Immer besser werden

Predigt über 1. Thessalonicher 4,1‑8 zum 20. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Mit­christen, wir bitten und ermuntern euch in Christus Jesus: Wie ihr von uns den rechten gott­gefälligen Lebens­wandel gelernt habt und auch führt, so werdet nun immer besser dabei! Ihr wisst ja, welche Gebote wir euch durch den Herrn Jesus gegeben haben. Dies nämlich ist Gottes Wille und eure Heiligung, dass ihr euch von Unzucht fern haltet. Jeder sehe zu, dass er auf gott­gefällige und anständige Weise eine Partnerin oder einen Partner findet, nicht in gieriger Leiden­schaft, wie es bei denen üblich ist, die Gott nicht kennen. Auch bei Geschäften soll keiner zu weit gehen und seinen Mitchristen über­vorteilen. Der Herr ist nämlich ein Richter all solcher Angelegen­heiten, wie wir euch schon immer gesagt und bezeugt haben. Gott hat uns ja nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligkeit. Wer das von sich weist, der weist damit folglich nicht Menschen ab, sondern Gott, der euch seinen Heiligen Geist gegeben hat.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Wort „Privat­sache“ fängt mit „P“ an – ebenso wie die beiden wichtigen Lebens­bereiche, die die meisten Leute als Privatsache bezeichnen würden, nämlich „Partner­schaft“ und „Port­monee“. Aber aus­gerechnet diese beiden Bereiche sind es, in die der Apostel Paulus den Thessa­lonichern damals und uns heute hinein­redet. Aus­gerechnet zur Partner­schaft und zum Portmonee (bzw. zum Geschäfte­machen) gibt er An­weisungen, um zu ver­anschauli­chen, was geheiligtes Leben bedeutet. Es klingt fast so, als dürfe es für Christen gar keine Privat­sachen geben. Aber schauen wir uns das Ganze im Zusammen­hang an!

Als „Mit­christen“ redet Paulus seine Adressaten an, wörtlich als „Brüder“. Er setzt voraus, dass wir, die wir diese Worte hören, getauft sind und an Jesus Christus glauben. Und dann nennt er in den ersten beiden Sätzen aus­drücklich zweimal den Namen des Herrn Jesus: „Wir ermuntern euch in Christus Jesus“, schreibt er, und: „Ihr wisst ja, welche Gebote wir euch durch den Herrn Jesus gegeben haben.“ „In Jesus“, „durch Jesus“ – das sind keine frommen Ver­zierungen in einem christ­lichen Brief, sondern das sind ganz wichtige Er­innerungen! Mit diesen Worten werden wir blitzartig daran erinnert, wer uns erlöst hat, wer unser Herr ist und durch wen wir ewig leben dürfen. Diese Worte rufen uns die Grundlage unseres Lebens in Erinnerung, das Evangelium vom Herrn Jesus Christus. Diese Worte machen uns bewusst, dass wir allein aus Gnade und allein durch den Glauben gerettet sind, nicht durch eigene Werke und Verdienste. Das ist ganz wichtig, damit wir die Anweisungen dieses Abschnitts nicht gesetzlich miss­verstehen. Paulus will uns hier nicht darüber aufklären, wie wir uns die Seligkeit verdienen können, sondern er will uns ein paar Tipps geben, wie wir uns angemessen verhalten können als Leute, denen die Seligkeit geschenkt worden ist.

Darum hat Paulus auch nicht ge­schrieben: „Wir fordern“ oder „wir befehlen euch“, sondern ganz sanft und lieb: „Wir bitten und ermuntern euch.“ „Wir“, das ist der Apostel mit seinen Mit­arbeitern. „Wir“, das schließt im weiteren Sinn aber auch die anderen Apostel und alle Lehrer der Kirche ein, die ihre Mitchristen im Namen des Herrn lehren. In diesem „Wir“ kann auch ich mich als Pastor wieder­finden; und genau das ist es auch, was ich immer wieder versuche: nämlich die Christen und besonders meine Gemeinde­glieder ganz sanft und lieb auf­zufordern, einen christ­lichen Lebens­wandel zu führen. Darum richte ich diese Gottesworte jetzt als euer Pastor direkt an euch: „Liebe Mit­christen, wir bitten und ermuntern euch in Christus Jesus: Wie ihr von uns den rechten gott­gefälligen Lebens­wandel gelernt habt und auch führt, so werdet nun immer besser dabei! Ihr wisst ja, welche Gebote wir euch durch den Herrn Jesus gegeben haben.“

