Zieht euch um!

Predigt über Epheser 4,22‑32 zum 19. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Eine Rätsel­frage: Was ist das Gegenteil vom alten Menschen? Ist es der junge Mensch? Falsch! Wenn ihr beim Verlesen des Predigt­textes gut zugehört habt, dann wisst ihr die richtige Antwort: Es ist der neue Mensch! Der Apostel Paulus schrieb: „Legt von euch ab den alten Menschen!“, und weiter: „Zieht den neuen Menschen an!“ Da merken wir: Beim alten und beim neuen Menschen geht es eigentlich gar nicht um ver­schiedene Menschen, sondern es geht um zwei Seiten eines jeden Christen­menschen. Wir alle, die wir an Jesus glauben, kennen den alten und den neuen Menschen bei uns selbst: Der alte Mensch kümmert sich wenig um Gott und die Mit­menschen, ist egoistisch, sucht den eigenen Vorteil, will sich auf Kosten anderer durch­setzen, ist habgierig, stolz und bequem. Der neue aber Mensch ist rein, heilig und erfüllt von Liebe. Er vertraut dem Vater im Himmel, er setzt sich für seine Mitmenschen ein und freut sich auf die ewige Seligkeit. Wie Kleidungs­stücke können wir nun den alten und den neuen Menschen an- und ausziehen, so hören wir. Gott möchte, dass wir den alten Menschen ablegen und den neuen Menschen anlegen. Dazu müssen wir freilich den alten und den neuen Menschen gut unter­scheiden lernen. Gleich die folgenden Verse leiten uns dazu an.

Unser Gotteswort leitet uns erstens dazu an, unser Reden zu prüfen. Wir lesen: „Legt ab die Lüge und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten.“ Der alte Mensch hat einen starken Hang zur Un­wahrhaftig­keit. Der alte Mensch erzählt gern Ge­schichten, die alle ungefähr folgende Pointe haben: Schaut mal, wie schlecht die anderen sind und wie gut ich selbst bin! Damit lügt er, denn in Wahrheit ist er nicht besser als andere. Der alte Mensch versucht manchmal auch, Gott zu belügen: Schau mal, Gott, wie anständig ich bin – das musst du doch honorieren! Der alte Mensch schafft es sogar, sich selbst zu belügen: Er bildet sich ein, er sei tatsächlich gut und anständig. Und wo die Fassade der Anständig­keit schadhaft zu werden droht, da erfindet der alte Mensch dann oft richtig faustdicke Lügen, um nicht als der Blamierte dazustehen. Der neue Mensch dagegen richtet sich nach der Wahrheit. Er weiß: Mit der Wahrheit fährt er in jedem Fall am besten, denn die Wahrheit kommt von Gott. Es ist ihm nicht peinlich, auch unangenehme Wahrheiten über sich selbst aus­zusprechen. Er bekennt offen, wo er schuldig geworden ist, und bittet um Verzeihung. Seinen Mitmenschen schmeichelt der neue Mensch nicht mit verlogenen Kompli­menten, sondern er sagt ihnen offen, was er denkt und meint. Dabei bemüht er sich darum, diese Wahrheiten immer in Liebe zu sagen, vor allem, wenn es sich um unangenehme Wahrheiten handelt. Am liebsten redet der neue Mensch von Jesus, der ja Gottes Fleisch gewordene Wahrheit ist. Stets ist der neue Mensch darauf bedacht, dass seine Worte das Gute fördern und seinen Mitmenschen nützen. Während der alte Mensch „falsch Zeugnis wider seinen Nächsten“ redet, redet der neue Mensch rechtes Zeugnis zugunsten seines Nächsten. Der neue Mensch richtet sich bei seinem Reden grund­sätzlich nach dem, was ebenfalls in unserem Predigttext geschrieben steht: „Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was nötig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“

Unser Gotteswort leitet uns zweitens dazu an, unsere Einstellung zum Besitz zu prüfen. Wir lesen: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit seinen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann.“ Der alte Mensch sagt: Wenn das so ist, dann muss mir aber erst mal jemand Arbeit geben – Arbeit, bei der ich genug verdiene, um noch etwas abgeben zu können! Und wenn ich keine Arbeit kriegen kann, dann muss der Staat mich angemessen versorgen! Wie soll ich anderen noch etwas abgeben, wenn ich von Hartz IV leben muss oder wenn ich nur eine schmale Rente kriege, die immer weniger wert ist. Kurz: Der alte Mensch jammert über seine wirtschaftliche Situation und lebt dabei doch letztlich auf Kosten anderer. Das ist merkwürdig: Gerade diejenigen jammern am meisten, deren Lebens­unterhalt von anderen verdient wird! Auch wenn diese Hilfen zum Lebens­unterhalt nicht gerade üppig sind und sorg­fältiges Wirt­schaften erfordern, kann man sich doch eigentlich darüber freuen, dass man nicht mittellos dasteht. Der neue Mensch tut das auch: Er freut sich. Der neue Mensch dankt Gott für alles, was ihm zufällt – gleich ob viel oder wenig, gleich ob durch eigene Arbeit oder als Transfer­leistung. Er sorgt sich nicht um Essen, Trinken oder Kleidung, wie Jesus es in der Bergpredigt geboten hat. Er vertraut darauf, dass Gott ihn auch in wirtschaft­licher Hinsicht nicht hängen lassen wird. Klug und sparsam wirt­schaftet der neue Mensch mit dem, was er hat, ohne dabei jedoch geizig zu sein. Der neue Mensch hat immer etwas übrig, das er anderen abgeben kann, die noch weniger haben. Auch Gottes Reich vergisst er nicht und zahlt regelmäßige Kirchen­beiträge als fröhliches Dankopfer. Wenn der neue Mensch keine bezahlte Arbeit kriegen kann, dann arbeitet er eben unbezahlt und schafft auf diese Weise etwas Gutes, an dem andere teilhaben können. Dem neuen Menschen ist es letztlich egal, ob er bei einer Berufs­tätgkeit viel Geld verdient und davon für Bedürftige spendet oder ob er als Arbeits­loser den Bedürftigen Zeit spendet und ihnen seine Arbeits­kraft direkt zur Verfügung stellt.

