Was bin ich?

Predigt über Epheser 3,7 zum Epiphaniasfest

Christi Diener bin ich geworden duch die Gabe der Gnade Gottes, die mir nach seiner mächtigen Kraft gegeben ist.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Was bin ich?“ ist nicht nur der Titel der lang­lebigsten Quizsendung des Deutschen Fernsehens (sie wurde immerhin über 30 Jahre lang aus­gestrahlt), „Was bin ich?“ ist vor allem die Frage eines jeden Menschen, der sich selbst erkennen will. Schon der griechische Philosoph Heraklit hat vor zweieinhalb­tausend Jahren zu solcher Selbst­erkenntnis aufgerufen. Jeder Mensch tut gut daran, sich mit dieser Frage zu be­schäftigen, auch jeder Christ, auch jeder Pastor, auch noch nach 25 Jahren Dienst. Darum möchte ich zusammen mit euch heute Antworten suchen auf die Frage „Was bin ich?“, und ich möchte das mit dem Gotteswort aus dem Epheser­brief tun. Drei Antworten finde ich darin: Ich bin erstens ein Anhänger von Jesus, zweitens ein Diener, drittens ein unverdient Be­schenkter.

Erstens bin ich ein Anhänger von Jesus. Das wird in dem Augenblick klar, wo wir den Vers des Predigt­textes im Zusammen­hang mit den voran­gehenden Versen lesen (das ist die Epistel des heutigen Epiphanias­festes). In diesen voran­gehenden Versen ist von Jesus Christus die Rede, und unser Vers schließt sich mit einem Relativsatz an das Hauptwort Christus an: „… dessen Diener ich geworden bin“, so steht es da eigentlich. Der Apostel Paulus hat sich hier also mit einem Nebensatz an Christus angehängt, und Christus steht im Hauptsatz – Christus ist die Haupt­person! Das gilt nicht nur für Paulus und nicht nur für die Grammatik unseres Bibel­wortes, sondern das gilt grund­sätzlich für alle Christen: Christus ist die Haupt­person, und wir hängen an ihm dran als Anhängsel, als Anhänger. In der heiligen Taufe ist es geschehen, dass wir an ihn angehängt wurden, und wir gehören jetzt zu ihm, sind Glieder an seinem Leib, sind unzertrenn­lich mit ihm verbunden, sowohl für das Leben in dieser Zeit als auch für das zukünftige. Das hat Gottes „mächtige Kraft“ gemacht, von der am Ende unseres Bibelworts die Rede ist, Gottes „energeia täs dynameoos“, wie es im griechi­schen Urtext heißt, und man versteht es auch dann, wenn man kein Griechisch kann: Gottes „dynamische Energie“, Gottes „mächtige Kraft“. Es ist die göttliche Wirkkraft, die im Wort des Evangeliums das Wunder vollbringt, dass aus einem verlorenen Sünder ein ewiger Anhänger von Jesus wird!

Ja, Anhänger von Jesus sind wir, obwohl wir im biblischen Sinne Heiden sind, also Menschen, die nicht von Abraham, Isaak und Jakob abstammen und sich daher auch nicht aufgrund ihrer Nationali­tät als Gottes Volk betrachten dürfen. Wir sind Heiden wie damals die Leute aus dem Morgenland, die Gott durch einen Stern zu Christus geführt hat. Gott sei Lob und Dank, dass er auch uns zu Christus geführt und mit ihm in der Taufe verbunden hat! Da wollen auch wir anbetend unsere Knie vor ihm beugen, denn er ist der König, und wir sind seine Anhänger.

Zweitens bin ich ein Diener. „Christi Diener bin ich geworden“, schrieb der Apostel Paulus. Nun könnte mir freilich jemand vorwerfen, es sei anmaßend, wenn man sich als Nicht-Apostel ebenso als Diener Christi bezeichnet wie der Apostel. Andere werden mir das vielleicht zubilligen, weil ich ein Pastor bin, aber sie werden es ablehnen, diese Bezeichnung auf Nicht-Pastoren aus­zudehnen. Da müssen wir uns näher mit dem Wort „Diener“ be­schäftigen, um heraus­zufinden, für wen es gilt und was Gott uns damit sagen will. Zu diesem Zweck erlaube ich mir, noch einmal auf den griechi­schen Urtext zurück­zugreifen und auch gleich noch das Lateinische mit heran­zuziehen. Im Griechi­schen steht für „Diener“ „diakonos“, im Lateini­scher „minister“. Wieder kommen diese Wörter auch denen bekannt vor, denen die alten Sprachen fremd sind: „diakonos“ klingt nach Diakon; da denken wir an einen kirchlicher Mit­arbeiter: Seine Aufgaben können sehr vielfältig sein, und er muss nicht unbedingt geistliche Leitungs­verantwor­tung tragen. Beim Wort „minister“ dagegen fallen uns Politiker ein, Menschen in heraus­ragender Position, die im Staat Leitungs­verant­wortung tragen. Wahr­scheinlich waren auch die Weisen aus dem Morgenland nicht selbst Könige, sondern eher königliche Minister, Staats­diener, die mit ihrer wissen­schaft­lichen Tätigkeit den Menschen dienen wollten und sollten. Nehmen wir dann noch die deutsche Übersetzung „Diener“ hinzu, dann wird uns klar: In seinem weitesten Sinn umfasst das Wort eine große Vielfalt von Tätig­keiten, die nur dies gemeinsam haben, dass sie den Mit­menschen, der Kirche und letztlich dem Herrn Jesus Christus dienen. Insofern können wir alle, die wir Anhänger von Jesus sind, uns auch als Christi Diener bezeichnen – mit diesen oder jenen Gaben, bei dieser oder jener Gelegen­heit, mit großer oder mit kleiner Kraft, je nachdem, wie Gott es gibt.

