Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Es ist ein schönes altes Bild, das dem heutigen Sonntag Namen und Thema gegeben hat: Wir sind wie Schafe, und Jesus ist unser guter Hirte. Es ist ein Bild, das an vielen Stellen in der Bibel auftaucht, auch hier in dem Vers aus dem 1. Petrusbrief. Das Bild hat nur einen Haken: Wir verstehen seine Bedeutung heute nicht mehr so richtig. Damals, zu biblischen Zeiten, da hatten alle irgendwie mit Schafen und Ziegen zu tun; da wussten alle, was eine Herde ist und was ein Hirte machen muss. Dieses Bild vom guten Hirten leuchtete den Leuten damals sofort ein. Heute kennen wir ja kaum noch echte Schafherden und Hirten. Außerdem sieht das Berufsbild eines Schäfers in Deutschland ziemlich anders aus als der Aufgabenbereich eines Hirten im alten Israel. Eigentlich bräuchten wir ein anderes Bild für Jesus, das zwar dasselbe aussagt, das uns aber irgendwie näher liegt als das Bild von den irrenden Schafen und dem guten Hirten. Nun habe ich ja schon öfters mal aus der Bibelübertragung für Jugendliche vorgelesen, der sogenannten „Volxbibel“. Da finden wir oft die Bilder und Gleichnisse der alten Zeit in das heutige Leben übertragen. Aber ausgerechnet bei unserem Predigttext musste ich feststellen: Fehlanzeige! Da gibt es keine Übertragung ins heutige Leben, da ist einfach das schöne alte Bild übernommen worden; nur die Sprache klingt etwas normaler. Da heißt es: „Völlig ziellos seid ihr rumgelaufen, wie Schafe die keinen Hirten mehr haben.“
Daraufhin habe ich nachgedacht, ob mir nicht selbst ein passendes Bild aus der heutigen Zeit einfällt. Vielleicht Jesus als Trainer einer Fußballmannschaft? Oder Jesus als Kindergärtnerin? Oder Jesus als Krötenretter auf der Landstraße? All das schien mir nicht so ganz passend. ich habe mich schließlich für Jesus als Fahrlehrer entschieden. Sicher hinkt dieser Vergleich, aber man kann doch einiges an diesem Bild erkennen.
Der Apostel Petrus schrieb: „Ihr wart wie die irrenden Schafe.“ Übetragen auf das Bild von der Fahrschule heißt das: „Ihr hattet keine Ahnung vom Autofahren.“ So ist das ja im Leben: Laufen und sprechen lernt der Mensch praktisch von selbst, aber Autofahren nicht, da braucht er einen Fahrlehrer. Wer von euch den Führerschein gemacht hat, erinnert sich vielleicht daran, wie dumm er sich in den ersten Fahrstunden angestellt hat; mir ging das jedenfalls so. Ich weiß noch genau, wie meine rechte Hand mit dem Schaltknüppel umherirrte und oft den richtigen Gang nicht fand. Ich weiß noch genau, wie mein linker Fuß mit dem Kupplungspedal umherirrte und den Schleifpunkt nicht fand; der Wagen soff dann ab. Ich weiß noch genau, wie ich beim Lenken umherirrte und nicht den richtigen Abstand zum rechten Straßenrand fand; der Fahrlehrer musste immer wieder korrigieren: „Mehr rechts!“, oder: „Nicht so dicht an den parkenden Autos vorbeifahren!“ Auch in manch anderer Hinsicht musste der Fahrlehrer mir zeigen, wo es lang geht. Er passte auf, dass ich nicht von der falschen Seite in eine Einbahnstraße fuhr oder dass ich nicht links abbog, wo man nur rechts abbiegen durfte. Ja, der Fahrlehrer erwies sich wirklich als guter Hirte. Er zeigte mir, wo es lang ging, und behütete mich vor Unfällen. Manchmal griff er mir ins Lenkrad oder trat auf seine Bremse. Aber das tat er nur im Notfall; normalerweise ließ er mich fahren und überwachte mich nur. „Überwacher“ oder „Aufpasser“, so könnte man diese Funktion des Fahrlehrers auch beschreiben, auf Griechisch „Episkopos“. Daher kommt unser Fremdwort „Bischof“; der ist ein kirchlicher „Überwacher“ oder „Aufpasser“. Nun verstehen wir gut, was Petrus weiter geschrieben hat: „Ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“ Es bedeutet in unserem Bild: „Jetzt habt ihr einen guten Fahrlehrer fürs Leben gefunden, der auf euch aufpasst.“ Oder eigentlich: „Jetzt wurdet ihr von einem guten Fahrlehrer gefunden.“ Petrus hat ja geschrieben: „Ihr seid nun bekehrt“ – das ist etwas, was wir nicht selbst aus eigener Kraft getan haben, sondern was Gott getan hat! Der hat uns gefunden, der hat uns durch Jesus und den Heiligen Geist zu sich gerufen, der hat uns in der Taufe wiedergeboren, der hat uns den Glauben geschenkt!
