Jesus als Fahrlehrer

Predigt über 1. Petrus 2,25 zum Sonntag Miserikordias Domini

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es ist ein schönes altes Bild, das dem heutigen Sonntag Namen und Thema gegeben hat: Wir sind wie Schafe, und Jesus ist unser guter Hirte. Es ist ein Bild, das an vielen Stellen in der Bibel auftaucht, auch hier in dem Vers aus dem 1. Petrusbrief. Das Bild hat nur einen Haken: Wir verstehen seine Bedeutung heute nicht mehr so richtig. Damals, zu biblischen Zeiten, da hatten alle irgendwie mit Schafen und Ziegen zu tun; da wussten alle, was eine Herde ist und was ein Hirte machen muss. Dieses Bild vom guten Hirten leuchtete den Leuten damals sofort ein. Heute kennen wir ja kaum noch echte Schafherden und Hirten. Außerdem sieht das Berufsbild eines Schäfers in Deutschland ziemlich anders aus als der Aufgaben­bereich eines Hirten im alten Israel. Eigentlich bräuchten wir ein anderes Bild für Jesus, das zwar dasselbe aussagt, das uns aber irgendwie näher liegt als das Bild von den irrenden Schafen und dem guten Hirten. Nun habe ich ja schon öfters mal aus der Bibel­übertragung für Jugendliche vorgelesen, der sogenannten „Volx­bibel“. Da finden wir oft die Bilder und Gleichnisse der alten Zeit in das heutige Leben übertragen. Aber aus­gerechnet bei unserem Predigttext musste ich fest­stellen: Fehl­anzeige! Da gibt es keine Übertragung ins heutige Leben, da ist einfach das schöne alte Bild übernommen worden; nur die Sprache klingt etwas normaler. Da heißt es: „Völlig ziellos seid ihr rum­gelaufen, wie Schafe die keinen Hirten mehr haben.“

Daraufhin habe ich nach­gedacht, ob mir nicht selbst ein passendes Bild aus der heutigen Zeit einfällt. Vielleicht Jesus als Trainer einer Fußball­mannschaft? Oder Jesus als Kinder­gärtnerin? Oder Jesus als Kröten­retter auf der Landstraße? All das schien mir nicht so ganz passend. ich habe mich schließlich für Jesus als Fahrlehrer ent­schieden. Sicher hinkt dieser Vergleich, aber man kann doch einiges an diesem Bild erkennen.

Der Apostel Petrus schrieb: „Ihr wart wie die irrenden Schafe.“ Übetragen auf das Bild von der Fahrschule heißt das: „Ihr hattet keine Ahnung vom Auto­fahren.“ So ist das ja im Leben: Laufen und sprechen lernt der Mensch praktisch von selbst, aber Autofahren nicht, da braucht er einen Fahrlehrer. Wer von euch den Führer­schein gemacht hat, erinnert sich vielleicht daran, wie dumm er sich in den ersten Fahrstunden angestellt hat; mir ging das jedenfalls so. Ich weiß noch genau, wie meine rechte Hand mit dem Schalt­knüppel umherirrte und oft den richtigen Gang nicht fand. Ich weiß noch genau, wie mein linker Fuß mit dem Kupplungs­pedal umherirrte und den Schleif­punkt nicht fand; der Wagen soff dann ab. Ich weiß noch genau, wie ich beim Lenken umherirrte und nicht den richtigen Abstand zum rechten Straßenrand fand; der Fahrlehrer musste immer wieder korri­gieren: „Mehr rechts!“, oder: „Nicht so dicht an den parkenden Autos vorbei­fahren!“ Auch in manch anderer Hinsicht musste der Fahrlehrer mir zeigen, wo es lang geht. Er passte auf, dass ich nicht von der falschen Seite in eine Einbahn­straße fuhr oder dass ich nicht links abbog, wo man nur rechts abbiegen durfte. Ja, der Fahrlehrer erwies sich wirklich als guter Hirte. Er zeigte mir, wo es lang ging, und behütete mich vor Unfällen. Manchmal griff er mir ins Lenkrad oder trat auf seine Bremse. Aber das tat er nur im Notfall; normaler­weise ließ er mich fahren und überwachte mich nur. „Über­wacher“ oder „Auf­passer“, so könnte man diese Funktion des Fahrlehrers auch be­schreiben, auf Griechisch „Episkopos“. Daher kommt unser Fremdwort „Bischof“; der ist ein kirchlicher „Über­wacher“ oder „Auf­passer“. Nun verstehen wir gut, was Petrus weiter geschrieben hat: „Ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“ Es bedeutet in unserem Bild: „Jetzt habt ihr einen guten Fahrlehrer fürs Leben gefunden, der auf euch aufpasst.“ Oder eigentlich: „Jetzt wurdet ihr von einem guten Fahrlehrer gefunden.“ Petrus hat ja ge­schrieben: „Ihr seid nun bekehrt“ – das ist etwas, was wir nicht selbst aus eigener Kraft getan haben, sondern was Gott getan hat! Der hat uns gefunden, der hat uns durch Jesus und den Heiligen Geist zu sich gerufen, der hat uns in der Taufe wieder­geboren, der hat uns den Glauben geschenkt!

