Der brüllende Löwe und die gewaltige Hand

Predigt über 1. Petrus 5,5c‑11 zum 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich wünsche keinem Afrika-Urlauber, in freier Steppe einem Löwen zu begegnen. Ich denke dabei nicht an einen satten Löwen, der faul im Schatten eines Baumes liegt und sich mit den Resten seiner Beute be­schäftigt. Ich denke an einen hungrigen Löwen, der unruhig umhergeht und dabei schrecklich brüllt. In der Nähe eines solchen Löwen herrscht absolute Lebens­gefahr! Wenn aber Afrika-Urlauber doch in diese Situation kommen sollten, dann wünsche ich ihnen, dass ein erfahrener Wildhüter bei ihnen ist. Ein Mann, der ein Gewehr in seiner starken Hand hält. Ein Mann, der weiß, wie man sich in der Gegenwart eines brüllenden Löwen zu verhalten hat, und der den Urlaubern ent­sprechende Anweisungen gibt; zum Beispiel: Nicht wegrennen! Ruhig stehen bleiben und dem Löwen in die Augen sehen!

Der Apostel Petrus vergleicht das Christen­leben mit so einer Situation. Er schreibt: „Euer Wider­sacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er ver­schlinge.“ Diesem mörde­rischen Biest wären wir hilflos aus­geliefert, wenn da nicht jemand bei uns wäre, der uns mit starker Hand und wertvollen Ratschlägen schützt. Dem aber können wir uns getrost an­vertrauen. Petrus schreibt: „Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes…“ Gott gibt uns durch seinen Apostel in diesem Bibel­abschnitt vier wichtige An­weisungen, wie unsere Seelen in dieser Gefahr überleben können.

Erste Anweisung: Demut! „Demütigt euch unter Gottes Hand“, schreibt Petrus, und: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Ein Afrika-Urlauber sollte beim Auftauchen eines brüllenden Löwen Respekt haben vor dem Raubtier und in der Nähe des Wildhüters bleiben. Es wäre tödlicher Leichtsinn, sich dem Löwen zu nähern, um ein paar gute Fotos machen zu können. So ist das auch mit uns und dem Teufel. Neugierig lässt sich mancher auf seine Ver­suchungen ein, fühlt sich dabei stark und überlegen. Was ist schon dabei, ein bisschen mit dem Feuer zu spielen? Was ist schon dabei, zu tun, was alle tun? Ich nehme mein Leben selbst in die Hand, ich entscheide selbst, was für mich gut und richtig ist! Mit Gottes Geboten nehme ich es nicht so genau, ich bin ja doch grund­sätzlich ein ver­antwortungs­voller Mensch! Liebe Gemeinde: Genau das ist Hochmut! Dass einer meint, er habe selber alles im Griff, und auch mit dem Teufel und seiner Versuchung werde er schon allein fertig. Wer so denkt, der unter­schätzt, wie gefährdet er ist, vor allem gefährdet im Blick auf den Glauben und das ewige Leben. Soviel Respekt sollten wir vor dem Teufel haben, dass wir wissen: Kein Mensch wird mit ihm fertig, nur die gewaltige Hand Gottes wird mit ihm fertig, nur Gottes Sohn Jesus Christus kann ihn besiegen. Darum: „Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes.“ Demut ist angesagt.

Zweite Anweisung: Gelassen­heit! „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“, schreibt Petrus. Der Afrika-Urlauber wirft seine Angst und Sorge auf den Wildhüter und hat die Zuversicht, dass der den Löwen im Notfall schon abwehren wird. Das ist auch ganz wichtig, denn wenn er panisch würde und wegliefe, dann könnte es richtig gefährlich werden. Ebenso sollen wir es mit allen Sorgen und Ängsten unseres Lebens machen: Wir sollen sie im Gebet Gott sagen und darauf vertrauen, dass er uns behütet. Das hat er ja auch ver­sprochen; ganz oft finden wir diese Zusage in der Bibel, auch hier in den Worten seines Apostels: „Er sorgt für euch.“ Wir alle wissen, wie bedrückend Sorgen sein können. Da sitzt man zum Beispiel im Wartezimmer des Arztes und malt sich aus, was wohl für eine Diagnose heraus­kommen wird. Wie gut, dass man dann im Stillen ein kleines Gebet sprechen und diese Sorge auf Gott werfen kann! Oder da reicht das Geld hinten und vorne nicht, und man sorgt sich, wie man allen Zahlungs­verpflich­tungen nachkommen soll. Wie gut ist es, wenn man sich dann vertrauens­voll unter die gewaltige Hand Gottes demütigt, ihm seine Geldnöte sagt und sich daran erinnert, dass er un­ermesslich reich ist; ihm gehört ja die ganze Welt. Oder da ist die Angst, die man kriegt, wenn man viele schlechten Nachrichten aus allen Ecken der Erde hört. Man fühlt sich hilflos, man hat nichts in der Hand, um Abhilfe zu schaffen, und der Glaube an Gottes Liebe wackelt. Aber wir haben Hände, die wir zum Gebet falten können, und damit können wir alles Gottes gewaltiger Hand anbefehlen, auch unsere eigenen Glaubens­zweifel. Gelassen­heit ist angesagt.