Jetzt müssen wir aber noch einen Schritt weiter gehen. Wir sind vom Hirtenbild zum Fahrlehrerbild gekommen; nun müssen wir noch vom Fahrlehrerbild zum wirklichen Leben finden. Da werden viele Leute sagen: Wir brauchen keinen Bischof, wir brauchen keinen Aufpasser, wir brauchen keinen guten Hirten, wir brauchen keinen Lebens-Fahrlehrer! Wirklich nicht? Ihr Leute, die ihr das meint: Findet ihr denn zielstrebig immer den richtigen Weg im Leben? Geratet ihr nie in einen falschen Gang, in eine Sackgasse oder auf eine verbotene Straße? Meint ihr sogar, dass ihr selbst gut durch den dunklen Tunnel des Sterbens steuern könnt und auf der anderen Seite heil herauskommt? Schafft ihr das wirklich ohne Jesus? Ich bin davon überzeugt, dass niemand das schafft. Gottes Wort bezeugt klar und deutlich, dass niemand das schafft. „Ihr wart wie die irrenden Schafe“, heißt es. Ohne Jesus verirrt ihr euch hoffnungslos im Labyrinth des Lebens und kommt an alle möglichen Stellen, nur nicht dahin, wo das gute Leben ist.
Ich möchte das mal am Beispiel der Berufswahl klar machen. Es gibt heute nur noch wenige Leute, die schon als Kinder wissen, was sie einmal werden wollen, die dann auch unbeirrt bei diesem Berufswunsch bleiben, die dann einen entsprechenden Ausbildungsplatz und danach eine entsprechende Anstellung finden und die diesen Beruf bis zur Pensionierung ausüben. Die meisten Jugendlichen sind schon von Anfang an unsicher, was das Richtige für sie ist. Manche experimentieren nach der Schule herum, was ja auch nicht das Schlechteste ist – so wie eine junge Chemiestudentin, von der ich kürzlich hörte, sie habe sich für dieses Studienfach entschieden, weil sie es schön findet, mal ein bisschen zu experimentieren. Andere Jugendliche haben gar keine Ideen, hängen herum, oder lassen sich irgendwelche mehr oder weniger guten Dinge aufschwatzen. Mancher fühlt sich in einer Sackgasse, weil er keine passende Anstellung findet; ein anderer weiß vor lauter Möglichkeiten gar nicht, wie er sich entscheiden soll. Viele hadern auch mit früheren Entscheidungen und meinen, sie sind beruflich den falschen Weg gegangen, sie hätten doch lieber etwas anderes machen sollen. Irren ist menschlich; wir sind wie irrende Schafe, auch in dieser Hinsicht. Wie gut ist es da, wenn wir uns besinnen: Wir haben einen guten Hirten; wir haben einen Lebens-Fahrlehrer; wir haben einen, der uns zeigt, wo es lang geht und der dabei auch auf uns aufpasst. Wir haben Jesus, der hat uns gefunden, zu dem gehören wir seit unserer Taufe, und bei dem sind wir gut aufgehoben. Wer beruflich oder ausbildungsmäßig nicht weiter weiß, kann Jesus ruhig bitten: „Zeige mir den richtigen Weg!“ Jesus wird dann zwar nicht die Lebensführung an sich reißen, aber er wird wie ein guter Fahrlehrer genau auf den Weg achten, zur richtigen Zeit den richtigen Hinweis geben und im Notfall schon mal ins Lenkrad greifen. Er wird dabei auch ein paar Lebens-“Verkehrsregeln“ deutlich machen; er wird zeigen, dass es bei der Berufswahl nicht nur ums Geldverdienen geht und nicht nur ums Spaß-Haben, sondern vor allen Dingen darum, wie jeder mit seinen Fähigkeiten den Mitmenschen und dadurch letztlich Gott mit seinem Leben dienen kann. Das kann unter Umständen auch in einem Beruf geschehen, den die meisten Leute gar nicht so nennen werden, weil er nicht direkt mit Anstellungsvertrag und Einkommen verbunden ist: Da ist zum Beispiel der Beruf einer Mutter und Hausfrau, oder da ist das ehrenamtliche Engagement in einer Kirchengemeinde oder in einem gemeinnützigen Verein. Sicher macht Jesus auch immer mehr Menschen klar, dass man nicht unbedingt sein ganzes Berufsleben lang ein und dieselbe Anstellung haben muss, sondern dass auch ein mehrmaliger Wechsel von Arbeitsplatz und Beruf gut sein kann. Letztlich wird uns dabei deutlich: Wir sind auf Reisen in unserem Erdenleben!
Noch einmal: Ich bin davon überzeugt, dass es nur mit Jesus gelingt, den guten und sicheren Weg durchs Leben zu finden. Gottes Wort bezeugt klar und deutlich, was wir ohne Jesus sind: irrende Schafe. Ohne Jesus verirren wir uns hoffnungslos im Labyrinth des Lebens und kommen an alle möglichen Stellen, nur nicht dahin, wo das gute Leben ist. Und ohne Jesus bleiben wir auch hoffnungslos im Labyrinth des Todes hängen und finden nicht zum herrlichen ewigen Leben im Licht Gottes. Mit Jesus als Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz aber gelangen wir gut und sicher ans Ziel. Amen.
PREDIGTKASTEN |