Die Sonnenblume

Predigt über Epheser 5,8b‑14 zum 8. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Eine Sonnenblume ist ein herrliches Geschöpf Gottes! Sie sieht wunderschön aus, und ihre Kerne kann man gut verwenden: für Körner­brötchen, für Speiseöl oder auch für Biodiesel.

Ein Mensch wollte sich eine Sonnenblume ziehen. Er füllte einen Blumenkübel mit prima Gartenerde und säte Sonnenblumensamen hinein. Gewissen­haft düngte und wässerte er das Ganze. Aber alle Mühe war vergebens: Es tat sich nichts, keine Sonnenblume erblühte, nicht einmal das kleinste Pflänzchen zeigte sich. Was war schief gelaufen? Ganz einfach: Der Mensch hatte seinen Blumenkübel in den dunklen Keller gestellt! Es fehlte das Wich­tigstes, was eine Pflanze zum Leben braucht: Es fehlte das Licht! Ein Mensch kann sich noch sehr um eine Blume bemühen, ohne Licht, das Gott vom Himmel herab scheinen lässt, gedeiht sie nicht.

Auch wir Menschen gleichen Pflanzen; wir sind Pflanzen auf Gottes schöner Erde. Und wenn aus uns etwas Ordentliches werden soll, dann brauchen auch wir Licht: Wir brauchen das Licht der göttlichen Liebe! Dieses Licht strahlt uns in Jesus Christus an. Der ist vom Himmel gekommen, um unsere Welt zu erleuchten und um ums Menschen so reifen zu lassen, wie Gott es haben will. Jesus hat gesagt: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh. 8,12). Darüber hinaus gibt es viele andere Verse in der Bibel, die bezeugen, dass Gott unser Licht ist, das durch seinen ein­geborenen Sohn bei uns scheint. Wir alle, die unter dem göttlichen Licht gedeihen, können „Licht­kinder“ genannt werden. Das Licht von Gottes Gnade ist mit der Taufe in unser Leben getreten, und es leuchtet weiter durch die frohe Botschaft von Jesus Christus, der uns die Sünden vergibt und ewiges Leben schenkt. Es ist wie bei der Sonnen­blume: Nicht wir können uns mit mensch­licher Mühe zu Licht­kindern machen, sondern das Licht der Liebe Christi ist es, das uns zu Licht­kindern macht. Und nun schreibt uns der Apostel Paulus, dass wir uns auch so verhalten sollen, wie es Licht­kindern entspricht: „Lebt als Kinder des Lichts!“, heißt es am Anfang unseres Predigt­textes. Diese Auf­forderung ist gewisser­maßen Überschrift und Motto für das, was folgt.

Und was folgt? Es ist zunächst der Satz: „Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtig­keit und Wahrheit.“ Wir denken an die gute Frucht der Sonnen­blume, an ihre Kerne: was man mit denen alles machen kann, wie die uns erfreuen und dienlich sind, wie sie voller Energie stecken! Ja, so gute Frucht bringt auch jedes Lichtkind unter den Strahlen der Liebe Christi. „Güte, Gerechtig­keit und Wahrheit“ heißt diese Frucht – damit ist alles gesagt, was Gott gefällt und was mit seinem Wort in Einklang steht. Vielleicht wundert ihr euch, dass das hier nur so allgemein beschrieben ist. Überhaupt fällt auf, dass die Bibel gutes mensch­liches Verhalten immer nur sehr allgemein darstellt und nie genau sagt, was wir machen sollen. Das hat einen guten Grund. Wir sollen nämlich nicht wie Sklaven bestimmte Befehle ausführen, sondern wir dürfen frei leben und dabei unseren Verstand gebrauchen, den Gott uns geschenkt hat. Darum heißt es weiter: „Prüft, was dem Herrn wohl­gefällig ist!“ Jawohl, prüft, benutzt euren Verstand, macht die Augen auf! Seht zu, wie ihr in der Welt am besten helfen, dienen und lieben könnt! Macht auch die Ohren auf und hört aus Gottes Wort auf das Beispiel, das Jesus euch gegeben hat, und auf die vielen Vorbilder und Hinweise, die ihr da findet! Bildet euch eine Meinung, wie ihr Gottes Licht in der Welt leuchten lassen könnt, und dann tut es! Es ist dann eure Frucht; aber sie kommt her von Gottes Licht.

