des 1. Jahr­hunderts zu tun? Jesu Gleichnis, das wir eben gehört haben, kommt ja aus diesem Bereich. Überhaupt hat Jesus das An­schauungs­material für seine Gleichnisse fast immer aus dem Bereich Lebewesen und aus der Natur genommen; Jesu Gleichnisse handeln von Pflanzen, Tieren und Menschen. Was also hat der Kaffee­automat da zu suchen? Die Antwort finden wir bei den zwei Wörtchen, die genau in der Mitte dieses Gleich­nisses stehen: „von selbst“. Im grie­chischen Urtext ist es sogar nur ein einziges Wörtchen: „automatä“. Das griechische Wort „automatä“ bedeutet „von selbst“. Ein Kaffee­automat ist eine Maschine, die von selbst eine fertige Tasse Kaffee zubereitet, auto­matisch, wie man auch sagt. Und der Ackerboden ist gewisser­maßen eine göttliche Maschine, die von selbst Weizen produziert. Man muss nur am Anfang die Saat in den Boden bringen, so wie man am Anfang die Kaffee­bohnen in den Automaten tun muss.

Was beim Kaffee­automaten einen Fortschritt der Technik bedeutet, das war beim Ackerboden schon immer so. Deshalb wäre ein Bauer aus­gesprochen dumm, wenn er meinte, er müsse sich seinen Weizen von Hand machen. Er wäre dumm, wenn er nachts aus Sorge um seinen Weizen nicht schliefe, sondern dauernd aufstünde und aufs Feld ginge, um zu sehen, ob da nicht was zu tun wäre. Er wäre dumm, wenn er seine Weizen­körner tagsüber immer wieder ausbuddelte und an den Wurzel­härchen zöge, damit sie besser wachsen. Er wäre dumm, wenn er sich Nacht und Tag den Kopf darüber zerbräche, wie das denn sein kann, dass da ohne seine Arbeits­kraft etwas Gutes entsteht. Dagegen sagt Jesus vom klugen Landwirt in seinem Gleichnis: „Er schläft und steht auf Nacht und Tag, und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.“ Erst wenn das Getreide ausgereif ist, muss der Landwirt wieder tätig werden. Dann nimmt er seine Sichel und bringt die Ernte ein.

Die Geschichte vom auto­matischen Ackerboden ist ein Gleichnis für Gottes Reich, so hat Jesus es aus­drücklich gesagt. Wir finden dieses Gleichnis inmmitten anderer Reich-Gottes-Gleich­nisse. Eines davon haben wir heute als Evangeliums­lesung gehört; es ist ebenfalls ein Saat-und-Boden-Gleichnis. Da hat Jesus erklärt, dass der Same Gottes Wort ist, das in die Herzen der Menschen fällt. So müssen wir auch unser Gleichnis deuten: Gottes Reich kommt zu einem Menschen dadurch, dass er das Evangelium hört, das gute Wort vom Heiland Jesus Christus. In dieser Phase können und sollen Menschen tätig sein: Das Evangelium soll gepredigt werden, es soll unter die Leute kommen! Zu diesem Zweck hat Jesus ja den Missions­befehl gegeben und seinen Jüngern auf­getragen: „Gehet hin und macht zu Jünger alle Völker: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Matth. 28,19‑20). Wenn Christen andere Menschen taufen und sie das Evangelium lehren, dann streuen sie den guten Samen des Wortes aufs Land. Was dann aber das Wort in den Herzen der Menschen tut, das geschieht von selbst. Da brauchen wir Menschen nichts zu tun, da können wir auch nichts manipu­lieren, da ist allein der Heilige Geist am Werk. Gottes Reich entfaltet sich auto­matisch; wir brauchen uns da keine Sorgen zu machen. Wie sagte Jesus vom Landwirt? „Er schläft und steht auf Nacht und Tag, und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.“