Ehrlicher­weise muss ich zugeben, dass mir solches Bitten und Ermuntern oft misslingt; jedenfalls bringt es meistens nicht den erhofften Erfolg. In meinen Predigten, bei meinen per­sönlichen Kontakten und im Gemeinde­brief sage ich immer wieder: „Haltet euch an Gottes Gebote!“ –“Lebt nicht in Unzucht!“ – „Denkt nicht, Geld­verdienen am Sonntag ist wichtiger als Gottes­dienst­besuch!“ – „Macht Fort­schritte auf dem Weg der Heiligung!“ Aber viele laufen trotzdem stur weiter in die falsche Richtung und machen genau das Gegenteil von dem, was ich ihnen rate. Manchmal tun sie es unter faden­scheinigen Ausreden, manchmal verweigern sie jede Begründung, manchmal habe ich sogar den Eindruck: Wenn sie an Gottes Gebote erinnert werden, dann tun sie trotzig erst recht das Gegenteil davon. Ich bin mir sicher: Die Tatsache, dass wir sonntags hier immer nur so wenige Leute im Gottes­dienst sind, hängt damit zusammen.

Das ist für mich allerdings kein Grund, mit dem Bitten und Ermuntern aufzuhören. Und für euch sollte es kein Grund sein, dass ihr euch selbst­gefällig in der Kirchenbank zurücklehnt und denkt: Wie gut, dass wenigstens wir gehorsam sind und auf Gottes Gebote achten! Bedenkt: Paulus hat gutwilligen und eifrigen Christen zu Thessa­lonich ans Herz gelegt: „Wie ihr von uns den rechten gott­gefälligen Lebens­wandel gelernt habt und auch führt, so werdet nun immer besser dabei!“ Das möchte ich euch treuen Gemeinde­gliedern direkt weiter­geben: „Werdet nun immer besser dabei!“ Menschlich bin ich natürlich versucht zu sagen: „Bleibt so, wie ihr seid!“, aber Jesus und seine Boten haben es stets anders gesagt: „Ändert euch, bessert euch, kehrt um, tut Buße!“ Christsein heißt, sein Leben lang Buße tun, sein Leben lang immer besser werden wollen – nicht aus eigener Kraft und An­strengung, wie ich schon anfangs betonte, sondern aus der Kraft Gottes, aus der Kraft des Evangeliums unsers Herrn. Wer stehen bleibt in der Heiligung und meint, er sei schon gut genug und habe keine Besserung mehr nötig, der gleicht einem selbst­gefälligen Pharisäer. Die Pharisäer hielten sich nämlich für ausgereifte Superfromme und blickten gering­schätzig herab auf diejenigen, deren Ungehorsam offen­sichtlich war, auf die Huren und Zöllner zum Beispiel. Die große Gefahr dieser Haltung besteht darin, dass ein Mensch nicht erkennt, wie nötig er selbst Gottes Hilfe hat und die erneuernde Kraft des Evan­geliums. Das Vertrauen in Gottes Hilfe und in die erneuernde Kraft des Evangeliums ist ja der eine Glaube, der selig macht. Es ist eigentlich gar nicht so wichtig, wie weit einer schon fort­geschritten ist auf dem Weg der Heiligung und wie gut es ihm gelingt, nach Gottes Geboten zu leben; wichtig ist, dass er nicht stehen bleibt, sondern mit Gottes Hilfe immer besser werden will.

Ja, die Pharisäer waren zu Jesu Zeiten selbst­gefällig stehen geblieben auf einem bestimmmten Niveau der Heiligkeit; aus dieser Position heraus verachteten sie offen­sichtliche Sünder wie Huren und Zöllner. Jesus jedoch wandte sich gerade den Huren und Zöllnern barmherzig zu und machte ihnen klar: Gott hat euch nicht als hoffnungs­lose Fälle ab­geschrie­ben! Gott will euch reinigen von eurer Schuld und euer Leben erneuern! Jesus rief sie zur Umkehr auf; er lud sie ein, mit Gottes Hilfe heraus­zukommen aus Unzucht und schmutzigen Geschäften. Er vergab ihnen ihre Schuld und führte sie ins Reich seines himmlischen Vaters. Es war nicht wichtig, dass sie erst ganz am Anfang eines geheiligten Weges standen; wichtig war, dass sie bereit wurden, sich vom Herrn Jesus Christus auf diesen Weg führen zu lassen und ihn immer weiter zu gehen. Es ist bemerkens­wert, dass die Bibel gerade Huren und Zöllner als christliche Vorbilder nennt – wohlbemert: solche Huren und Zöllner, die nicht weiter Unzucht und Gaunerei treiben wollten, sondern die zur Umkehr bereit waren. Sie sind Stell­vertreter für die beiden großen P-Bereiche, die man heute so gern als Privatsache behandelt: Partner­schaft und Portmonee. Die von Jesus gerufenen Prostitu­ierten haben erkannt, dass ihr Gewerbe eben nicht ein ganz normaler Beruf ist, sondern Unzucht, die Gott nicht gefällt, und haben sich davon gelöst. Und die von Jesus gerufenen Zöllner haben erkannt, dass ihr rücksichts­loses Gewinn­streben eben nicht eine ganz normale Praxis in der Welt des Handels ist, sondern Gaunerei, die Gott nicht gefällt, und haben sich davon gelöst.