Unser Gotteswort leitet uns drittens dazu an, unsere gesamte Einstellung zu den Mitmenschen zu prüfen. Wir lesen: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel… Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid unter­einander freundlich und herzlich und vergebet einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“ Der alte Mensch hat eine miss­trauische und verbitterte Einstellung gegenüber seinen Mit­menschen. Immer, wenn er sich über jemanden aufregt, speichert er diesen Zorn sorgfältig in seinem Gedächtnis ab. Diese gesammelten Werke des Zorns prägen sein Verhältnis zu den Mitmenschen mit Bitterkeit, Grimm, Jammern und Lästern. Der alte Mensch ist nach­tragend. Außerdem fühlt sich der alte Mensch durch die Schlechtig­keit seiner Mitmenschen dazu berechtigt, ihnen eins aus­zuwischen, ihnen Böses mit Bösem zu vergelten. Die Folgen solcher fatalen Einstellung können wir auf sämtlichen Bühnen betrachten, auf der Bühne des Familien­lebens ebenso wie auf der Bühne der Welt­geschichte. Der neue Mensch dagegen hat ein schlechtes Gedächtnis, was die Fehler seiner Mitmenschen anbetrifft. Zwar wird auch der neue Mensch mal zornig, aber dieser Zorn verraucht schnell; der neue Mensch lässt die Sonne nicht untergehen über ihm, er vergibt und vergisst. Der neue Mensch macht es so, wie Gott durch Jesus an ihm handelt: Er rechnet seinen Mitmenschen die Sünde nicht zu. Der Speicher für Ärger und Ent­täuschungen wird in seinem Gedächtnis regelmäßig gelöscht. Das hat zur Folge, dass Liebe und Freundlich­keit seine Einstellung zu den Mitmenschen prägen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, machen wir uns nichts vor: Wir alle kennen in uns beide, den alten und den neuen Menschen, auch wenn sie verschieden gewichtet sein mögen. Wir alle haben keine weißen Westen, auch wenn die Kaffee­flecken auf unseren Westen unter­schiedlich groß sein mögen.

Ich habe mal von einem Mann gehört, der war irgendwo zu Besuch und hat sich sein weißes Hemd wirklich mit Kaffee bekleckert. Er wollte den Fleck schnell wieder los werden und begann, mit seinen Fingern darauf herum­zureiben. Aber der Fleck wurde dabei nur größer. Da versuchte der Mann es mit Spucke: Er spuckte auf seine Finger und rieb nochmals auf dem Kaffeefleck herum. Der Fleck aber wurde noch größer. Am Ende blieb dem Mann nur eine Möglich­keit, den Fleck los zu werden: Er musste sich ein neues Hemd anziehen.

Genauso ist das bei uns mit dem alten und dem neuen Menschen. Der alte Mensch kann nicht rein werden durch eigene Reinigungs­versuche. Weder guter Wille noch Erziehungs­maßnahmen können aus einem Sünder einen Heiligen machen. Wer es dennoch versucht, wird sich letztlich durch seine Selbst­gerechtig­keit zu Grunde richten, denn die Selbst­gerechtig­keit ist ein Fleck viel größer und schlimmer als andere Sünden. Es hilft tatsächlich nur eins: Raus aus dem alten Hemd, rein in ein neues!

Erinnern wir uns noch einmal an das Gotteswort: „Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zu Grunde richtet. Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtig­keit und Heilig­keit.“ Dieses Umziehen geschieht immer dann, wenn wir Buße tun. Es geschieht immer dann, wenn wir Sünden erkennen, Sünden bereuen, Sünden beichten und Gott um Vergebung bitten. Gottes Vergebung ist wie ein neues Hemd, das wir geschenkt bekommen und in dem wir wieder tadellos vor ihm dastehen. Das heißt: Eigentlich ist es kein ganz neues Hemd, sondern es ist das Hemd, das wir bereits bei unserer Taufe geschenkt bekamen. Unser Bibelwort erinnert an die Taufe mit den Begriff der „Ver­siegelung“: „Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung“, heißt es mitten in den praktischen Anweisungen zum Kleider­wechsel. Aber wenn wir in unserem Christen­leben stets Buße tun, dann bekommen wir dieses Taufhemd immer wieder frisch gewaschen und gebügelt zurück. Zögern wir nicht, es anzuziehen und es auch alltags zu tragen! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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