Nun hat das Wort „Diener“ bzw. „Dienst“ im neuen Testament aber noch eine besondere Bedeutung. Es ist damit oftmals das Hirtenamt gemeint, das Amt der öffent­lichen Verkündi­gung, das einst die von Christus be­vollmächtig­ten Apostel ausübten und das heute von den ordinierten Pastoren ausgeübt wird. Zu diesem Amt bin ich vor genau 25 Jahren an genau dieser Stelle bestellt worden. Darum bin ich nicht nur ein Anhänger von Jesus und nicht nur jemand, der ganz allgemein mit seinem Leben Christus dienen will, sondern auch jemand, der von Christus und seiner Kirche mit diesem besonderen Hirten­dienst beauftragt worden ist. Darüber freue ich mich sehr, denn ich muss sagen: Es gibt keinen schöneren Beruf. Es gibt nichts Schöneres und Wichtige­res, als den Menschen die Liebe Gottes nahe­zubringen, die in Jesus erschienen ist: alten und jungen Menschen, klugen und dummen Menschen, Männern und Frauen, Landleuten und Stadt­leuten, Fröhlichen und Traurigen, Lauten und Leisen… Wer sonst hat in seinem Beruf schon mit so vielen ver­schiedenen Menschen zu tun? Es gibt auch kaum einen viel­seitigeren Arbeits­platz, der eigentlich ein ganzes Ensemble von Arbeits­plätzen darstellt: auf der Kanzel oder am Altar oder am Taufstein, im Auto oder am Computer, im Krankenhaus oder im Altenheim oder in Wohn­häusern, in der Öffentlich­keit oder im stillen Kämmerlein. An unzähligen Orten durfte ich schon das Evangelium predigen und taufen sowie Leib und Blut Christi austeilen, im Sand der Kalahari-Wüste und am Lagerfeuer ebenso wie in prächtigen Kirch­gebäuden. Und das alles, weil ich als Diener Christi ein Diener des Wortes bin. Schwer ist an diesem Beruf eigentlich nur zweierlei: Erstens, dass so viele Menschen das Evangelium nicht annehmen, und zweitens, dass ich immer wieder über mein eigenes Unvermögen stolpere und es mir nur schlecht gelingt, diesem Auftrag gerecht zu werden. Aber darum geht es eigentlich gar nicht; es kommt nicht darauf an, inwiefern mir dieser Beruf Freude macht und inwiefern er mich belastet. Denn es ist ja kein selbst­gewählter Dienst, sondern wirklich ein Beruf im eigent­lichen Sinne des Wortes: Christus hat berufen, Christus hat be­vollmäch­tigt, Christus hat beauftragt, da muss dann einfach gedient werden, gleich ob mit fröhlichem Herzen oder mit Zittern und Zagen.

Das führt uns zur dritten und letzten Antwort auf die Frage: „Was bin ich?“ Ich bin ein unverdient Be­schenkter. Es heißt: „Christi Diener bin ich geworden duch die Gabe der Gnade Gottes.“ Der Dienst, den Christus mir verliehen hat, ist zugleich Gnadengabe, Gnaden­geschenk, un­verdientes Geschenk. Ein Geschenk, für das ich in keiner Weise würdig bin. Gottes Engel könnten die Gemeinde Jesu tausendmal besser weiden als ich und hundertmal besser als auch der beste Pastor der Welt. Dennoch schenkt Gott uns Menschen dieses Amt, und dennoch schenkte er es auch mir. Auch euch, die ihr keine Pastoren seid, sondern Diener Christi im weiteren Sinne, hat er als unverdiente Gnadengaben gegeben, was ihr in den Dienst der Kirche und eurer Mitmenschen einbringen könnt und sollt. Ja, all die besonderen Geistes­gaben und Talente unter uns Christen sind Zeichen von Gottes Gnade, die uns durch Christus geschenkt ist. Denn Gott zeigt uns damit, dass wir nicht verstoßen sind, sondern hinein­genommen in sein Reich als seine lieben Kinder, die mittun dürfen bei dem großen göttlichen Heilswerk. Darum wird dieses Geschenk auch eine Gabe genannt, die uns „nach seiner mächtigen Kraft gegeben ist“, also auf der Grundlage der mächtigen Erlösungs­kraft seines Evan­geliums. Ein un­verdientes Geschenk ist es, dass Gott uns so sehr wertschätzt und uns so Großes anvertraut – freilich ein Geschenk, das auch ver­pflichtet.

Ach, dass wir nur nicht Gottes Geschenk an uns für unser Geschenk an ihn halten! Dass wir nur nicht denken, wir tun Gott wer weiß was für einen Gefallen, wenn wir uns in seiner Kirche engagieren, und er müsste uns dafür wer weiß wie dankbar sein! Nach mensch­lichem Ermessen mag es ja manchmal so scheinen, weil wir nach dem Äußeren urteilen. Die Weisen brachten dem Jesuskind einst kostbare Geschenke mit: Gold, Weihrauch, Myrrhe – Gaben, die königlicher Minister würdig waren. Sie, die vornehmen Herren, brachten dem armen Jesuskind kostbare Geschenke, so hatte es den Anschein. In Wahrheit aber war es umgekehrt: Sie selbst wurden beschenkt, und zwar damit, dass sie zum Heiland kommen durften, dass sie an seiner Krippe ihre Knie beugen durften. Und auch damit, dass er ihre armseligen Gaben nicht zurück­gewiesen hat – er, dem doch die ganze Welt gehört!

Genauso will ich auch mich und meinen Dienst ansehen, liebe Gemeinde. Was bin ich denn? Ein Anhängsel von Jesus, sein Diener, ein unverdient Be­schenkter. Ohne ihn wäre ich nichts. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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