Dritte Anweisung: Nüchtern­heit! „Seid nüchtern“, schreibt Petrus. Er dachte dabei nicht in erster Linie an den Verzicht auf Alkohol, wiewohl auch das ein sinnvoller Rat ist. Mit Nüchtern­heit ist hier Besonnen­heit gemeint, Bedachtsam­keit. Wer wie die afri­kanischen Urlauber in eine Gefahren­situation gerät, der tut wohl daran, nicht kopflos zu werden, sondern sich besonnen zu verhalten. Ich weiß noch, wie mein alter Fahrlehrer mir von der ersten Fahrstunde an ein­getrichtert hat: Nichts Unbedachtes tun, auch nicht unüberlegt bremsen! Manche Christen verwechseln den Glauben mit einem Überschwang an religiösen Gefühlen. Sie lassen sich be­eindrucken von andächtiger Stimmung oder von ekstati­schem Jubel oder von herzlicher Gemein­schaft oder von imposanten Liebes­werken. Dabei erwartet Gott nichts anderes von uns, als dass wir nüchtern unser Christen­leben führen, besonnen, bedacht. Dass wir also in allen Lebenslagen mit ihm rechnen, auf ihn hören und bedenken, was jetzt wohl das Beste wäre. Im Beruf den Mitmenschen wirklich dienen, für die Angehörigen dasein, in Leidens­zeiten nicht verzagen – das alles gehört zum nüchternen Glaubens­leben. Zu solcher Nüchtern­heit gehört ebenfalls die realisti­sche Sicht, dass Gott uns keineswegs alles Leid erspart und dass auf uns der Tod wartet – aber eben nicht, um uns zu „ver­schlingen“, sondern um uns in Gottes herrliche Welt zu führen! Wer nüchtern ist, hat einen längeren Atem, als wer sich an großen Gefühlen berauscht. Wer nüchtern ist, dessen Glaube ist krisen­fester. Verborgene Glut brennt länger als ein Strohfeuer. Nüchtern­heit ist angesagt.

Vierte Anweisung: Wach­samkeit! „Wacht“, schreibt Petrus. Er dachte dabei nicht an Schlaf­entzug, sondern an die Wachsamkeit des Glaubens, und setzte deshalb nach: „Widersteht dem Teufel, fest im Glauben!“ Jesus selbst hat seine Jünger mehrfach zur Glaubens-Wachsamkeit auf­gefordert. Solche Glaubens-Wachsamkeit ist keineswegs eine fromme Leistung, sondern sie ist einfach das wache Bewusstsein für Gottes gnädige Gegenwart. Wer solche Glaubens-Wachsamkeit hat, der kann nachts ruhig schlafen; er weiß: Gott wacht über mich. Wer wachsam ist, der weiß: Jesus hat mich erlöst; durch die Taufe gehöre ich zu ihm; nichts kann mich aus seiner Hand reißen – auch der Teufel nicht mit seinem wilden Gebrüll. Es ist ganz egal, was in meinem Leben geschieht und was alles passiert in der Welt, ich kann nie tiefer fallen als in die gwaltige Hand Gottes. Selbst wenn der Teufel mich zur Sünde verführt und mir daraus einen Strick drehen will, ja, selbst wenn ich in schlimme Sünden hinein­rassele, dann gibt es da immer den Ausweg der Buße, den Ausweg des Neuanfangs bei Gott. Die Glaubens-Wachsamkeit vergisst das nie und verzweifelt deshalb auch nie. Wachsamkeit ist also angesagt.

Demut, Gelassen­heit, Nüchtern­heit und Wachsamkeit – das rät uns Gott hier durch den Apostel Petrus. Beherzigen wir diese Anweisungen und bleiben wir bei der gewaltigen Hand Gottes! Der Teufel, dieser brüllende Löwe, kann uns nichts anhaben, denn Jesus ist stärker als er. Der Teufel wird uns nicht ver­schlingen, sondern er wird sich verziehen, sodass bald alle Gefahr vorüber ist. Gott wird uns dahin bringen, wo keine Versuchung mehr lauert, wo keine Angst mehr herrscht, wo keine Sorgen mehr drücken. Petrus schreibt: „Demütig euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

 


 

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