Jetzt müssen wir aber noch einen Schritt weiter gehen. Wir sind vom Hirtenbild zum Fahrlehrer­bild gekommen; nun müssen wir noch vom Fahrlehrer­bild zum wirklichen Leben finden. Da werden viele Leute sagen: Wir brauchen keinen Bischof, wir brauchen keinen Aufpasser, wir brauchen keinen guten Hirten, wir brauchen keinen Lebens-Fahrlehrer! Wirklich nicht? Ihr Leute, die ihr das meint: Findet ihr denn zielstrebig immer den richtigen Weg im Leben? Geratet ihr nie in einen falschen Gang, in eine Sackgasse oder auf eine verbotene Straße? Meint ihr sogar, dass ihr selbst gut durch den dunklen Tunnel des Sterbens steuern könnt und auf der anderen Seite heil heraus­kommt? Schafft ihr das wirklich ohne Jesus? Ich bin davon überzeugt, dass niemand das schafft. Gottes Wort bezeugt klar und deutlich, dass niemand das schafft. „Ihr wart wie die irrenden Schafe“, heißt es. Ohne Jesus verirrt ihr euch hoffnungs­los im Labyrinth des Lebens und kommt an alle möglichen Stellen, nur nicht dahin, wo das gute Leben ist.

Ich möchte das mal am Beispiel der Berufswahl klar machen. Es gibt heute nur noch wenige Leute, die schon als Kinder wissen, was sie einmal werden wollen, die dann auch unbeirrt bei diesem Berufs­wunsch bleiben, die dann einen ent­sprechenden Ausbildungs­platz und danach eine ent­sprechende Anstellung finden und die diesen Beruf bis zur Pensio­nierung ausüben. Die meisten Jugend­lichen sind schon von Anfang an unsicher, was das Richtige für sie ist. Manche experi­mentieren nach der Schule herum, was ja auch nicht das Schlech­teste ist – so wie eine junge Chemie­studentin, von der ich kürzlich hörte, sie habe sich für dieses Studienfach ent­schieden, weil sie es schön findet, mal ein bisschen zu experi­mentieren. Andere Jugendliche haben gar keine Ideen, hängen herum, oder lassen sich irgend­welche mehr oder weniger guten Dinge auf­schwatzen. Mancher fühlt sich in einer Sackgasse, weil er keine passende Anstellung findet; ein anderer weiß vor lauter Möglich­keiten gar nicht, wie er sich entscheiden soll. Viele hadern auch mit früheren Ent­scheidungen und meinen, sie sind beruflich den falschen Weg gegangen, sie hätten doch lieber etwas anderes machen sollen. Irren ist menschlich; wir sind wie irrende Schafe, auch in dieser Hinsicht. Wie gut ist es da, wenn wir uns besinnen: Wir haben einen guten Hirten; wir haben einen Lebens-Fahrlehrer; wir haben einen, der uns zeigt, wo es lang geht und der dabei auch auf uns aufpasst. Wir haben Jesus, der hat uns gefunden, zu dem gehören wir seit unserer Taufe, und bei dem sind wir gut aufgehoben. Wer beruflich oder ausbildungs­mäßig nicht weiter weiß, kann Jesus ruhig bitten: „Zeige mir den richtigen Weg!“ Jesus wird dann zwar nicht die Lebens­führung an sich reißen, aber er wird wie ein guter Fahrlehrer genau auf den Weg achten, zur richtigen Zeit den richtigen Hinweis geben und im Notfall schon mal ins Lenkrad greifen. Er wird dabei auch ein paar Lebens-“Verkehrs­regeln“ deutlich machen; er wird zeigen, dass es bei der Berufswahl nicht nur ums Geld­verdienen geht und nicht nur ums Spaß-Haben, sondern vor allen Dingen darum, wie jeder mit seinen Fähigkeiten den Mitmenschen und dadurch letztlich Gott mit seinem Leben dienen kann. Das kann unter Umständen auch in einem Beruf geschehen, den die meisten Leute gar nicht so nennen werden, weil er nicht direkt mit Anstellungs­vertrag und Einkommen verbunden ist: Da ist zum Beispiel der Beruf einer Mutter und Hausfrau, oder da ist das ehren­amtliche Engagement in einer Kirchengemeinde oder in einem gemein­nützigen Verein. Sicher macht Jesus auch immer mehr Menschen klar, dass man nicht unbedingt sein ganzes Berufsleben lang ein und dieselbe Anstellung haben muss, sondern dass auch ein mehrmaliger Wechsel von Arbeits­platz und Beruf gut sein kann. Letztlich wird uns dabei deutlich: Wir sind auf Reisen in unserem Erdenleben!

Noch einmal: Ich bin davon überzeugt, dass es nur mit Jesus gelingt, den guten und sicheren Weg durchs Leben zu finden. Gottes Wort bezeugt klar und deutlich, was wir ohne Jesus sind: irrende Schafe. Ohne Jesus verirren wir uns hoffnungslos im Labyrinth des Lebens und kommen an alle möglichen Stellen, nur nicht dahin, wo das gute Leben ist. Und ohne Jesus bleiben wir auch hoffnungs­los im Labyrinth des Todes hängen und finden nicht zum herrlichen ewigen Leben im Licht Gottes. Mit Jesus als Fahrlehrer auf dem Beifahrer­sitz aber gelangen wir gut und sicher ans Ziel. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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