Ich möchte das mit einem Beispiel etwas an­schaulicher machen. Paulus hat im Kapitel zuvor über den Umgang der Lichtkinder mit dem Geld ge­schrieben; Geld ist ja stets ein wichtiges Thema. Prüfen wir also, wie ein gott­gefälliger Umgang mit unserem Geld aussieht und wie wir mit Geld gute Frucht bringen können! Da müssen wir zunächst die Grenzen beachten, die uns Gottes Gebote setzen: Nicht stehlen! Nicht begehren! Begnügen wir uns also mit dem, was wir rechtmäßig bekommen. Und das setzen wir dann zuerst dafür ein, dass wir unsere Ver­pflichtungen erfüllen: Miete, offene Rechnungen, Steuern und der­gleichen. „Seid niemandem etwas schuldig!“, hat der Apostel Paulus an anderer Stelle gemahnt (Rö. 13,8). Als Lichtkinder wissen wir, dass wir Gottes Reich besonders ver­pflichtet sind und dass darum ein fester, nicht zu geringer Teil unseres Einkommens als Kirchen­beitrag abgeführt werden soll. Zwar ist der Kirchen­beitrag insofern freiwillig, als dass er nicht juristisch eingeklagt werden kann und seine Höhe nicht vor­geschrieben ist, aber unser Gewissen ver­pflichtet uns, dass wir Gott dieses Opfer nicht schuldig bleiben. Sodann setzen wir unser Geld ein, um die Menschen zu versorgen, die uns anvertraut sind und die nicht selbst für sich sorgen können. Das sind zuerst die Kinder, die noch nicht erwerbs­tätig sind, aber auch die Alten und Kranken in unserer Gesell­schaft, die wir über Steuern und Sozial­abgaben mit­versorgen. Darum ver­abscheuen wir die Schwarz­arbeit, denn Schwarz­arbeit würde ja bedeuten, dass wir Geld für uns behalten, das zu einem guten Teil den Alten, Kranken und sozial Schwachen zukommen soll. Es ist gut, wenn wir darüber hinaus auch noch freiwillig etwas für Arme, Bedürftige und Notleidende übrig haben; die modernen Hilfs­organisatio­nen machen es uns leicht, mit unserem Geld weltweit effektiv zu helfen. Schließlich geben wir den Rest unseres Geldes so aus, dass es Gott ehrt und unsere Mitmenschen freut. Ja, so gehen Lichtkinder mit ihrem Geld um, und sie tun es mit Freude, mit Gebefreude.

Solche Gebefreude, solcher Umgang mit Geld ist ein Beispiel für Frucht des Lichts. Das Gegenteil davon wäre die Habgier. Sie ist nicht Frucht, sondern sie bezeichnet das Ausbleiben von Frucht. Habgier herrscht da, wo geistlich nichts wächst, weil das Licht der Liebe Gottes fehlt. Habgier herrscht in finsteren, fruchtlosen Herzen. Der Apostel Paulus warnt uns davor: „Habt nicht Gemein­schaft mit den un­fruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schänd­lich.“ Weil Habgier und andere Sünden fruchtlose Werke der Finsternis sind, darum werden sie meistens versteckt. Ein habgieriger Mensch wird nicht offen sagen: „Gebt mir euer Geld, damit ich reich werde!“, sondern er wird mit Tricks und Hinterlist den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen versuchen, mit schönen Worten und scheinbar klugen Argumenten.

Ich erinnere mich an ein Interview mit einem berühmten ameri­kanischen Rechts­anwalt, das ich mal gelesen habe. Er vertrat Angehörige von Menschen, die bei einem Flugzeug­absturz ums Leben gekommen waren, und er forderte in deren Namen horrende Millionen­beträge Schaden­ersatz. Man fragte ihn: „Warum diese gi­gantischen Summen?“ Da antwortete er sehr klug und auch sehr vernünftig: „Damit die Flug­gesellschaf­ten sich äußerste Mühe geben, ihre Flüge in Zukunft sicher zu machen!“ Was er verschwieg, war dies: Je höher die Schaden­ersatz­forderung, desto höher sein Honorar! Ganz bestimmt wollte er bei der Sache viel Geld verdienen. Aber dieses Motiv der Habgier ließ er lieber im Dunkeln.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, ihr wisst: Immer, wenn man mit dem Finger anklagend auf jemand anders zeigt, dann zeigen drei Finger auf einen selbst. Ich wage mal die Behauptung: Keiner von uns ist völlig frei von Habgier. Aber wir haben den großen Vorteil, dass Gott uns die Habgier als Gefahr zeigt, als Werk der Finsternis! Und wir haben den noch größeren Vorteil, dass wir das Licht kennen, das Licht der Liebe Gottes in Jesus Christus! Machen wir es also wie die Sonnen­blume: Wenden wir unsere Köpfe dem Licht zu; halten wir uns zu Jesus Christus! Vielleicht ist euch das auch schon mal auf­gefallen: Wenn man an einem Feld mit Sonnen­blumen vorbei­kommt, dann richten sie alle ihre Köpfe in die Haupt­richtung, aus der die Sonne scheint. Ja, so wollen wir es auch machen. Die Bibel nennt das schlicht „Buße“: wenn wir unsere finsteren Werke und unsere finsteren Herzens­regungen in der Beichte offen vor Gott ausbreiten und uns dann seine Liebe ins Gesicht scheinen lassen durch das Wort der Vergebung. Zu solcher Buße fordert uns der Apostel Paulus auf in unserem Predigt­text: „Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.“

Danach zitiert Paulus etwas, das wohl ein bekanntes Kirchenlied bei den Urchristen war: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus er­leuchten.“ Lasst uns diesen Vers jetzt mal singen – in einer Form, die uns heutzutage für Kirchen­lieder geläufiger ist, und nach der Melodie „O Jesu Christe, wahres Licht“: „Wach auf beim ersten Morgenrot / und sei nicht mehr in Sünden tot! / Und Christus, Gottes reines Licht, / erleuchte dir dein Angesicht.“

Liebe Licht­kinder, der Vers macht es klar, und wir merken es auch am eigenen Leib: Eigentlich sind wir noch Morgen­licht­kinder. Mit Jesus ist das Licht der Liebe über der Welt an­gebrochen, aber der helle Tag des Gottes­reiches ist noch nicht da. Noch sind wir schläfrig, noch spüren wir etwas von der Macht der Finsternis, noch ist die Glaubens­frucht nicht ausgereift. Erst in der ewigen Welt werden wir fertig und prächtig sein und strahlen unter dem hellen, ewigen Licht Christi – so wie eine voll erblühte Sonnenblume in all ihrer Pracht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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