Wer bereitet wem den Weg, und warum?

Predigt über Jesaja 45,1‑8 zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Advent ist irgendwie die Zeit des Türen-Aufmachens. Da werden nicht nur Advents­kalender-Türchen geöffnet, sondern da fordern wir uns auch singender­weise dazu auf, die Türen hoch und die Tore weit zu machen. „Machet die Tore weit, und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“, heißt es im Advents­psalm (Ps. 24,7). Advent ist auch die Zeit der Straßenbau­arbeiten. „Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe der Herr kommt gewaltig“, heißt es im Wochen­spruch der dritten Advents­woche (Jes. 40,3.10). Und die Evangeliums­lesung erinnert an Johannes den Täufer, von dem sein Vater bereits kurz nach der Geburt geweissagt hat: „Du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest“ (Lu­kas 1,76). Später hat Johannes selbst die Leute zum Straßenbau aufgerufen, wie Jesaja von ihm geweissagt hat. Johannes predigte: „Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden“ (Lu­kas 3,4‑5). Bereits am 1. Advents­sonntag haben wir in der Evangeliums­lesung davon gehört, wie die Menschen­menge Jesus den Weg bereitete mit Palmzweigen und Kleidungs­stücken, als er auf einem Esel nach Jerusalem einzog. Ja, das Türen-Aufmachen und der Straßenbau sind zweifellos adventliche Themen. Fragt sich nur: Wer soll da wem den Weg bereiten, und warum?

Wenn man sich Klarheit verschaffen will, dann kann es helfen, eine Sache mit Abstand zu betrachten. Im Hinblick auf das adventliche Türen-Aufmachen und den Straßenbau kann uns der Abstand des Propheten Jesaja helfen, klar zu sehen. Immerhin 700 Jahre vor dem Kommen Jesu hat Jesaja die Worte auf­geschrieben, die wir eben als Predigttext gehört haben. Diese Worte beziehen sich vorder­gründig auf ein Ereignis, das dann 200 Jahre auf sich warten ließ: Jesaja sagte die Eroberung der Stadt Babylon durch den Perserkönig Kyrus voraus. Wie an vielen anderen Stellen, so bildet sich an diesem alt­testament­lichen Ereignis etwas ab, was sich später mit dem Kommen Jesu auch hinter­gründig und damit voll erfüllt hat. Wir hören da von Türen, die geöffnet und sogar zerschlagen werden, von Toren, die nicht ver­schlossen bleiben, von Riegeln, die zerbrochen werden, und von einem Bergland, das eben gemacht wird für den Straßenbau. Dieses Wort des Prophet Jesaja macht uns mit der Geschichte vom Sieg des Kyrus an­schaulich, wer wem den Weg bereitet und warum.

Also zunächst einmal: Wer bereitet den Weg? Da besteht nicht die Spur eines Zweifels: Gott der Herr bereitet selbst den Weg! In dem ganzen Bibelwort ist allein Gott der Redende und der Handelnde. Gott bahnt dem Kyrus einen ebenen Weg durchs Bergland zur Stadt der Feinde Israels, Gott öffnet ihm die Stadttore Babels, Gott unterwirft ihm die Babylonier, Gott nimmt ihn an die Hand wie ein kleines Kind und führt ihn zum Sieg. „So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, Kyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwefe und Königen das Schwert abgürte…“ Gott ist in Wahrheit allein der Handelnde; er, dessen Name „Ich bin, der ich bin“ heißt. Dieser Gottesname kommt ganz groß heraus in unserem Propheten­wort: „Ich bin der Herr und sonst keiner mehr“, heißt es da, und: „Ich bin der Herr, der dies alles tut“, und: „Ich, der Herr, habe es ge­schaffen.“ Er, der den Himmel regnen und die Erde Pflanzen hervor­bringen lässt, der hält auch die Welt­geschichte souverän in seiner Hand. Er gebietet dem Himmel und dem Ackerboden ebenso wie den Herrschern und Völkern der Erde; darum heißt es am Schluss des Propheten­wortes: „Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtig­keit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtig­keit wachse mit auf! Ich, der Herr, habe es ge­schaffen.“ Und darum singen wir im Advent: „O Gott, ein Tau vom Himmel gieß, / im Tau herab, o Heiland, fließ. / Ihr Wolken brecht und regnet aus / den König über Jakobs Haus.“ Und weiter: „O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, / dass Berg und Tal grün alles werd. / O Erde, herfür dies Blümlein bring, / o Heiland, aus der Erden spring.“

Ja, Gott bereitet den Weg. Er schickte Kyrus nach Babel und ließ ihn die Feinde Israels besiegen. Er öffnete die Türen des Himmels und schickte seinen Sohn in die Welt, um den altbösen Feind zu besiegen. Gott ist der eine wahre Wegbereiter. Aber es gefällt Gott, Menschen in seinem Dienst zu nehmen. Gott nahm Kyrus bei der Hand und gab ihm die Macht, das Weltreich der Babylonier zu zer­schlagen. Gott erwählte sich den Johannes und machte ihn zum Vorarbeiter beim Wegebau für Jesus. Gott ließ durch Johannes viele andere zur Mithilfe rufen, damit dem Gottessohn ein Weg in ihren Herzen gebahnt wurde. Was es auch sei, Welt­geschichte oder Herzens­bereitung, immer ist letztlich Gott allein der Handelnde – auch wenn er seinen Willen dann durch Menschen ausführt. Das macht uns demütig, liebe Gemeinde, aber das macht uns zugleich auch froh. Es macht uns demütig, weil sich keiner von uns brüsten kann und sagen: Jesus ist deswegen in mein Herz eingezogen, weil ich ihm den Weg so schön bereitet habe und weil ich ihm die Tür aufgemacht habe. Nein, vielmehr ist es doch so: Gott selbst hat Jesus in dein Herz geführt, Gottes Geist hat deine Herzenstür aufgemacht! Diese Erkenntnis macht uns nun aber zugleich auch froh, weil wir uns darauf verlassen können: Gott hat es alles in der Hand; er wirds schon richtig machen! Er befreit mich von meinem ärgsten Feind und bringt alles in Ordnung in meinem Leben.