Was Gott will und was Jesus gefällt in diesen beiden Bereichen, das kann man in der Bibel nachlesen, und ich sage es euch auch gern persönlich weiter: Im Bereich der Partner­schaft möchte Gott, dass ein Mann und eine Frau sich zunächst einmal kennen­lernen und dabei nicht in erster Linie auf äußerliche körperliche Reize achten, sondern auf den christ­lichen Glauben, damit sich beide mit ihrer gemeinsamen Lebens­führung dem Herrn ver­pflichtet wissen. Wenn sie darin überein­stimmen und auch sonst zueinander passen, sollen sie heiraten und sich ein Leben lang treu bleiben. Der Apostel Paulus schrieb: „Jeder sehe zu, dass er auf gott­gefällige und anständige Weise eine Partnerin oder einen Partner findet, nicht in gieriger Leiden­schaft, wie es bei denen üblich ist, die Gott nicht kennen.“ Im Bereich Portmonee möchte Gott, dass wir Geld und irdischen Besitz nicht zum Götzen erheben. Er möchte, dass wir darin dankbar Gottes Gabe erkennen, an der wir uns freilich nicht nur selbst erfreuen, sondern mit der wir auch unseren Mitmenschen dienen sollen. Nächsten­liebe und Dienst­bereitschaft sollen Vorrang haben vor wirtschaft­lichem Gewinn­streben. Geiz, Schwarz­arbeit und der Verkauf minder­wertiger Waren für teures Geld schaden der Allgemein­heit beziehungs­weise dem einzelnen Mit­menschen; in Gottes Augen sind sie gleich­bedeutend mit Diebstahl. Der Apostel Paulus schrieb: „Auch bei Geschäften soll keiner zu weit gehen und seinen Mitchristen über­vorteilen.“

Wir sehen: Für uns Christen sind weder Partner­schaft noch Portmonee Privat­sache. Eigentlich ist nichts Privat­sache, denn wir führen ja unser ganzes Leben unter Gott und dem Herrn Jesus Christus. Gott und sein Wort beurteilen alles: Partner­schaft und Portmonee und sogar unsere geheimsten Gedanken. Der Apostel Paulus schrieb: „Der Herr ist ein Richter all solcher Angelegen­heiten, wie wir euch schon immer gesagt und bezeugt haben.“ Wenn Gott nun unser ganzes Leben beurteilt, dann ist nicht ent­scheidend, was wir persönlich gut finden, sondern dann ist ent­scheidend, was er gut findet. Nichts anderes will das Wort „Heilig­keit“ oder „ge­heiligtes Leben“ sagen; „heilig“ heißt „zu Gott gehörig“. Mit unserem ganzen Leben soll zum Ausdruck kommen, dass wir zu Gott gehören und dass wir einen Herrn im Himmel haben, den wir in jeder Hinsicht als Chef anerkennen. Der Apostel Paulus schrieb: „Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligkeit. Wer das von sich weist, der weist damit folglich nicht Menschen ab, sondern Gott, der euch seinen Heiligen Geist gegeben hat.“

Liebe Mit­christen, wenn wir Ernst machen mit unserem Glauben, dann erkennen wir: Nichts in unserem Leben ist Privat­sache, am aller­wenigsten der Glaube selbst. Wir sollen ihn uns nicht nach eigenem Gutdünken zurecht­basteln, sondern ihn an Gottes Wort orien­tieren. Und wir sollen ihn auch nicht wie ein Tabu-Thema in unserem Herzen vergraben, sondern ihn mit Wort und Tat fröhlich vor der Welt bekennen. Für Christen gibt es keine Privat­sachen mehr, sondern nur noch Christus-Sachen – Sachen, die dem Herrn Jesus Christus unterstehen und durch ihn geheiligt werden. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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