Wenn ein Mensch will, dass ein anderer selig wird, dann kann er also nichts weiter tun als ihm das Evangelium zu verkündigen, abzuwarten und darauf zu hoffen, dass Gottes Wort in ihm Frucht bringt. Ja, genau das will Jesus uns mit diesem Gleichnis lehren: Wo es um das Reich Gottes geht, da sollen wir vetrauens­voll abwarten. Beim Reich Gottes müssen wir nicht Pläne schmieden und uns abschinden, so wie Architekten und Maurer Häuser bauen. Beim Reich Gottes machen wir es wie Landwirte: Wir säen den guten Samen aufs Land und warten dann ab in der Hoffnung auf eine gute Ernte. Das Reich Gottes wächst ja von selbst, auto­matisch, durch die Kraft des Heiligen Geistes. Das Reich Gottes gleicht eher dem Kaffee­automaten als dem Kaffee­kochen vor hundert Jahren. Willst du, dass deine Nachbarn selig werden? Dann sage ihnen etwas von Jesus, lade sie ein in den Gottes­dienst und bitte Gott, dass sein Wort in ihren Herzen Wurzeln schlägt. Willst du, dass deine Arbeits­kollegen selig werden? Dann zeige ihnen etwas von Jesu Liebe mit Wort und Tat, bete für sie und überlasse es vertrauens­voll Gott, ob daraus etwas reift, was am Jüngsten Tag Frucht bringen wird. Willst Du, dass deine Kinder und Enkelkinder selig werden? Dann lies ihnen aus der Kinderbibel vor und erzähle ihnen von dem Mann, der heute von so vielen ver­schwiegen wird: Jesus Christus. Bedenke dabei aber: Erzwingen kannst du nichts; es gibt keine Erziehungs­tricks, die den Glauben garan­tieren. Bitte nur den Herrn der Ernte, dass er auch in ihren Herzen sein Wort reifen und wachsen lässt. Auch wenn wir als Gemeinde hier am Ort eifrig bemüht sind, andere Menschen zu gewinnen, dann können wir doch letztlich nicht mehr tun als das Wort aus­zustreuen, zu beten und vertrauens­voll abzuwarten. Wenn wir mehr tun wollten für eine Erweckung, dann wären wir wie dumme Bauern, die nicht begriffen haben, dass der Acker von selbst Frucht bringt, auto­matisch.

Was für Gottes ewiges Reich gilt, das gilt im über­tragenen Sinn auch für unser all­tägliches Leben. Auch da gilt es, vertrauens­voll abzuwarten. Auch da gilt es, nicht mit Gewalt eingreifen zu wollen, wo Gott automatisch handelt. Freilich sollten wir sorgfältig prüfen, wo man selber etwas tun kann und wo man Gott machen lassen sollte. Ich will das mal am Beispiel der Krankheit ver­deutlichen: Wir können einiges tun, um Krankheiten vor­zubeugen; wir können vorsichtig sein und eine gesunde Lebensweise pflegen. Trotzdem kann und wird es passieren, dass wir krank werden. Es kann sogar so weit kommen, dass auch der Arzt nicht mehr weiter weiß. Dann heißt es vertrauens­voll abwarten und Gott machen lassen. Wir wissen dabei: Unser Leib muss früher oder später vergehen wie das Weizenkorn in der Erde; das müssen wir akzep­tieren. Die Seele aber wird nicht verderben, sondern sie wird durch Jesus bewahrt zum ewigen Leben, zum Tag der Ernte, wo wir mit neuen, aus­gereiften Leibern auferstehen werden. Ja, dieses Wissen hilft uns jetzt schon, vertrauens­voll abzuwarten, wenn wir krank werden oder sonst eine Not uns plagt. Und so brauchen wir letztlich nur zu bitten: „Gott, gib mir die Gelassen­heit, die Dinge anzunehmen, die ich nicht verändern kann, den Mut, die Dinge zu verändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, beides voneinander zu unter­scheiden“ (Reinhold Niebur). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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