Kommen wir nun zum zweiten Teil unserer advent­lichen Frage: Wem wird der Weg bereitet? Die Antwort scheint schnell gefunden zu sein: natürlich dem „König der Ehre!“ Aber es lohnt sich, mit dem Advents­psalm noch einmal nach­zufragen und genauer heraus­zufinden: „Wer ist denn der König der Ehre?“ (Ps. 24,8.10). Wieder hilft uns das Jesajawort mit dem großen Abstand. Dort ist es vorder­gründig der Perserkönig Kyrus, dem der Weg in die Hauptstadt seiner Feinde geöffnet wird. „Gesalbter“ wird er genannt, auf Hebräisch „Messias“, auf Griechisch „Christus“. Man kann dieses Wort schlicht als hebräischen Amtstitel für einen König verstehen; man kann aber auch hinter­gründig heraus­hören, dass mit diesem Mann der eine Gesalbte, der eine Messias, der eine Christus vor-abgebildet ist: Jesus, der Gottessohn. Er ist ja mit dem Heiligen Geist gesalbt und ausgerüstet wie kein anderer. Er ist nicht nur der König der Juden, sondern der König über alle Völker, und das in Ewigkeit. Ihm ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Er ist der Herr aller Herren; auf Griechisch: der Kyrios. Auch das ist kein Zufall, dass der siegreiche Perserkönig damals Kyrus hieß; da klingt schon der Kyrios Jesus Christus mit an, wie wir ihn heute noch im Gottes­dienst anbeten: Kyrie eleison! Christe eleison! Kyrie eleison! Wer ist also der „König der Ehre“, dem der Weg bereitet wird? „Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit“ (Ps. 24,8). Es ist der Herr Jesus Christus, der den Satan und die Sünde so radikal besiegt hat, wie König Kyros einst die Babylonier besiegte. Er ist ein göttlicher König; Gottes ein­geborener Sohn. Gott selbst kommt durch ihn zu uns. „Es ist der Herr Zebaoth; er ist der König der Ehre“ (Ps. 24,10). Ja, das ist das Wunder des Advent: Indem Gott der Vater seinem ein­geborenen Sohn den Weg bereitet in die Welt, bereitet er sich selbst einen Weg in die Herzen der Menschen.

Damit nähern wir uns bereits dem dritten Teil unserer advent­lichen Frage: Warum wird der Weg bereitet? Klar, der König Jesus Christus soll zu uns kommen – aber was bedeutet das denn? Wieder hilft uns der Blick aus dem Abstand Jesajas. Gott verhieß durch Jesaja: „Um Jakobs, meines Knechts, und um Israels, meines Aus­erwählten, willen rief ich dich, Kyrus, bei deinem Namen.“ Vorder­gründig bedeutet das: Gott bereitete damals dem Perserkönig Kyrus den Weg, um seinem aus­erwählten Volk Israel zu helfen. Sie sollten aus der Babylo­nischen Gefangen­schaft frei kommen und heimkehren nach Jerusalem; dort sollten sie dann den Tempel wieder aufbauen und Gemein­schaft mit dem lebendigen Gott haben. Freiheit und Gemein­schaft mit dem lebendigen Gott – das ist hinter­gründig auch Gottes Wille für das geistliche Israel, also für alle, die ihm vertrauen. Durch seinen Gesalbten Jesus Christus hat er uns aus der Knecht­schaft des Teufels befreit. Ein Mensch, der ohne Gott lebt, ist nämlich nur scheinbar frei; in Wahrheit steht er unter der Knecht­schaft der Menschen um ihn herum, unter der Knecht­schaft seiner Selbstsucht und damit letztlich auch unter der Knecht­schaft des Teufels. Frei kann er nur werden, wenn dieser Feind besiegt und die Absonderung von Gott überwunden wird – jene Ab­sonderung, die man auch „Sünde“ nennt. Gott selbst ist es, der diese Absonderung überwindet. Gott selbst bahnt seinem Heiland einen Weg durch das Gebirge der Sünde, das zwischen ihm und dem Menschen steht. Gott selbst öffnet die Tore der Gottlosig­keit, mit denen die Menschen sich von ihm ab­geschottet haben. Gott selbst dringt mit Jesus zu uns durch, macht uns frei und führt uns heim in die Herrlich­keit seines Reiches. Dieses Handeln Gottes nennt man auch „Recht­fertigung“: Gott schenkt uns durch Jesus sein Recht und seine Gerechtig­keit, damit die Fesseln der Sünde gelöst werden. „Träufelt, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtig­keit! Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtig­keit wachse mit auf! Ich, der Herr, habe es ge­schaffen.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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